Bild: Pinnow-Locnikar
Einsteigerprogramm
Marc fährt ein "Einsteiger-Auto". Die kosten komplett etwa 150 bis 200 Euro. Ein Spielzeug für den Küchenfußboden ist das aber nicht: "Der schafft Tempo 30 bis 40." Schnellfahren ist aber gar nicht immer interessant, meint Marc: "Ich finde das auch schön, wenn ich da so ganz bequem langfahren kann. Richtig schnell fahren kann ich ja nur, wenn ich mal alleine auf der Strecke bin." Die Leistung der Mini-Renner wird dabei nicht in PS angegeben, sondern in "Watt" und in Drehzahlen. Marcs Auto leistet etwa 150 Watt bei 20.000 Umdrehungen pro Minute (U/min).
Derweil klärt mich Per, der "Rennleiter" des Vereins, darüber auf, dass es Wettbewerbe gibt, bei denen auch schon Kinder als Fahrer antreten und nicht selten den "Alten" zeigen, wie man‘s macht. Und da geht es zu wie im echten Rennsport: Die richtig Guten verdienen Geld damit!
Einer, der "richtig gut" ist, ist heute da: Christopher Krapp (17) aus Dinklage fährt schon seit seinem sechsten Lebensjahr. Angefangen hat er mit einem Buggy, aber jetzt fährt er nur noch Elektro-Tourenwagen - und war im vergangenen Jahr Deutscher Meister in der Klasse "1:10 Elektro offen" und Vierter bei der Weltmeisterschaft. "Offen, das heißt ohne Leistungsbegrenzung", erklärt Chris. "Das ist die Formel 1 bei den Elektro-Tourenwagen." Den Wert seines Rennboliden schätzt er auf etwa 1000 Euro. "Der hat einen Viereinhalb-Turn-Motor", doziert er. "Das sind die Wicklungen. Je weniger, desto leistungsfähiger." Sein Renner hat 1000 Watt und macht 86000 U/min. Tempo? "75 bis 80", schätzt er. "in den Katalogen wird das immer übertrieben." Bezahlen musste Chris für sein Auto nicht: "Das macht alles mein Sponsor." Damit ist nicht etwa Papi gemeint, sondern der Hersteller des Rennautos, die Firma Kyosho. Chris ist ein "Werksfahrer" und durfte in Begleitung seines Vaters schon zu Rennen nach Tokyo und Bangkok reisen - alles auf Firmenkosten. Für seinen vierten Platz bei der WM hat er eine Prämie bekommen. "Es gibt sogar Fahrer, die kriegen ein richtiges Gehalt", erzählt Chris. "Aber das sind vielleicht nur so zehn auf der ganzen Welt." Chris genügt es, sein Hobby finanziert zu bekommen. "Und ich bekomme was zu sehen von der Welt."
Männer am Renner
Bild: Pinnow-Locnikar
Einmal richtig vollgas lossausen wie bei der Formel 1 - ein Traum von vielen Söhnen und Vätern. Bei einem echten Rennen können schon Sechsjährige mitmachen und ferngesteuerte RC-Autos über die Piste jagen.
"Papa, ich wünsch mir ein Fernsteuerauto!" Den Satz kenne ich von meinen Söhnen, seit sie ungefähr fünf Jahre alt waren. Seitdem haben sie auch das eine oder andere Fernsteuerauto verschlissen: die Antennen krumm, die Plastik-Karosse verkratzt und eingerissen, manchmal sogar eine Radaufhängung abgebrochen - die Teppichflitzer-Leichen einer halben Kindheit bilden einen kleinen Schrottplatz auf dem Dachboden. Jetzt steht mein Jüngster, demnächst acht Jahre alt, vor mir und schon wieder höre ich diesen Satz. "Was ist denn mit deinem letzten Auto?" frage ich. Er druckst ein bisschen herum: "Das geht schon noch… aber das ist so langweilig… und so langsam…" Okay, ich sehe es ja ein: Die Billigautos für 49,99 vom Elektronikladen nebenan sind nicht der Weisheit letzter Schluss. Da muss es doch auch noch was geben, was ein bisschen mehr Spaß macht - so dass ich als Vater auch mal so richtig mit meinen Söhnen losrasen kann.
Der Blick in den Modellbaukatalog eines deutschlandweiten Großanbieters verursacht Verwirrung: Da ist von "Brushless"-Motoren die Rede, von "Pivot Ball"-Aufhängungen, "High Torque"-Fernbedienungen und "RtR"-Modellen - erst einmal zu viel Fachchinesisch für mich. Also muss ich mich schlau machen - und gehe zu den Profis.
Der Blick in den Modellbaukatalog eines deutschlandweiten Großanbieters verursacht Verwirrung: Da ist von "Brushless"-Motoren die Rede, von "Pivot Ball"-Aufhängungen, "High Torque"-Fernbedienungen und "RtR"-Modellen - erst einmal zu viel Fachchinesisch für mich. Also muss ich mich schlau machen - und gehe zu den Profis.
Training in der Halle
In der Turnhalle eines Sportvereins nahe Bremen trainieren am Wochenende die Mitglieder des Vereins "RCWorld OHZ/HB". In der Halle herrscht geschäftiges, aber hoch konzentriertes Treiben: Tourenwagen rasen über eine kurvige Rennstrecke. An den Boxen wird an den Motor- und Fahrwerkseinstellungen der Boliden gefeilt, werden neue Reifen auf- und Schrauben angezogen. Aber hier heulen keine Benzinmotoren auf, hier stinkt es nicht nach Abgas und Gummiabrieb - die Renner werden elektrisch angetrieben. Das wäre eine tolle Zukunftsvision für die Formel 1, aber die schnellen Rennfahrzeuge in der Turnhalle des TuS Huchting sind Miniaturen im Maßstab 1:8 oder 1:10.
Die Fahrer stehen mit ihren Fernsteuerungen auf Podesten an einer großen Nadelfilzfläche, auf der die Rennstrecke angelegt ist. An einer Seite ist eine Reihe mit Klapptischen aufgebaut, jeder Tisch eine Rennstall-"Box". Darauf ein vollgepacktes Gewirr aus Laptops, Schrauben und Ritzeln, Rädern und Reifen, Werkzeug und Messgeräten, Kunststoff-Karosserien und Karbon-Chassis.
Schnell wird klar: Das ist was für Männer. Das Alter spielt keine Rolle: Es sind auch kleine Männer da. Marc (9) ist mit seinem Papa Frank Falkenberg extra aus Hamburg gekommen. Frank fährt seit 16 Jahren, sein Sohn hat vor einem Jahr mit einem "Buggy" angefangen. Das sind Fernsteuermodelle "für draußen", für Geländestrecken. Jetzt sitzt Marc an seiner Box und putzt eifrig das Innenleben seines Flitzers. "Ich mach das gern überall sauber", erzählt er. "Das muss man, sonst fährt das Auto nicht mehr so schnell." Frank erklärt: "Die Nadelfilzfusseln kommen ins Fahrzeug und lagern sich am Chassis und an der Batterie ab. Wenn man das nicht saubermacht, kommen die an die Achsen und verschmutzen die Kugellager."
Benzin liegt in der Luft
Bild: RCCC Bremen
Echte Rennfahrer
Wie bei den Erwachsenen - früh angefangen, lange gelernt, endlich Erfolg. Aber kurz darauf komme ich aus dem Staunen nicht mehr heraus. "Nicht so viel pumpen, Burak! Weniger bremsen!" schallt es durch die Halle. Auf dem Fahrerpodest steht ein kleiner Stöpsel, gerade mal sechs Jahre alt. Papa Abdullah Kilic gibt lautstark Anweisungen - und erzählt stolz, dass sein Sohn und er gesponserte Werksfahrer bei RMV Deutschland sind! "Wir waren schon zu Rennen in Belgien, Holland und Tschechien. Wir werden voll gesponsert, sonst könnten wir das gar nicht bezahlen." Eigentlich fahren Burak und Abdullah beim Verein RCCC Bremen auf der Offroad-Strecke in Dreye, aber "Burak fährt alles" und ist heute zum Trainieren hier, weil der Weser-Ems-Cup in Dreye wegen Schlechtwetters ausgefallen ist. Burak ist der jüngste Offroad-Werksfahrer Deutschlands. Er hängt schon an der Fernsteuerung, seit er fünf ist. Aber das ist allemal besser, als mit der Fernbedienung vor dem TV zu sitzen!
Am Ende darf ich auch mal an die Fernbedienung und einen nicht ganz so hochgerüsteten Renner um den Kurs scheuchen. Sicherheitshalber beschränken sich die Profis dabei aufs Zusehen. Nachdem es mir gelungen ist, den Mini-Boliden erst einmal von der Fahrbahn weg und aus dem Sichtfeld heraus in die Gerätekammer der Turnhalle zu steuern, bekomme ich so langsam ein Gefühl für die Lenkung und das Fahrverhalten des RC-Cars - das macht richtig Spaß!
Bild: RCWorld OHZ/HB
Benzin liegt in der Luft
An einem Wochenende Mitte Oktober gehe ich dann mit meinem Sohn Leon (7) an die Offroad-Rennstrecke in Dreye. Es ist beinahe winterlich kalt, aber trocken - ideales Rennwetter. Hier findet an diesem Wochenende der nachgeholte 7. Lauf des "Weser-Ems-Cups" statt. Auch Niklas Dürkop (14) ist mit seinem Onkel und RCCC Bremen-Vereinsvorsitzenden Andreas Dürkop dabei. Hier wird zwar auch "Elektro" gefahren, aber heute sind die "Verbrenner" dran, also Buggys mit Benzinmotoren. Niklas‘ Buggy leistet 3 PS aus 3,5 Kubikzentimetern Hubraum. Das ist für so ein Motörchen schon eine ganze Menge. Motörchen? "Der kostet gut 500 Euro", klärt mich Andreas auf. Das gesamte Fahrzeug kommt auf 1500 Euro. Kein Wunder, dass die Buggys bei Regen in der Garage bleiben. Soviel hat nicht mal mein erstes "echtes" Auto gekostet. Aber auch Niklas hat keine reichen Eltern - er ist gesponserter Werksfahrer beim Hersteller Horizon. Deren Talentsucher haben ihn, der schon seit sechs Jahren fährt, vor zwei Jahren bei einem Wettbewerb entdeckt und ihn gefragt, ob er nicht für sie fahren möchte. "Da war ich echt total stolz", verrät Niklas.
Bei den Sportkreismeisterschaften hat Niklas den zweiten Platz erreicht, was nicht ganz für die Qualifikation zur Deutschen Meisterschaft reichte. "Die Reise dahin hätte der Sponsor bezahlt", meint Andreas. "Aber sonst müssen wir die Fahrtkosten schon selber tragen." Das Auto wird aber gestellt. Die Karosserie hat Niklas selbst in "seiner" Farbe angemalt, und am Fenster prangt sein Name - wie bei einem richtigen Rennauto. Langsam fängt Niklas auch mit dem "Schrauben" an. Bei den Verbrennern ist das meiste noch Handarbeit und nicht so viel Elektronik. Niklas‘ Buggy ist eine Spezialversion, aber man kann auch eine "Ready-to-Run"-Version, also ein aus Serienteilen gefertigtes Pendant im Handel kaufen. Aha, dafür steht also das Kürzel "RtR". "Damit verdienen die Firmen das Geld. Wir sorgen für die Rennerfolge, mit denen sich gut werben lässt." Werbung interessiert Niklas nicht so, aber er hat einen Traum: "Ich möchte deutscher Meister in der Truggy-Klasse werden." Truggys sind etwas größere Buggys, mit dickeren Reifen und breiterem Fahrwerk. In der Klasse fährt Niklas auch mit - natürlich mit gesponsertem Auto. "Das wäre sonst auch kaum zu bezahlen", weiß Andreas. "Ein Satz Reifen kostet 40 Euro. Den kriegen wir billiger, aber nicht gratis. Und der ist nach einem Rennen hin." Und das Methanol/Nitro-Gemisch, mit dem die Buggys betankt werden, kostet 10 bis 12 Euro - pro Liter.
Papa als Boxenhelfer
Über die etwa 320 Meter lange "Verbrenner-Bahn" röhren die "radio-controlled" RC-Buggys. In die Bahn sind kleine Sprunghügel eingebaut, so dass die Buggys teilweise mannshohe Sprünge hinlegen, bevor sie auf der langen Geraden direkt unter dem Fahrerstand mit Full Speed über den aufgeharkten Lehm-Boden der Fahrbahn rasen. Ein Rennteam besteht in der Regel aus zwei Leuten, von denen einer oben im Fahrerstand aus über viereinhalb Metern auf die Fahrbahn schaut und lenkt, während der andere in der Boxengasse unterhalb des Fahrerstandes die Wartung übernimmt, insbesondere das Fahrzeug schnell aufzutanken und anschließende wieder schnell auf die Boxenrampe zu setzen, damit die Fahrt ohne großen Zeitverlust weitergehen kann. An der Rennstrecke treffe ich Pascal Bütecke (13) aus Bremerhaven, der mit seinem Vater Rainer hier ist und ebenfalls an dem Meisterschaftslauf teilnimmt. Pascal fährt schon seit drei Jahren, aber nicht als Werksfahrer, sondern als reiner "Hobby-Pilot". Der Papa ist als "Boxenhelfer" dabei und kümmert sich um die gelegentlich erforderlichen Reparaturen. "Das ist nicht billig", meint Rainer. "150 bis 250 Euro im Monat gehen da schon drauf, je nachdem, wo man hinfährt. Da muss man dann auch immer die Übernachtungen und Fahrtkosten einrechnen. Und in Bremerhaven gibt es kaum Möglichkeiten zu fahren." Pascal ist mit einem "RtR"-Truggy im Rennen, aber in den drei Jahren wurde das Fahrzeug schon mehrfach modifiziert. Wie viel Geld da schon drinsteckt, können die beiden gar nicht mehr sagen. "Gekostet hat der mal so 435 Euro", erinnert sich Pascal. Bald soll aber mal ein neuer her. Rainer sieht das genauso: "Der hat einen zu kurzen Radstand, damit überschlägt der sich zu leicht."
Wir halten hier und da Smalltalk, schauen an den Basteltischen der Teams vorbei und stellen die typischen Fragen, mit denen für die meisten irgendwann das Hobby begonnen hat. Auffallend ist die große Freundlichkeit und Auskunftsfreudigkeit in der RC-Szene, die ich während dieser Reportage überall erlebt und genossen habe. Am Ende des Tages weiß ich auch, was ein "Brushless"-Motor ist, was es mit "Pivot Ball"-Aufhängungen auf sich hat und mit den "High Torque"-Servos.
Mein Sohn Leon und ich kehren jedenfalls durchgefroren, aber glücklich heim - und natürlich möchte Leon jetzt auch so einen Nitro-Renner haben. Aber da müssen wir wohl erst einmal mit seiner Mama verhandeln...
Holger Pinnow-Locnikar
Über die etwa 320 Meter lange "Verbrenner-Bahn" röhren die "radio-controlled" RC-Buggys. In die Bahn sind kleine Sprunghügel eingebaut, so dass die Buggys teilweise mannshohe Sprünge hinlegen, bevor sie auf der langen Geraden direkt unter dem Fahrerstand mit Full Speed über den aufgeharkten Lehm-Boden der Fahrbahn rasen. Ein Rennteam besteht in der Regel aus zwei Leuten, von denen einer oben im Fahrerstand aus über viereinhalb Metern auf die Fahrbahn schaut und lenkt, während der andere in der Boxengasse unterhalb des Fahrerstandes die Wartung übernimmt, insbesondere das Fahrzeug schnell aufzutanken und anschließende wieder schnell auf die Boxenrampe zu setzen, damit die Fahrt ohne großen Zeitverlust weitergehen kann. An der Rennstrecke treffe ich Pascal Bütecke (13) aus Bremerhaven, der mit seinem Vater Rainer hier ist und ebenfalls an dem Meisterschaftslauf teilnimmt. Pascal fährt schon seit drei Jahren, aber nicht als Werksfahrer, sondern als reiner "Hobby-Pilot". Der Papa ist als "Boxenhelfer" dabei und kümmert sich um die gelegentlich erforderlichen Reparaturen. "Das ist nicht billig", meint Rainer. "150 bis 250 Euro im Monat gehen da schon drauf, je nachdem, wo man hinfährt. Da muss man dann auch immer die Übernachtungen und Fahrtkosten einrechnen. Und in Bremerhaven gibt es kaum Möglichkeiten zu fahren." Pascal ist mit einem "RtR"-Truggy im Rennen, aber in den drei Jahren wurde das Fahrzeug schon mehrfach modifiziert. Wie viel Geld da schon drinsteckt, können die beiden gar nicht mehr sagen. "Gekostet hat der mal so 435 Euro", erinnert sich Pascal. Bald soll aber mal ein neuer her. Rainer sieht das genauso: "Der hat einen zu kurzen Radstand, damit überschlägt der sich zu leicht."
Wir halten hier und da Smalltalk, schauen an den Basteltischen der Teams vorbei und stellen die typischen Fragen, mit denen für die meisten irgendwann das Hobby begonnen hat. Auffallend ist die große Freundlichkeit und Auskunftsfreudigkeit in der RC-Szene, die ich während dieser Reportage überall erlebt und genossen habe. Am Ende des Tages weiß ich auch, was ein "Brushless"-Motor ist, was es mit "Pivot Ball"-Aufhängungen auf sich hat und mit den "High Torque"-Servos.
Mein Sohn Leon und ich kehren jedenfalls durchgefroren, aber glücklich heim - und natürlich möchte Leon jetzt auch so einen Nitro-Renner haben. Aber da müssen wir wohl erst einmal mit seiner Mama verhandeln...
Holger Pinnow-Locnikar