19.10.2017
25. Woche
Die Schwester zieht nach
Die jeweilige Schwester zieht nach, nur mit unterschiedlichem Ergebnis. Und ich habe einen neuen Schlafplatz entdeckt.
Unser Wochenanfang ist von nun an eher klassisch geprägt. Die ganze Familie steht auf, macht sich für den Tag fertig und wir fahren alle gemeinsam los. Es könnte so ein harmonisch sonnig geprägtes Bild sein. Doch es ist eben auch ein Montag. Während unsere große Tochter schon alle vor dem Wecker klingeln eher launisch weckt, versuchen unsere Kleinsten sich noch eine Mütze Schlaf zu holen. Von mürrisch bis trödelig haben wir alles dabei, außer ein sonniges Frohgemut. Schlussendlich sitzen wir alle pünktlich im Auto und beginnen unsere Tour. Nachdem wir die beiden Großen erfolgreich abgesetzt haben, fahre ich den Rest unserer Familie zur Schule, in der meine Frau nun als Dozentin arbeitet. Auf dem Weg durch den Wald, denke ich an die weißen Handschuhe, die mir ein Freund mal angeboten hat. Mir würde der Zylinder noch fehlen. Der Gedanke amüsiert mich. Dennoch weiß ich, dass meine geliebte Angetraute auf solche Äußerungen empfindlich reagiert.
Da in der Nähe alle Eltern-Kind-Cafés montags geschlossen haben, finde ich mich in der nahe gelegenen Krankenhauskantine ein. Für knapp vier Stunden erhalten unsere Zwillinge so einen Blick ins echte Leben. Zwischen Handwerkern, Verletzten, Besuchern und einem Treff älterer Menschen, warten wir auf die Stillpause. Gerade als ich die Beiden auf meiner Jacke, mangels vorhandener Möglichkeiten, gewickelt habe, kommt eine Frau auf mich zu und sagt zu mir, dass sie findet, dass wir das ganz toll machen. Das freut mich nicht nur, es berührt mich. Das jemand den Blick für einen Fremden hat und ihm dann noch sagt, was ihm positiv am Anderen auffällt, ist selten und doch für ein Miteinander so wichtig. Ich weiß nicht, wie lange sie uns schon gesehen hat. Da sie die Mehrzahl benutzte, habe ich ihre Äußerung gern mit meiner Frau geteilt.
Nach ihrem Unterricht fuhren wir nach Hause und waren dann nochmal alle in der Praxis. Da Oma sich um unsere Großen kümmerte hatten wir nun etwas Zeit für die kleinen notwendigen Dinge. Am Folgetag ging es dann für die Hälfte der Familie früh los und ich blieb mit den Zwillingen zurück. Und es war einer dieser Tage, an denen ich schlecht meine vermeintliche Untätigkeit aushalten konnte. Meine Zettel mit Aufgaben ist soooo lang. So überlegte ich an diesem Tag zum x-ten Mal, wie ich mit zwei Babys in ihren Autositzen gefahrlos durch den Baumarkt kurven könnte. Einkaufen, egal wo, ist einfach so nicht möglich. Oder ich habe noch keine Lösung gefunden. Und selbst wenn ich sie sicher in irgendeinen Einkaufswagen stellen könnte, wohin dann mit dem Material? Und das ich mir bspw. die Holzleiste, zum Transport, in den Mund klemme, finde ich wenig ästhetisch. Und ob das praktisch gehen würde, bezweifle ich auch. So blieben mir Tätigkeiten im Haushalt, wie Wäsche waschen und Geschirrspüler anstellen. Doch die Maschinen machen ja auch alles selbst. So mussten mich meine kleinen Töchter ertragen und es ist wahrscheinlich, dass sie ein ständiges durch die Gegend ziehen, womöglich auch nicht so gut auffassen würden. Nach der Ankunft meiner Frau gab es noch eine Fahrradreparatur und schon ging es zum Sport mit meinem Sohn. In der Zwischenzeit konnte ich wenigstens den Wocheneinkauf bewerkstelligen.
Bei unserer Ankunft zu Hause gab es dann schon etwas Besonderes. Meine Frau kam euphorisch auf mich zu und rief fast: „Ich habe mich so gefreut.“. Meine Erwartungskurve schnellte steil nach oben. Haben Polly und Lysanne stundenlang gelächelt, sich beide synchron gedreht, oder gar schon Mama gesagt? Und jetzt kommt´s: „Das ich gestern das Schlafzimmer aufgeräumt habe.“ Boh, meine geweckte Erwartung rauschte durch den Keller abwärts immer tiefer. Und während sich meine Mimik mit kurzer Verzögerung anpasste, übersah ich die dunklen Wolken am Ehehimmel. Während mir meine Gattin erfolgreich mitteilen wollte, was sie alles noch so schafft und von mir Lob und Anerkennung erwartete, war meine Erwartungsrichtung eine ganz andere gewesen. Gerade noch rechtzeitig erkannte und deutete ich das Grollen richtig und redete um zu retten, was kaum noch zu retten war. Am Ende waren die Wogen fast geglättet und ich froh darüber.
Zur Mitte der Woche stand noch mal eine Marketingtour an und Arbeit für meine Frau, während ich mich um alle vier meiner Kinder kümmerte. Nach dem Abendessen sollte mich mein Weg nach Potsdam führen. Wir hatten ein großes Laufgitter erworben. Eines indem sich unsere Zwillinge frei bewegen können und viel Platz zum Wenden und Drehen haben. Mein Sohn wollte mich unbedingt begleiten und so fuhren wir in die Nacht hinein, mit unserer Zettel-App, die diesmal schon am Eingang von Potsdam den Geist aufgab und meine Ehegatten-App vermisste ich nun herzlich. Als dann auch noch der Akku meines Handy Game over meldete, meinte mein Sohn, dass wir nun wohl umkehren müssten. Empört sah ich ihn an und teilte ihm mit, dass wir es jetzt so machen, wie zu meinen Zeiten als Kind. Wir fragen uns durch. Das funktionierte so gut, dass wir ganz pünktlich vor der Tür standen, um dieses riesige Gitter zu verladen. Zurück führten mich meine Erinnerungen und mein Instinkt, die diesmal funktionierten. Und ich glaube, ich habe eine neue App entwickelt. Die voll old school Frage-App. ;-)
Ich habe gemerkt, dass meine Elternzeit gar nicht so Wickelorientiert ist und sich auch weniger nur auf die Babys fokussiert. Wenn ich das mit meinem Arbeitsrhythmus vergleiche, so ist mir das frühe Aufstehen geblieben. Das hält den Takt für später. Gut, die Aufgaben sind andere. Dafür sind sie vielseitiger und bestimmt weniger kopflastiger. Allerdings gibt es so gut wie keine Routine und wesentliche Entscheidungen, die auch ihre Auswirkungen haben, muss ich oft viel schneller treffen. Dazu kommen noch die beständigen Absprachen und Übergaben, Aufgabentaktungen rund um die Familie und Freunde. Bei unserem ersten Kind, empfand ich die Zeit doch schon viel ruhiger. Die Einflüsse, die jetzt auf mich einprasseln und auch die Äußerungen, welche ich unter Belastung von mir gebe, muss ich trotzdem gut abwägen. Wenn zum Beispiel beide Zwillinge weinen, weil die eine die Windeln voll hat, die andere sich den Kopf stieß und die große Schwester gleichzeitig fragt, ob sie was darf und der Bruder noch dringend eine Info aus der Schule loswerden möchte, gerät mein Aufnahme-, Verarbeitungs-, Ausstoßzentrum schon in den Bereich, wofür der Hersteller einige Ausschlusskriterien für die einwandfreie Funktionstüchtigkeit vorformuliert hat. So liegt die Haftung für die Folgen dann wieder bei mir und die können von amüsant bis zur Beckerfaust des Großen reichen, weil er was durchgesetzt hat, was die Situation begünstigte.
Der Donnerstag fing schön an. Nach meinem frühmorgendlichen Pflichtprogramm, traf ich mich zum Frühstück mit meinem Freund. Diesmal nahm ich einiges zum Nachdenken mit. So drehte sich unser Gespräch u.a. um die allgemeine aber auch konkrete Zukunft. Was haben wir noch vor, was gilt es sogar zeitnah umzusetzen und inwieweit habe ich, oder sogar wir Zeit dafür. Als ich dann nach Hause kam, lagen die beiden Mädchen in ihrer Umrandung und stifteten Unruhe. Lysanne begann sich um die eigene Achse zu drehen und während sich Polly gerade wieder auf den Bauch drehen wollte, trat Lysanne plötzlich zu. Sie erwischte Pollys Po und als ob es ein Tritt im übertragenen Sinn war, schaffte es Lysanne sich nun auch auf den Bauch zu drehen. Nun drehen sie sich beide. Während Polly sich von beiden Seiten auf den Bauch drehen kann und auch wieder zurück, hat Lysanne nun erst einmal ihre Lieblingsseite. Doch wer will schon kleinlich sein?
Zur Feier des Tages habe ich dann für meine Frau und mich Mittag gekocht. Pünktlich serviert und aufgetan, meinte meine Frau, nach den ersten vorsichtigen Bissen, dass es besser schmecken würde als es aussieht. Mit diesem Satz ist meine Laufbahn als Koch wohl eher im Imbisswagen angesiedelt. Nun, ich nehme das auch nicht persönlich. Nur kommt der Satz mir jedes Mal ins Gedächtnis, sobald ich mich dem Herd nähere. Zum Glück ging sie danach arbeiten und ich mit den Kindern die Kinder abholen.
Zum Ende der Woche stand nochmal eine Marketingtour an und eigentlich wollten wir diese in einem Café abschließen. Kaum hatten wir bestellt, kam ein Anruf unseres Sohnes, ob wir ihn vergessen hatten. Die Schule sei doch aufgrund einer Fortbildung für die Lehrer früher aus. Ja, Mist, hatten wir. Abrupter Aufbruch und den Großen einsammeln. Danach ging meine Frau arbeiten und ich mit allen Kindern die große Schwester und eine Kita-Freundin abholen. Nun hatte ich fünf Kinder. So schnell kann das mit dem Zuwachs gehen. Die Größeren haben sich aber prima selbst beschäftigt, so dass ich mich um die Zwillinge kümmern konnte. Als dann alle Mamas eintrafen, fuhr ich den Großen zum Sport und anstatt nun die Pflegeprodukte zu besorgen, schlief ich nun schon zum zweiten Mal in der Vorhalle auf dem Holzstuhl ein. Ein Kollege von mir ist als Jungvater mal bei einem Konzert, mit einem Bier, an der Wand lehnend eingeschlafen. Vielleicht lag´s am Interpreten, oder ich bin noch nicht ganz so weit. Nichts desto trotz mussten wir nun danach noch Baby Öl und Cremes einkaufen. Nicht nur beim Tragen, sondern auch an der Kasse macht es sich nun bemerkbar, dass wir Zwillinge haben.
Am Wochenende diskutierten wir kurz, ob Polly nun zu ruhig ist, oder ab sie auch schon etwas zum Zufüttern bräuchte. Kurzum, wir haben es probiert und an dieser Stelle ist sie von dem Drang von den Speisen unseres Tischen essen zu wollen noch weit entfernt. Sie schob alles mit ihrer Zunge wieder hinaus. So bleibt es beim Stillen und stattdessen drängt ihr zweiter Zahn unaufhaltsam ans Tageslicht. Ihr tägliches Zähneputzen begleitet sie mit einem Ritual aus glucksen und lachen.
Im Augenblick fliegen die Tage und wir kommen mit einigen Aufgaben entweder gerade so hin, oder schieben sie regelrecht. In der kommenden Woche, die ja nun schon ausgiebig läuft, summieren sich die Ereignisse. Und wir bekommen Besuch von unserer Hebamme. Aber das in der 26. Lebenswoche.
Alles Gute,
Daniel
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