06.08.2013
45. Woche
Allein mit der zweiten Tochter
Von der Leichtigkeit des Seins, Selbständigkeit, Urlaub mit Kindern und Zugfahren
Eine Woche Pause. Die Urlaubspause, in der ich tatsächlich in der Sächsischen Schweiz keinen Internetzugang bekam. Da ich in der Woche davor Strohwitwer war, gab es auch nicht so viel zu berichten. Vielleicht soviel, dass eine Freundin von mir große Manschetten vor der Zugfahrt hier her auf das Land hat. Sie weiß nicht, wie sie ihre Kinder knappe sechs Stunden in die Zugsitze gefesselt kriegt. Aber genau das ist es doch gerade: der Zug ist eine so sichere Angelegenheit, dass da den Kindern, die gelernt haben beim Bremsen und Anfahren mit der Trägheit umzugehen, eigentlich nichts passieren kann. Interessanter Weise ist meine Freundin damit ein Beispiel, wie sich Eltern das Leben selbst schwer machen können.
Im Urlaub war meine liebe alte Tante aber auch stellenweise sehr erstaunt, wie so der Umgang in der "neuen Zeit" entspannt mit den Kindern ist. Dass die Eltern eben den Kindern sehr viel Vertrauen entgegen bringen und sie nicht auf Schritt und Tritt überwachen. Wir waren im Zirkelsteinressort direkt am Fuße des Zirkelsteins. Dort wohnten wir mit der Großfamilie in einem Bungalowdorf. Da gab es so viele Kinder und die spielten zusamen und zogen gemeinsam durch die Gegend. So wie ich es mir ansonsten idealtypisch für die Dorfgemeinschaft vorstelle. Am ersten Abend kam die erste Tochter zu mir und fragte, ob es denn in Ordnung sei, wenn ich nicht immer wüsste, wo sie gerade sich aufhalten würde. Klar, unter bestimmten Voraussetzungen, auf die sie zu achten hat, kann sie da losziehen, wohin sie möchte. Nur nicht allein und immer mit anderen, die sie als der Familie zugehörig kennt. Dann kann nichts passieren und so war es auch.
Die zweite Tochter bekam diese Freiheit noch nicht zugesprochen. Trotzdem wollte sie sie auch nutzen. Das waren die Momente, in denen es mir nicht ganz so gut ging. Als ich ihr dies mitteilte, sagte sie, sie wolle mich trösten und ich bräuchte mich nicht sorgen, sie sei schon groß und wollte doch nur ihre Freundin suchen.
Die Frau ist gesundheitlich unverändert und kam daher nicht mit. So war ich mit den zwei Mädchen allein beim Familientreffen. Die erste Tochter habe ich dann zu den Schwiegereltern gebracht und die Frau fuhr zu einer lieben Yogatherapeutin, mit der sie diese Woche verbringen wird. In Ruhe und Abgeschiedenheit sehen die beiden Frauen Möglichkeiten, den Heilungsprozess zu verstärken und sich selbst mit der eigenen Entwicklung auseinander zu setzen. So bin ich mit der zweiten Tochter in dieser Woche erstmals allein zu Haus.
Und das ist gewöhnungsbedürftig. Hätte ich nicht gedacht. Ich bin nun die einzige Bezugsperson für das Kind, das gerade mal drei Tage lang seine Mutter genießen konnte, bevor sie wieder weg ist. Das gefällt der zweiten Tochter nicht. Sie vermisst ihre Mama und ist unheimlich anhänglich. Wir hatten gestern auch schon unseren ersten Streit. Sie schrie mich an und nachdem lieb zureden nichts half schrie ich sie an. Half aber auch nichts. Sie spielt nicht alleine, sie weicht mir nicht von der Seite und sagt mir sehr oft, wie sehr sie die Mama vermisst. Sie will nicht schlafen und nicht essen, was es gibt und sagt zuerst zu allem "Nein!"
Die Zeiten der letzten Woche scheinen mir nach dem gestrigen Tag weit weg. Da kam sie an dem einen Abend zu mir auf den Schoß und drückte mich mehrfach ganz ganz fest und wollte auch von mir ganz fest gedrückt werden; verteilte Streicheleinheiten und nahm auch welche entgehen und sagte ganz glücklich zu mir: "Ach Papi, ich bin dein Kuscherle und du bist mein Kuscherle."
Der Urlaub mit Familientreffen war überhaupt sehr schön. Wir sind am ersten Abend auf den Zirkelstein gelaufen und die zweite Tochter ging den ganzen Weg allein. Sie sang dabei von schönen Sommertagen und dass sie ein Wandermädel sei. Als es oben Unstimmigkeiten zwischen Neffe und Nichte gab, ging die erste Tochter mit ihrer Cousine allein wieder runter. Da sie Stiegen kennt und sozusagen stiegenerfahren ist, war das für mich in Ordnung. Zumal ein Erwachsener voraus ging. Danach beim Abendbrot, bei dem die erste Tochter Knödel als Klöße bezeichnete und somit die zweite Tochter über das "Weißbrot" sehr enttäuscht war, wollte die erste Tochter wissen, ob ich denn überhaupt mitbekommen hätte, dass sie mit ihrer Cousine schon alleine von Berg herunter gegangen seien und ob es eben in Ordnung sei, wenn ich nicht immer wüsste, wo sie sei.
Die Tage in der Sächsischen Schweiz waren noch mit einem Ausflug ins Labyrinth (einer lokalen Gesteinsformation, die ihrem Namen alle Ehre macht) und einer Wanderung zum Wolfsburg und zur Kaiserkrone erfüllt. Auch hier hatte ich genug damit zu tun, für die zweite Tochter da zu sein und überließ die erste Tochter beruhigt der Obhut der Großfamilie. So hatte jeder eine herrliche Zeit.
Gestern fing ja die Vater - Tochter - Woche noch nicht so toll an, weshalb ich auch nicht zum Bloggen kam. Ich bin aber optimistisch, was ihren weiteren Verlauf betrifft.
Zum Abschluß noch ein bisschen Kindermund der zweiten Tochter, die ihren Namen noch nicht richtig sprechen kann:
"Papi, eigentlich heiße ich doch so, nee so, nee so, nee... Papi, wie heiße ich? Achja. Also könntest du so zu mir sagen. Aber du sagst immer *Spitzname* zu mir. Dabei heiße ich doch auch *Zweitname*. Also könntest du doch auch *Zweitname* zu mir sagen. Oder du könntest auch *Erstname* + *Spitzname* oder *Zweitname* + *Spitzname* oder *Erstname* + *Zweitname* zu mir sagen. Dann habe ich ja drei Namen. Nee, vier, nee fünf, nee sechs! Namen. Aber du sagst immer *Spitzname* zu mir. Ich sage ja auch immer Papi zu dir. Dabei heißt du so. Und du bist mein Vater. #kichert# Und Mama heißt so, aber ich sage immer Mutter zu ihr."
Bild: Sächsische Schweiz - privat
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