24.02.2013
23. Woche
Unser Geburtstag im Winter
Vom Geburtstag, Feiern, Winter, Seuchen-Wohnungen und todo-Listen
In meiner verklärten Kindheitserinnerung hatte ich zu (fast) jedem Geburtstag Schnee. Die letzten Geburtstage eigneten sich hingegen locker zum draußen Grillen. Anders in diesem Jahr. Wer kein Wintercamper ist, möchte bei Frost und Schnee sicherlich nicht im Freien den Grill anwerfen. Ich habe das mal mit einem Freund einen Tag vor Weihnachten vor der Gartenlaube seiner Eltern gemacht - es war ein tolles Erlebnis, aber brachte mir eine tüchtige Erkältung nach den Feiertagen und Silvester im Bett ein.
Unser Geburtstag war schön. Die erste Tochter sah das anders. Bis auf sonntägliches Frühstück - sogar mit Geburtstagskuchen - und Sushi am Abend war der Tag ihrer Meinung nach nicht so schön, weil nicht anders als andere Tage, und sie ging freiwillig am Freitag wieder in den Kindergarten.
Wir sind die Woche bewusst entspannt angegangen. Trotz der freudigen Nachricht, das Referendariat in Sachsen-Anhalt machen zu dürfen. Ich weiß immer noch nicht, an welche Schule ich komme und da wir nur noch fünf Wochen hier in Dresden haben, ist jetzt freudige Betriebsamkeit angesagt. Doch nicht in der vergangenen Woche. Erstmal hieß es, die letzten Tage noch der Alleinerziehung zu überstehen - mit zwei kranken/genesenden Kindern.
Am Mittwoch Abend kam die Frau pünktlich um 18 Uhr angereist und da war die erste Tochter gesundheitlich wieder auf dem Damm. Die zweite Tochter lag schön verbimmelt im Kinderwagen, weil sie erst spät und dann sehr lange Mittagsschlaf hielt. Es ist so schön, dass die zweite Tochter im Bett nun Mittagsschlaf macht (und das auch fast freiwillig) und dass sie selbständig auf die Toilette geht. Vorhin war sie nur mal unzufrieden (es gab kein Apfelmus mehr) und pullerte deshalb absichtlich ein.
Ich finde es erstaunlich, dass ich für mich schon nach einer Woche sich nicht sehen eine Zeit des aneinander Gewöhnens brauche. Ich war doch gut mit den Kindern eingespielt. Die erste Tochter zog sich sogar alleine an, was unter anderen Umständen nicht denkbar ist ;-) Die gemeinsame Zeit mit den Kindern war für mich alleine recht anstrengend, doch die Kinder machten eben auch mit. Trotzdem freute ich mich auf die Rückkehr der Frau, in freudiger Erwartung großer Entlastung und Entspannung.
Ich bot ihr freiwillig an, mich um den Haushalt zu kümmern - ein Bedürfnis, dem ich mit den beiden kranken Kindern nicht ausreichend nachkommen konnte - wenn sie in der Zwischenzeit für die Kinder da sei. In meiner Vorstellung lag die Frau mit einem Leberwickel auf dem Sofa und in trauter Dreisamkeit schaute sie mit den Kindern Bücher an, erzählte ihre Erlebnisse von der Kur und Reise und ich wuselte in der Wohnung herum, mich an der Glückseligkeit und Harmonie ergötzend. Daraus würde ich meine Kraft ziehen und die Wohnung wieder schön machen.
Ei, wie schön doch Vorstellungen sein können - und wie weit von der Realität entfernt. Der Stresslevel ist gleich geblieben, wenn nicht sogar noch größer. Kaum war die Mama der Kinder wieder da, fiel eine Anspannung von den Kindern, die es ihnen nun ermöglichte, zu ningeln, in offene Auseinandersetzungen um die Zuneigung der Mutter auszubrechen und sich anstrengender in ihrem Bindungsverhalten sich aufzuführen, als in in der Zeit der mütterlichen Abstinenz der Fall war.
So sind die zwei Kinder kaum für einen Erwachsenen handhabbar und aus solch einer Situation noch Kraft ziehen und dann noch voll Freude und Muße sich an den Haushalt wagen? Es ist eine neue Herausforderung - gewesen. Im Moment und seit Sonnabend schon spielte es sich immer mehr wieder ein und glätteten sich die Wellen. Es gibt immer mal wieder Situationen, die anstrengend sind, aber das gehört ja wohl zum Alltag dazu.
Am Wochenende hatten wir die Möglichkeit, viel zu feiern. Sonnabend gab es ein Schützenfest, bei dem sechs "Geburtstagskinder" vom November/Dezember eine Turnhalle mieteten und darin eine wunderschöne Strohscheibe aufbauten, auf die die Erwachsenen mit selbstgebauten Bögen schießen konnten. Sich einen Bogen selbst zu bauen, ist etwas, was auf meiner todo-Liste schon sehr lange weit oben steht, aber eben leider nie den Topplatz erreichte. Das ist bei mir sowieso so ein Thema - lauter schöne Sachen sind auf meiner todo-Liste, die leider immer von situativen Reaktionen überholt werden. Wann kann ich denn bitte bis zum 1. April nochmal in die Sächsische Schweiz wandern gehen - mit Kindern, ohne Kinder, in Familie? Alles ist unheimlich schön und hat jeweils einen ganz eigenen Reiz.
Aber jetzt stehen andere Dinge an. Zum Beispiel Sonntag die Piratenparty bei dem Kind einer Freundin. Wohnung kündigen, Kita-Platz kündigen, alle möglichen anderen Abmeldungen, Ummeldungen und Ämtergänge. Die feierliche Aufnahme in das vorläufige Beamtenverhältnis, die vorherige polizeiärztliche Untersuchung, Probeschulbesuch der ersten Tochter in unserer Wunschschule in der Altmark, in Erfahrung bringen, an welcher Schule ich das Referendariat absolvieren werde, Physiotherapie wegen dem Schleudertrauma, dessen Auswirkungen ich teilweise immer noch spüre, Arztbesuche, Wohnung abbauen und einpacken, Geburtstagsfeier der ersten Tochter, Abschiedsfete der Familie aus Dresden, Besuch bekommen, der helfen will...
Fünf Wochen - dabei muss ich an Total Recall mit Arni denken, der irre Blick der Frau und die Schleife...
In der aktuellen Ausgabe der Zeitschrift "unerzogen" (will umgemeldet werden) gibt es eine Kolumne, in der erwähnt wird, dass das schimpfige und teilweise anstrengende Verhalten unserer Kinder eine Auszeichnung für uns Eltern darstellt. Sie hätten in unserer Gegenwart ein so großes Sicherheitsgefühl, dass sie uns alle ihre Gemütslagen zutrauen. So fand die erste Tochter ihren Geburtstag uns gegenüber als nicht so schön, erzählte aber im Kindergarten von einem richtig guten Tag.
Andererseits kann es aber auch was Kindspezifisches sein. Als am Sonnabend beim Schützenfest wir Eltern im Schichtsystem mitfeierten, freute sich die erste Tochter, dass sie alleine mit den anderen in der Turnhalle bleiben durfte. Das ist etwas, worin sie sich selbst beweisen kann. Sie findet es schön, ab und an etwas zu machen, ohne dass wir Eltern dabei sind. Die Frau kam heim, um beim kranken zweiten Kind zu bleiben, damit ich feiern gehen konnte und sagte mir, wie stolz das Kind sei und wie viel Freude sie bei dem Fest in der Turnhalle mit all den anderen Kindern dort hätte. Als ich in der Turnhalle auftauchte, lief die Tochter in einer Kindermeute durch die Gegend, verhielt sich mir gegenüber jedoch abweisend. Auf dem Nachhauseweg erklärte sie mir, dass sie gerne mit der Mama heimgegangen wäre und dass dort alles doof und langweilig gewesen sei und es nur ein Kind gegeben hätte, mit dem sie hätte spielen können?!?
Warum wir in Schichten zum Schützenfest gingen? Am Freitag kam die Frau mit den Kindern von einem Besuch bei den Nachbarn und ich hatte Abendbrot vorbereitet. Die zweite Tochter, die ganze Woche nun schon mehr oder weniger eine kleine Hustinette, war unheimlich warm und wirkte sehr fertig. Sie kletterte auf meinen Schoß und sagte: "Papa Bett!" Ich fragte sie, ob sie denn nicht Abendbrot essen wollte, was sie verneinte. Sie wollte ihr Nachtzeug angezogen bekommen, die Zähne putzen und zwei Stunden vor der üblichen Schlafenszeit ohne Essen und Sandmann einfach nur schnell ins Bett. Als wir lagen, schlief das Kind fast auf der Stelle ein und fieberte richtig hoch. Ihr Schlaf war etwas unruhig und sie lies mich auch nicht gehen. Den kleinen Ofen im Arm las ich ein Buch, bis sie wollte, dass ich ihr was Kaltes zu Trinken gebe und das Licht ausmachen sollte.
Ich möchte mal wissen, wann wir hier alle wieder gesund werden und was hier für ein Wurm drin ist. Freunde und Verwandte sprechen schon von der "Seuchenwohnung" weil wir hier irgendwie dauerkrank sind. Sowas kenne ich auch ehrlich gesagt nicht, wir haben unsere Übergangsjahreszeitenerkältungen und dann ist gut. Doch diesmal ist es seltsam anders. Ich bin im Moment der Fitteste und gedenke es auch dabei zu belassen. Vielleicht ist die Zeit einfach reif für einen Wohnungswechsel, was uns auf eindrucksvolle Weise klar gemacht wird.
Eben unterhielten sich die Kinder, wer denn nun wie alt sei, da die zweite Tochter auch gerne Geburtstag hätte, es aber schrecklich findet, älter zu werden (das war gestern Grund für Tränen: "Klar hast du auch Geburtstag, du wirst dann drei Jahre alt." "Nein!!! Ich nicht drei werden."). Heute ging es aber darum, dass die zweite Tochter ja auch schon ein großes Mädchen ist und soo alt sei (zwei Finger in die Luft halten). Die erste Tochter will dem natürlich nicht nachstehen und erklärte, auch sie sei ein großes Mädchen und: "... ich bin schon mehr als fünf - ich bin schon sechs!". So siehts aus.
Es macht Freude, die Entwicklung der Kinder miterleben zu dürfen. Heute zum Thema Abstraktionsvermögen: Ich hole die erste Tochter aus dem Kindergarten ab und erzähle ihr eine lustige Begebenheit mit ihrer kleinen Schwester, die an diesem Tag mir ihren Mund nach dem Trinken zeigte und sagte, sie hätte einen "Wasserbat". Sagt die erste Tochter lachend: "Ja, wegen der Milch!"
Ich wiederhole mich bestimmt, aber ich mag es sehr, wie die Kinder reden. "Blauer Meckerching" und "Leppschuhn" sind wirklich zwei meiner absoluten Lieblingswörter der zweiten Tochter.
Seit drei Tagen hat es hier geschneit und wenn auch anfangs der Schnee wenig Chancen gegen den warmen Boden hatte, so schaffte er es nun doch mit stetiger Beharrlichkeit, eine 15cm-starke Schneedecke auf alles drauf zu zaubern.
Mittwoch steht also die eigene Kindergeburtstagsfeier an. Hoffentlich werden die Kräfte, die die Frau in der einen Woche Kur sammeln konnte, den kommenden Herausforderungen gewachsen sein.
Eine schöne Woche wünscht euch
euer Herr Gaigals
Bild: privat - aus dem Jahr 2012
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