väterzeit.de - Vater sein, Mann bleiben

02.04.2013 28. Woche
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Auf dem Weg zur Vereidigung

Ankunft in der neuen Wohnung - mit Hindernissen und Protesten.
Morgens im Zug auf dem Weg nach Halle an der Saale schaue ich über neblige schneebedeckte Wiesen, über denen eine immer stärker werdende Sonne emporsteigt. Schwarz zeichnen sich die massigen Leiber der Kühe vor der dunklen Silhouette des Waldes in dem weißen Meer des Nebels ab. Ab und an sind Rehe in der Nähe der Gleise. So beginnt mein erster Tag des Referendariats in Sachsen-Anhalt.

In der letzten Woche sah ich die Frau und meine Kinder kaum. Am Montag borgte ich mir einen 7,5t-LKW und fädelte ihn durch eng stehende Doppelreihen parkender Autos bis vor unser Haus. Dann kamen die Packer und der Mann mit dem Lift. Die Frau hatte noch auf der Abschiedsfeier freiwillige Helfer gefunden, die auch alle anrückten und so leerte sich die Wohnung innerhalb von drei Stunden fast gänzlich.
Ohne euch, ihr lieben Helfer, hätten wir es nicht geschafft - herzlichen Dank dafür nochmal am dieser Stelle.

Die beiden Töchter waren die ganze Zeit mit dabei und halfen so gut sie konnten. Besonders für die erste Tochter war das sehr wichtig, um sich von unserer alten Wohnung verabschieden zu können. Die zweite Tochter war ihrerseits sehr empört, als mein Bruder das Familienbett abbaute. „Du sollst das nicht kaputt machen.“ Als er ihr aber erklärte, dass es auseinander gebaut wird, um mitgenommen zu werden und bei uns in der neuen Wohnung wieder zusammen gesetzt würde, war sie zufrieden und half mit. Mich fragte sie, warum wir nicht auch unsere Schlafzimmerwand einpacken würden und wunderte sich, dass wir nicht alles mitnähmen.

Nachdem die Wohnung leer war, brachten wir ausgediente Möbel zum Gewerbehof der Stadt, gingen in unserem Lieblingsrestaurant tailändisch essen und fuhren dann alle zu den Schwiegereltern. Hier würden die Frau und die Kinder mindestens bis Ostern bleiben. Mein Bruder und ich luden das Motorrad und das Faltboot auf den LKW, schliefen ein wenig und fuhren viertel vier los in Richtung Harz. Er wollte dort mit mir sein Werkzeug abholen.

Die Fahrt über schlief ich und als wir in Seesen ankamen, war ich munter und guter Dinge. Wir warteten bis die Bewohner des Midgard Kalari wach waren, verluden das Werkzeug und frühstückten im großen Kreis zusammen. Das war unheimlich schön, dort fühlte ich mich willkommen. Auch dafür vielen Dank.

Die weitere Fahrt war dann nur noch ein Katzensprung und wir kamen in der Altmark an. Wir entluden zu zweit den LKW zur Hälfte und am Mittwoch mit freundlicher Hilfe aus dem Nachbarort ganz - auch euch lieben Dank. Mein Lieblingssofa passte leider nur zersägt in die neue Bleibe. Mittwochabend fuhr ich den leeren LKW wieder nach Sachsen.
Ich bin so froh, dass mein Bruder bei mir war. Denn die leere Wohnung, der volle LKW und dann die andere erst leere Wohnung und dann die ganzen wild hingestellten Sachen und meine Familie nicht bei mir - ich fühlte mich entwurzelt und sehr allein. In dieser Situation war es gut, dass mein nächst älterer Bruder für mich da war, mit mir plante und so Perspektiven schuf.

In Freital traf ich dann die Frau und die Kinder wieder. Die erste Tochter besuchte weitherin ihren Kindergarten, in dem sie am Donnerstag ihren Abschied feierte. Als sie Tags zuvor von der Frau abgeholt wurde, protestierte sie vehement gegen den Umzug. Die Frau spiegelte die Gefühle des Kindes und wollte ihr so Empathie geben: „Du bist sehr traurig, dass wir aus Dresden wegziehen.“  Doch die erste Tochter wollte sich in ihrem gerechten Zorn ergehen. Alle Versuche der Frau wurden abgewatzt: „Bla bla bla! Du kannst ja machen, was du willst. Ich bleibe hier. Du kannst ja wegziehen. Zieh doch dahin, wohin du möchtest. Ich ziehe nicht weg. Bla bla bla!“

Nachdem ich am Donnerstag den Brummi abgegeben hatte (LKW-fahren ist ja sooo geil), ging ich zu unserer alten Wohnung zurück. Ich lief über die Marienbrücke, ging am Japanischen Palais ans Elbufer und lenkte meine Schritte Richtung Augustus-Brücke. Als ich den Glockenspiel-Pavillon erreichte war es gerade 11 Uhr und er spielte mir eine schöne Melodie. Dazu tuteten zwei ablegende Dampfer laut und die Klänge schwangen über der Elbe vor dem Panorama der Altstadt Dresdens. Ich wurde von einer Sehnsucht ergriffen und fühlte mich so verbunden mit dem Hier und Jetzt, dass ich da stand und meinen Tränen freien Lauf lies.

In Freital erwartete uns mein Cousin, der in der Nähe war und einen Abstecher zu uns unternahm. Er ist mir ein lieber Freund und Bruder. Wir tranken Bier und ich zeigte ihm Freital bei Nacht. Am nächsten Tag trennten sich unsere Wege und nachdem wir den Schneeosterhasen der Kinder bestaunten, fuhr ich wieder alleine in die Altmark.

Der dort verbliebene Bruder hatte schon Struktur und eine gewisse Ordnung in das Umzugsgut gebracht. So konnten wir loswerkeln und den Zimmern eine gewisse Gemütlichkeit verleihen. Wir bereiteten viel für die Ankunft des Restes der Familie vor. Es tauchten aber auch Hürden auf. Obwohl wir uns im September eine mündliche Zusage für unseren Zuzug vom Vermieter einholten, war er von unserem plötzlichen und nicht nochmals angezeigten Auftauchen überrascht und wünscht nun keinen Zuzug mehr. Dies drücke er meinen Eltern gegenüber in einem sehr erbosten Brief aus, auf den wir mit Freundlichkeit reagieren werden. Wir wollten doch das Haus kaufen und daher sah ich darin kein Problem. Und im Moment sind wir ja noch nicht einmal in das Haus wirklich eingezogen. Diese Woche werde ich in Magdeburg verbringen und das Staatliche Seminar besuchen.

In wenigen Minuten erreichen wir Halle Saale Hauptbahnhof. Dann werde ich vereidigt. Es bleibt also spannend.

Herzlich
euer Herr Gaigals
Bild: Die alte Wohnung

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Tagebuch Herr Gaigals

Herr Gaigals
Alter: 36
Wohnort: bei Dresden
Beruf: Krankenpfleger und zukünftig Lehrer
Familienstand: verheiratet
Geburtstag Kind: 2 Töchter, 5 und 2 Jahre
Letzter Eintrag: 30.09.2013

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