väterzeit.de - Vater sein, Mann bleiben

05.11.2012 8. Woche
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Eine Bockpahse gibt es nicht, oder?

Von Kindern, die nein sagen, sprüchereißenden Eltern und einem sich ständig erweiternden Wortschatz.
Ei, das zweite Kindlein hat gerade eine etwas anstrengende Phase. Ich weiß nicht genau - bisher war ich kein Verfechter der "Bockphasen"-Theorie, aber langsam kann ich mir vorstellen, warum manche Leute meinen, es würde sowas geben. Hinzu kommt, dass sie ein kleines Kacki-Problem nach wie vor hat. Das ist für das Kindlein manchmal so schlimm, dass sie nicht schlafen kann, wie gestern Abend geschehen. Sie will immer noch nicht auf den Topf oder das Klo gehen, sondern macht gerne in die Windel und weils große Geschäft ihr unangenehm ist, spart sie es sich auf, bis es nicht mehr geht.

Also dass der alte Freud auch eine Phase der Entwicklung nach diesem Thema benannte, war mir schon klar, nur dass dies beim Kindlein tatsächlich eine Rolle spielt, wusste ich bisher nicht. Beim Freud spielen allerdings die Kinder genüsslich mit ihren Ausscheidungen, wo für mich dann doch eine Grenze erreicht wäre. So reicht es mir, dass die zweite Tochter gerne in die Wohnung pullert oder eben in eine nur einmal zu benutzende Windel, was mich zu dem Eingangsthema zurückbringt.

Starke Kinder sind was feines. Und wenn sie ihren eigenen Weg gehen können erst recht. Aber wie ist es nun, wenn eine Zweijährige anfängt, sich den Eltern zu verweigern und kein Einsehen in den Tagesablauf hat? Sie sagt zu fast allem nein, was ich mit ihr machen will.

So lässt sie sich zum Rausgehen einfach nicht anziehen. Meine Methode ist im Moment die, dass ich alle Sachen packe und mit ihr losgehe, im Treppenhaus wird es ihr dann kalt und sie lässt sich bereitwillig anziehen. Aber eben das oben beschriebene Thema beschäftigt mich auch: Kind kommt mit der eben angezogenen Windel in der Hand in das Zimmer, verkündet "lel lel", was soviel wie gepullert bedeutet und gibt mir die Windel. Sehr gerne lässt sie sich auch dazu animieren, diese dann ins Bad und in den dafür vorgesehenen Behälter zu werfen. Aber danach ist sie "Nackedei", worauf sie sehr viel Wert legt und lässt sich nicht mehr anziehen. Dann kann sie in die Wohnung pullern, dass es eine Freude ist. Oder eben in die neue Windel, die sie sich manchmal wünscht. Hier bestimmt das Kind.

Will ich aber meinen Plan mal durchdrücken, dann ist das Kindlein untröstlich. Da bricht eine kleine Welt zusammen und ein Kindlein auch. Sie schmeißt sich dann auf den Boden und weint und schreit und lässt keinen an sich heran, um sie zu trösten. Bei uns in Sachsen gab es im vergangenen Jahr eine Werbung für mehr Zivilcourage. Da gab es ein Plakat: "Sie hören gern Musik? Aber das Schreien des Kindes in der Nachbarwohnung nicht?" - ja, dass sich hier bisher noch keiner mal erkundigt hat oder sich eingemischt hat, wundert mich eigentlich. Ich bin aber auch sehr froh darüber, sonst gibt es nur noch mehr Scherereien und das traurige Kindlein reicht mir eigentlich schon. Wenn sie dann ihren "Bock", wie es z.B. die Großeltern nennen, ausgetrieben hat, dann kommt sie ganz ganz traurig zu mir und will getröstet sein. Das zerreist mir fast jedesmal das Herz. In diesem Punkt wundert es mich aber auch, dass das Kindlein sich kein Vorbild an der großen Schwester nimmt, die mit solchen Planänderungen ganz gut umgehen kann.

Was anderes, was sich die zweite Tochter von ihrer großen Schwester abgeschaut hat, ist ihr herrlicher Sinn für Humor und ihr enormes Verständnis. Das wiederum finde ich teilweise erschreckend. Ich weiß, dass Kinder in diesem Alter einem unheimlich klug vorkommen und dass es sich später wieder vertut. Aber bei meiner zweiten Tochter finden das sogar alle Freundinnen. Aber ein Beispiel des schönen Humors der ersten Tochter: Die Frau ist mit der Tochter an der Straßenbahnhaltestelle und sie schauen sich ein Werbeplakat an. Sie unterhalten sich über das abgebildete Mädel, das vergrößert dargestellt ist. Die Frau: "Ja, stell dir mal vor, du hättest so einen großen Kopf. Da hättest du ganz schön was zu schleppen. Da würdest du ganz schön ins Schlingern kommen." Antwort der Tochter: "Ja, stell dir mal vor, das ist nur ein Plakat ..."

Auf der anderen Seite ist die erste Tochter unheimlich unschuldig. Sie hegt keinen Argwohn. Ironie und Zynismus prallen an ihr ab, weil sie für diese Konzepte kein Gespür hat. Ich bin darüber einerseits ganz froh. So bekommt sie es nicht mit, wenn der eine Opa oder die andere Oma unangebrachte Sprüche dem Kind gegenüber äußern. Und Entwicklungspsychologisch ist das auch erst frühstens in drei Jahren dran, dass sie eine Ahnung von solchen fiesem Umgangsmethoden der Menschen miteinander bekommt.

Ganz anders die zweite Tochter. Nicht nur, dass sie merkt, wenn jemand solche Sprüche macht, sie findet sie auch noch zum Zerreißen komisch. Wir haben sprücheklopfende Eltern im Kindergarten der ersten Tochter. Als es da nun ein Grillfeuer im Garten gab und der eine Vatter einen Spruch nach dem anderen in Richtung der älteren Kinder abließ, stand meine zweite Tochter dabei und feixte sich was, dass es eine helle Freude war. Ich dachte ja nicht, dass sie es verstehen würde. Doch heute unterhielt sich die Frau mit einer Freundin über Zähne und Zahnarzt wegen den Löchern der ersten Tochter und ihren vielen bleibenden Zähnen - da kam die zweite Tochter aus dem Nebenzimmer und meinte "A auch", was soviel wie "Ich auch" bedeutet und zeigte auf ihre Zähne - also auch sie hatte Löcher in ihren Zähnen.

Sie merkt sich auch so viel. Zum Beispiel will sie immer noch gerne nochmal zum Rummel, das hatte ihr vergangene Woche gut gefallen. Bei jeder Mittagsschlafrunde ist das Riesenrad zu sehen und das Kindlein im Wagen sagt: "Ummel" - auch heute. Da wir am Nachmittag eine Verabredung hatten, war die Antwort: "Erstmal Freundin und Kinder treffen." Nach dem Treffen mahnte das zweite Töchterchen an, dass nun aber Zeit für den Rummel sei und als wir Eltern das verneinten, auf die voran geschrittene Zeit verwiesen und meinten, es sei Zeit fürs Bett, war das mal wieder eine Durchkreuzung des kleinen göttlichen Plans.

Aber nicht nur dass sie sich Sachen merkt. Sie sieht auch so viel. Zum Beispiel, als wir an die Elbe fuhren sagt das Kindlein "Häh", was dem Wiehern des Pferdes entsprechen soll und der Hinweis ist, dass es ein solches zu bestaunen gäbe. Nur wir Eltern sahen kein Pferd weit und breit. Das Kind blieb unbeirrt und verwies auf weiterhin auf das Tier, was es zu sehen glaubte, bis wir - tatsächlich - eine Pferdekutsche auf der Straße der anderen Elbseite ausmachten, die so klein war, dass sie uns nicht aufgefallen wäre.

Durch die fleißigen Bemühungen unseres Vereinsvorstandes, von Eltern und Pädagogen des Teams bekommt nun in absehbarer Zeit unsere zweite Gruppe im Waldkindergarten einen eigenen Bauwagen. Es ist zur Zeit ein recht ungewisses Ding, wie es praktisch aussieht. Wird es zu kalt im Oktober/November, zieht die untere Gruppe um ins Kinderhaus, in dem es einen Raum gibt, der dem Kindergarten ab Mittags zur Verfügung steht. Die Pädagogen würden gerne den Umzug in diesem Jahr vermeiden wollen, und von der Waldhütte direkt in den Bauwagen umziehen. Nur steht noch nicht wirklich fest, wann der Bauwagen freigegeben wird.

So gibt es zur Zeit ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen ungemütlicher werdendem Wetter und der Fertigstellung des Bauwagens. Damit alles glatt gehen kann, wenn der Bauwagen in den Wald gefahren wird, haben wir Eltern am Reformationstag einen Einsatz zum Herrichten des Bauwagenstellplatzes im Wald durchgeführt. Wir hatten Freude und das Wetter spielte mit und so kamen wir mit der Arbeit gut voran. Es gab zwar unterschiedliche Meinungen zum Ausmaß der Erdumverteilung, doch sah es am Ende ganz annehmbar aus.

Die ganze Zeit überlegte ich aber, was denn eigentlich fehlte, denn ich hatte so ein wages Gefühl - bis es mir aufging: Bier. Zum Arbeiten gehört doch auch in gewissem Maße ein kleines Bierchen und zumal auch Luther dem Gerstensaft zusprach, zog ich mit einem Freunde los und wir besorgten von der Tanke ein Rähmchen, dem im Wald von den Eltern auch gut zugesprochen wurde. Feine Sache das. Gestern Abend hatte ich mir ein Sonntagsbier gegönnt, was ich aus dem Glase trank. Sagt doch die erste Tochter zu mir: "Papi, du musst das Bier trinken, solange noch Schaum oben drauf ist - dann schmeckt es besser." Also soweit ist es schon gekommen.

Eine gute Woche wünscht euch 

Herr Gaigals

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Kommentare von Lesern:

 
Klingone, Northeim:
06.11.2012 09:15
Na, das ist doch mal eine verständnisvolle Tochter, die dem Papa das Bier schmackhaft macht! Aber offenbar scheint es in dem Waldkindergarten keine Debatten zu geben, ob bei Rodungs- und anderen vor allem sich an Männer richtenden Arbeiten zum Feierabend Alkohol erlaubt ist. Was bin ich da für erzürnte Diskussionen gewohnt! Von Müttern, die meinen, allein der Anblick einer Bierflasche würde ihr Kind später unweigerlich zum Alkoholiker werden lassen. Also lass Dir Dein Bierchen nicht verderben! Prost!

Tagebuch Herr Gaigals

Herr Gaigals
Alter: 36
Wohnort: bei Dresden
Beruf: Krankenpfleger und zukünftig Lehrer
Familienstand: verheiratet
Geburtstag Kind: 2 Töchter, 5 und 2 Jahre
Letzter Eintrag: 30.09.2013

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