17.09.2012
1. Woche
Sorgerecht: eigene Erfahrungen
Sorgerechtsüberlegungen vor der Geburt: gründlich durchdenken! Denn manche machen sich im Falle einer Trennung leider das Leben schwer...
Der Sommer geht zu Ende. In der Community gibt es gerade das aktuelle Thema Novellierung des Sorgerechtes und da bietet es sich für mich an, euch von meinen Erfahrungen zu diesem Thema zu berichten.
Als wir unsere erste Tochter erwarteten, trafen wir uns mit Freunden zum Abendessen. Dabei fragte uns der eine, wie es denn mit dem Sorgerecht für das Kind aussehe, da wir ja nicht verheiratet seien. Ich hatte mir bis dato keine Gedanken dazu gemacht und antwortete so, wie ich zu dem Thema empfand und was für mich “normal“ war: wir teilen das Sorgerecht, ist doch klar. Tja, die Frau sah das etwas anders, was ich durch ihr etwas peinliches Schweigen erst erfuhr.
Danach folge ein Abend mit sehr emotional geladenen Diskussionen bis spät in die Nacht hinein. Für mich kam diese Entscheidung einer Misstrauenserklärung gleich. Ich war tief gekränkt und schwer getroffen - ich verstand die Welt nicht mehr. Was sollte das? Da ich nach der damaligen Rechtslage sowieso keine andere Möglichkeit hatte, ergab ich mich also der getroffenen Entscheidung der Frau. Sie wollte die Vaterschaftsanerkennung von mir ohne Sorgerecht und dafür würde dass Kind meinen Nachnamen bekommen.
Widerwillig stimmte ich zu und wurde erst richtig stutzig, als die Beamtin bei der Vaterschaftsanerkennung der Frau zu diesem Schritt und dieser Entscheidung gratulierte. Sie war der Ansicht, gemeinsames Sorgerecht käme einer Heirat gleich. Das machte mich stutzig und ich war bereit, mich mit der Rechtslage genauer auseinander zu setzen.
Tatsächlich war es 2006 noch so, dass der Vater gegenüber dem Kind benachteiligt gewesen ist: die Mutter allein entschied, wer das Sorgerecht bekommen würde. Durch die Anerkennung der Vaterschaft hatte ich das Umgangsrecht und die Unterhaltspflicht für mein Kind erworben. Andere Entscheidungen ohne Sorgerecht durfte ich für die Tochter nicht treffen.
Aber war es denn wirklich so? Nein. Da ich mit der Frau, die nun nicht nur Freundin, sondern auch Mutter meiner Tochter wurde, eine funktionierende Beziehung führte, war es klar, dass wir die anstehenden Entscheidungen selbstverständlich gemeinsam trafen. Als Vater des Kindes wurde ich von der Gesellschaft auch ohne Sorgerecht wahrgenommen. Nur die Frau musste sich ab und an erklären mit Stempel und Unterschrift, dass sie dass alleinige Sorgerecht hätte, was sie total nervte, was ich wiederum mit ein bissl Schadenfreude quittierte.
Ich kam also nicht nur klar damit, dass ich kein Sorgerecht hatte, ich entwickelte sogar dafür Verständnis. Ich erlebte allein in unserem Freundeskreis wie es ist, wenn die Eltern über ein gemeinsames Sorgerecht verfügen und sich nicht mehr leiden können: ist ist gruselig. Der eine spielt den anderen aus, nimmt Rache für die vergeudete Zeit der gemeinsamen Beziehung. Das kann die phantasiereichsten Ausdrucksformen finden, dem Einfallsreichtum des Menschen sind auch in diesem Punkt keine Grenzen gesetzt. Leider haben alle eins gemein: sie spielen sich auf dem Rücken des Kindes ab - aber das gilt es natürlich zu verhindern, genau sowas sollte eben nicht passieren.
Hier zwei aktuelle Beispiele aus meinem Freundeskreis, wie man sich das Leben gegenseitig zur Hölle machen kann: Eine meiner liebsten Freundinnen wurde von ihrem Partner nach sieben Jahren Beziehung, aus der zwei tolle Kinder hervorgegangen sind, sitzen gelassen, da er sein coming out hatte und er zu seinem Freund zog. Leider geht sein Interessenwandel über die sexuelle Ausrichtung hinaus und so lehnt er alles aus seinem früheren Leben ab. Sogar die Kinder lässt er zur Zeit nicht mehr an sich heran.
Aber nicht nur das, er versucht auch die Ex zu ärgern - und das geht anscheinend am besten, indem die Kinder als Druckmittel benutzt werden: sie werden nicht zu vereinbarten Zeiten abgeholt, sie werden eher wieder gebracht, wenn zum Beispiel die Ex mit ihrem Neuen in der Falle liegt oder es gibt auch Anrufe von den Betreuungseinrichtungen der Kinder, in der diese noch sind, obwohl sie vom Vater abgeholt werden sollten. Besonders schwer war es, als die Freundin mit über vierzig Fieber im Bett lag und der Ex sich weigerte, die Kinder zu nehmen, weil das dem Neuen nicht gefiele.
Konsequenz für die Freundin ist eine Unplanbarkeit ihres Lebens, da sie nicht mit dem Vater ihrer Kinder rechnen kann. Zumindest hat sie das Gefühl, er würde ihr jeweils einen Strich durch die Rechnung machen. So hat sie Probleme mit ihrer Arbeit, weil sie ihren Bereitschaftsdienst nicht so erfüllen kann, wie sie es sollte. Ebenso ist es für neue Beziehungen erschwerend, grätscht der Ex dazwischen. Gut, sowas können fast alle Väter machen, denn die geschilderten Probleme beruhen auf dem Missbrauch des Umgangsrechtes.
Eine andere Freundin berichtet davon, wie ihr Ex gerade das gemeinsame Sorgerecht ihr gegenüber ausspielt: Termine für den Kinderpass werden nicht wahrgenommen, Unterschriften für die Bewilligung von jedem möglichen Schnick und Schnack nicht gemacht: eine Freundin darf das Kind aus der Tagesbetreuung abholen? Nicht ohne Unterschrift des Vaters. Das Kind darf an der Klassenfahrt teilnehmen? Nicht ohne Unterschrift des Vaters. Dass Kind soll ins Krankenhaus? Nicht ohne Unterschrift des Vaters (außer wenn in diesem Fall Gefahr für die Gesundheit für Leib und Wohl des Kindes besteht).
Immer ist die Freundin Bittstellerin beim Ex -und er kostet das so richtig aus. Am Ende bekommt die Freundin meistens die Unterschrift - auf den letzten Drücker zwar, aber noch rechtzeitig, damit dem Kind keine wirklichen Repressalien drohen. Doch könnte man denken, der Heckmeck sei verzichtbar. Das Gerenne hinter den Unterschriften her ist so anstrengend, aber in diesem Fall das einzige Mittel für den Vater Stress zu machen, da er nicht groß vor gibt, sich anderweitig um sein Kind kümmern zu wollen.
Betrachte ich diese beiden Erfahrungen von Freundinnen, so könnte man doch eigentlich denken, dass vier erwachsene Menschen in der Lage sein sollten, gesittet miteinander umgehen zu können und selbstverständlich werde ich sowas im Falle einer Trennung nicht machen. Kann ich das garantierten? Ich will mit meiner Frau alt werden und wir wollen unsere Kinder zusammen aufwachsen sehen. Aber das wollten die beiden Pärchen auch. Die hatten gemeinsame Pläne, Wünsche und Träume. Diese werden nun bei denen nicht mehr zusammen geträumt. Doch ist es nicht schade, dass die Trennung als Fakt für die Kinder nicht schon genug ist? Hier wird aber auch noch das Leben nach der Beziehung sich gegenseitig erschwert. Dies bekommen die Kinder mit und nicht nur das. Die Differenzen der Eltern spielen sich zum Teil auch auf Kosten der Kinder ab und das ist für mich sehr schlimm. Aber könnten die Erwachsenen anders handeln, würden sie es dann nicht auch machen?
Nachdem ich mich also intensiver mit dem Sorgerecht auseinander setzte, ist es nicht nur so, dass ich die Entscheidung meiner damaligen Freundin nachvollziehen kann, sie verstehe - sondern ich vertrete sie auch. Nie hatten wir Probleme, die das Sorgerecht betrafen. In einer funktionierenden Beziehung ist es doch selbstverständlich, dass sich die Eltern in Erziehungsfragen austauschen und gemeinsam einen Weg finden. Daher ist ein gemeinsames Sorgerecht in diesem Falle unnötig. Im Fall der Trennung kann das gemeinsame Sorgerecht sich gegen die Kinder richten. Hier finde ich es wichtig, dass das Sorgerecht aus Gründen des Kindeswohls nur einem Elternteil zusteht.
Hier könnte ich noch schreiben, warum es meines Erachtens der fürsorglichen Mutter zustehen sollte - in den ersten drei Lebensjahren und diesbezüglich auch etwas über die Bindungsbeziehung schreiben. Doch das werde ich vielleicht in einem der anderen Tagebuch-Einträge machen.
Herzlich eurer
Herr Gaigals
volker, kassel:
17.09.2012 10:36
Oh jee - das sehe ich nun ganz anders! Ich erlebe im Bekanntenkreis getrennte Väter, die ohne eigenes Sorgerecht immer wieder vor vollendete Tatsachen gestellt werden z.B. bei Schulentscheidung oder Wohnortwechsel. Ich bin unbedingt für gemeinsames Sorgerecht auch bei unverheirateten Eltern. Bei Verheirateten ist das ja ohnehin selbstverständlich!