19.02.2013
22. Woche
Und kein Ende in Sicht...
Vom Wurm drin, der Winteraustreibung und einem nudelnden Besuchskind
Zum Ende der vergangenen Woche nun gesundeten die Kinder und ich wollte aufatmen und mich statt der Krankenpflege aktiv dem Haushalt zuwenden. Doch zu früh gefreut. Am Sonnabend schnitt sich die erste Tochter böse in den Zeigefinger "der Hand, mit der ich am besten kann" und fieberte am Sonntag richtig stark hoch. Am Sonntag auch fing die zweite Tochter in der Nacht mit Husten wieder an, stärker als zuvor und nun fiebert sie fröhlich in der Gegend rum - gut gelaunt und kaum zu bremsen. Die erste Tochter ist bei Fieber immer ganz zentriert und bei sich und die zweite Tochter hat aus der Hitze einen Energieschub, dass sie wie aufgezogen herumlaufen will und springen und spielen - ich versuche sie mit Vorlesen und Geschichten zumindest auf das Sofa zu locken, was aber nur bedingt klappt.
Am Dienstag fand bei uns die Winteraustreibung im fröhlichen Schneegestöber statt. Das ist immer ein großes Spektakel: vor der Dreikönigskirche auf der Hauptstraße finden sich viele Kinder und Elternteile ein, alle bunt verkleidet und lustig angemalt. Dann kommen die drei Richter aus der Kirche und erwarten den Winter. Doch der lässt sich noch Zeit. Dann erscheinen viele Hexen, Esel, ein Drachen und ein Nashorn und andere Fantasiegestalten, die laut lärmend den Winter erwarten und herbeirufen. Der kommt dann mit seinem Gefolge auch aus der Kirche und wird nun von den anderen gescheucht, geärgert und vor zum Goldenen Reiter getrieben. Dem Zug voran die drei Richter in Begleitung schöner Blasmusik, dann in einigem Abstand der Winter, mit Trommelbegleitung, gejagt vom Hexenvolk, abschließend der Frühling in Gestalt einer großen mildblickenden Sonne samt Gefolge in Form von Schmetterlingen und Blumen. Alle wesentlichen Akteure sind Figuren aus Pappmaschee mit fliegenden Gewändern an langen Stangen.
Am Goldenen Reiter ist eine Tribüne aufgebaut. Auf diese steigen die drei Richter und warten, bis der Winter auf den Platz getrieben wurde und nun kann die Urteilsverkündung verlesen werden. Sie ist in jedem Jahr eine neue in Reinform verfasste Rede, die aber jedesmal gleich ausgeht und das Ende des Winters verkündet. In diesem Jahr: Vollstreckung durch Schmelzen. Alsodann wird unter Pauken und Trompeten der Totentanz des Winters eingeleitet, zu dessen Finale der Winterfigur die in den Augen steckende Pyrotechnik in Brand gesetzt wird und der Winter als spektakulärer Feuerball ein Ende findet. Um das Feuer wird dann noch getanzt und alle sind unheimlich fröhlich und laut (das fiel in diesem Jahr aus, weil alle bei dem Schneetreiben heim wollten). Zuvor aber ging es noch auf einen Abstecher zur nahe gelegenen Eisdiele, die jedem Kind eine Kugel Eis spendierte.
Die zweite Tochter hat große Angst vor Feuerwerk. Dieses aber beeindruckte sie so sehr, dass sie noch Tage später sich wünschte, dass wir zum "Hasentanz" und zum "Einhorn" gehen mögen. Ich wusste nicht, was sie will, bis wir einmal auf der Hauptstraße unterwegs waren und das Kindlein einfach nicht nach Hause gehen wollte. Sie redete immer von dem Tanz und zog mich bis zum Goldenen Reiter - da erst fiel bei mir der Groschen.
Am Freitag gab es im Kindergarten den "Pädagogischen Tag", an dem die Betreuerinnen und Betreuer sich weiterbilden und daher alle Kinder zu Hause bleiben dürfen. Also kam die beste Freundin der ersten Tochter zu uns und ich hatte einen Tag lang drei Kinder. Von denen war aber nichts zu sehen, nur ab und an zu hören. Alles lief wunderbar, bis zum Mittagessen. Es gab Nudeln und Tomatensoße, die die beste Freundin nicht essen mochte - sie bekam also "nacksche Nudeln mit Käse" - und ich ließ die Kinder für einen Moment alleine, da ich in den Keller wollte, etwas für die Mädels holen, damit auch im Kinderzimmer CDs angehört werden können.
Beim Schließen der Tür überkam mich noch so ein Gedanke an mögliche Folgen des Unbeaufsichtigtseins. Aber sie sind ja erstens beschäftigt (toben und tanzen macht hungrig) und ich bin ja auch nicht lange weg und außerdem sind die Kinder 5 und bald 6 Jahre alt - die sind doch vernünftig, oder?
Ich kann euch sagen: es gibt tatsächlich die Möglichkeit, eine Wohnung filmklischeehaft mit Nudeln und Tomatensoße zu dekorieren und die Kinder haben es auch getan. "Angewurzelt stand ich da, als ich nach dem Tische sah! Alle Kinder waren fort - NUDELN!!! war mein erstes Wort!" (frei nach W. Busch)
Die Kinder spielten inzwischen fröhlich im Kinderzimmer. Erstaunlicher Weise war zu sehen, dass die zweite Tochter bei der Dekoration nicht beteiligt gewesen war - was mich wundert - und es war außerdem zu erkennen, dass die meisten Nudeln zum Glück "nacksche" waren. Das lässt natürlich den Schluss zu, dass das Besuchskind den Bärenanteil an der Aktion hatte. Ei, so den gestrengen Vater raushängen lassen, habe ich in den fast sechs Jahren bisher nur äußert selten, wenn überhaupt.
Doch diesmal zitierte ich die Kinder heran und lies sie jede einzelne Nudel wieder aufheben - und dann durften sie diese auch noch ihrer ursprünglichen Bestimmung zuführen. Ich blieb die ganze Zeit über ruhig, auch wenn es in mir brodelte, doch wollte ich nicht meckern. Ich muss ja schon alleine so wie ich da stand und sehr ernst sie zum Aufräumen aufforderte, sehr bedrohlich gewirkt haben. Und was sagt da das Besuchskind zu meiner Tochter, derweil ich daneben stand? "Du, der Sebastian, der stört mich. Wie der hier immer so rumläuft und guckt." Da gab es dann doch den von mir nicht geplanten Anranzer.
Jedenfalls sind die Nudeln aufgegessen und ich habe ein schlechtes Gewissen, weil ich meinen hohen Ansprüchen nicht gerecht werden konnte. Anranzer helfen ja auch nicht. Besser ist es dann doch, dass die Kinder in ihrer Welt abgeholt werden. Die erste Tochter ist ja immer noch stolz darauf, dass sie mit einer Nudel die Lampe erwischt hat und von ihrer Wurfkunst ein Tomatensoßenfleck am Lampenschirm zeugt. Die Kinder sind sich ihres "Vergehens" eben noch nicht bewusst, und so bringt es nichts, sich aufzuregen. So wird nur das Vorbild geschult, dass man laut wird und ausrasten kann, wenn einem was gegen den Strich geht. Wenn dann die Kinder laut werden, wenn wir etwas von ihnen wollen, ist kein Wunder mehr. Daher den Spaß nachvollziehen und dann aber zusammen die Schweinerei wegmachen. "Vorbild und Liebe"
Apfelsinenkerzen sind etwas Feines. Mit großen Apfelsinen geht es am besten. Denen wird im Drittel die Mütze eingeschnitten und nachdem der Rest geschält wurde, kann das Mützchen vorsichtig entfernt werden. Wichtig ist, dass der mittlere Faserstrang erhalten bleibt und ein wenig über den so entstandenen Schüsselrand hinaus schaut. Nun kann ein schönes Pflanzenöl in die Schüssel und über den Faserdocht geschüttet werden und dann mit ein wenig Geduld entzündet werden. Die Kerze leuchtet schön orange und die Flamme brennt ruhig und ohne zu rußen. Sie hält erstaunlich lange, wie die erste Tochter feststellte.
Schönen Kindermund gab es in der vergangenen Woche auch. Die erste Tochter überlegte sich, wieder in ihrem Bett zu schlafen, wenn der Besuch aus dem Kinderzimmer auszieht. Doch wie kann dann die Mama die Kinder ins Bett bringen, dass auch jeder etwas von ihr hat, denn die kleine Schwester wollte nicht verzichten, nur weil zwei Kinder nun in zwei Betten schlafen würden. So gab es das Ergebnis: "Erst bringst du mich ins Bett, dann meine kleine Schwester und dann schläfst du mit Papa."
Als ich beim Winteraustreiben einen lauten Pfiff auf zwei Fingern blies, fand das die erste Tochter sehr laut. "Ja, nicht wahr?" sagte ich. Antwortete sie: "Bist du da etwa stolz drauf?"
Auch die zweite Tochter hat Freude am Sprechen und fängt teilweise darüber auch nachzudenken an. Heute sagte sie zum ersten Mal "lustig" und als ich das erstaunlich fand, da tröstete sie mich und sagte: "Manchmal sage ich auch noch lukich."
Wenn sie unbedingt etwas von uns Großen will und darauf besteht, sagt sie es mit nachdruck: "Ebenwohl!" oder auch "Fort!"
Gestern gab es einen kleinen Vergleich zwischen den beiden Kindern: die zweite Tochter stellte fest, dass sie den "Pinguin" gerne hat. Die erste Tochter meinte, als sie noch kleiner war, sagte sie immer "Pingupin". Es ist eins der Wörter, die wir auch in unseren Sprachgebrauch übernommen hatten, bis es sich von selbst beim Kind änderte. Der alten Gewohnheit folgend sprach ich heute der zweiten Tochter gegenüber vom "Pingupin", worauf ich aber von ihr auch sogleich berichtigt wurde: "Pinguin heißt dat!"
Hihi, dafür isst die aber doch allzugern "Honigpazipan". Oder sagt zu meinem Bruder: "Onkel, du mir backen Zimtbecken?".
Eine gute Nachricht noch zum Schluss: Gestern bekam ich die Zusage zum Vorbereitungsdienst in Sachsen-Anhalt. Am ersten April geht es los. Das bedeutet, dass nun ein Umzug ansteht und hier in Dresden die Zelte von uns abgebrochen werden. Mal sehen, wie es weiter geht.
Viele Grüße aus dem wieder frisch verschneiten Dresden,
euer Herr Gaigals
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