22.04.2013
31. Woche
Der Frühling auf dem Land
Vom Aufhängen und Abnehmen, von Flugzeugen und Blumen und von den ganz normalen Tagen.
Heute war es windig und frisch. Mir ist es immer noch eher zu kalt, auch wenn sich das bald ändern wird.
Die Kinder vermissen ihren berufstätigen Vater sehr. Gut, dass der Onkel da ist und die Großeltern wieder aus dem Urlaub zurück sind. Nachteilig ist bei einem Urlaub in der Türkei, wenn man vom Reiseleiter in eine Verkaufsveranstaltung für Teppiche gezerrt wird und dort dann die Rentner solange bearbeitet werden, bis sie einen Kaufvertrag unterschreiben. Die Hilflosigkeit alter Menschen ausnutzen ist so eine miese Masche, dass ich derob unheimlich wütend bin. Der Reisebegleiter schlug sogar die Hilfegesuche meines Vaters in den Wind. Ich weiß nicht, ob ich so einer eindringlichen Verkaufsmasche gewachsen gewesen wäre. Erleben will ich sowas auf alle Fälle nicht. Aber wie geht man dagegen vor, wenn einmal unterschrieben wurde?
Jedenfalls sind heute Vormittag die Großeltern mit den Kindern Buschwindröschen gucken gegangen und die Kinder waren begeistert. Zum Mittag gab es draußen im Sonnenschein Wildschweinbraten zu essen und so könnte doch alles eigentlich ganz schön sein.
Und doch - ich finde auch immer was zu meckern. Denn ich finde in den Umzugskisten nicht was ich brauche. Ich habe hier noch keinen Arbeitsplatz. Und das Netzkabel meines Laptops finde ich auch nicht. Dabei brauche ich den ganzen Kram aus den Kisten eigentlich nicht. Schaue ich in eine Kiste rein, erkenne ich schon unsere Sachen wieder, doch weiß ich noch nicht wohin damit und dann weiß ich nicht, wozu ich es im Moment brauchen könnte. Das Meiste ist alles überflüssig. Wir kommen mit dem, was schon ausgepackt ist zurecht. Das ist nicht einmal die Hälfte von dem, was hier her geholt wurde und in Dresden wartet nochmal eine ordentliche Fuhre darauf, abgeholt zu werden. Alle Kisten sind sehr gut beschriftet. Heute fand ich sogar meine Pflege-Bücher, mit denen ich die erste Stunde vorzubereiten gedenke. Und meine Waage fand ich auch - es sind schon einige Pfunde weniger - es geht also in die richtige Richtung. Dabei fehlt mir leider die körperliche Ertüchtigung. Suche ich aber im Umzugsgut konkrete Sachen, dann wird es problematisch und das kostete mich heute erfolglos meinen Sonntag.
Daher war ich recht angespannt, als ich am Abend die Kinder nach dem Sandmann und Wickie für das Bett fertig machen sollte. Als sich das zweite Kind dann auch noch hartnäckig weigerte, sich die Zähne zu putzen oder putzen zu lassen und dann bei seinem heutigen ersten Schreianfall auch noch in die Hose pullerte, konnte ich auch nicht mehr und meckerte sie voll. Half aber auch nix, nur dass ich mich danach noch mieser fühlte.
Dabei haben wir so schöne Erlebnisse zusammen, das zweite Kind und ich. Gestern zum Beispiel sahen wir beim Mittagsschlaf-Kinderwagen-Rumgeschiebe: Hühner, eine Katze, noch mehr Hühner mit einem schmucken Hahn, kleine Piepvögelchen, ein Flugzeug, ein Auto, zwei Pferde mit Reiterinnen, hörten Lärchen singen und sahen eine Eidechse huschen, lauter kleine gelbe sternförmige Blümchen und ganz ganz viele kleine weiße Blümchen sahen wir auch. Dann sahen wie noch ein Kind mit einem Ball und einen Fasanenhahn, dessen farbenfrohes Gefieder in der Sonne glänzte. Wir sahen dann noch einen Bagger und einen Traktor und einen Mann auf einem Fahrrad und einen Mann beim Rasenmähen. Wir wurden von einer Frau im Auto überholt und von einer anderen eingestaubt. Das Kind war nicht zum Schlafen zu bewegen. Alles fand sie spannend. Kurz bevor wir wieder zurück auf dem Hof waren, reichte es mir und das sagte ich ihr, als sie sich im Kinderwagen gerade wieder einmal hinsetzte: “Ich gehe hier mit dir spazieren, damit du zu deinem Mittagsschlaf kommst. Jetzt leg dich hin und mach die Augen zu.“ Zack, lag das Kind und war zehn Meter weiter bereits eingeschlafen.
Seit der letzten Woche können wir nun einen gebrauchten Passat unser eigen nennen und sind nicht mehr auf das Auto meiner Eltern angewiesen. So langsam nimmt hier alles Gestalt an. Auch das Zusammenleben will gelebt sein. Die meisten Mäuse sind des Hauses verwiesen und das Kaninchen ist beigelassen. Wir werden hier täglich von den Katzen der Nachbarn besucht. Schade, dass das die Nachbarin nicht lustig findet. Die Katze Mia kommt immer mit großem Hunger hier her - sehr zur Freude der ersten Tochter, die es aber nicht so recht versteht, warum wir die Katze nicht füttern. Aber wir wollen sie den Nachbarn ja nicht abwerben. Auch das verstehen die Kinder nicht. Die Katze jedenfalls will dem Kaninchen das Futter streitig machen. Und sie trägt auch selbst zum Familien-Ernährungs-Vorrat bei: mit selbstefangener Taube. Gestern kam das Nachbarskind, dem die Katze gehört und fragte uns verschämt, ob sie i h r e !!! Katze wieder mitnehmen dürfe. Sie bräuchte uns nicht erst um Erlaubnis bitten, sagten wir ihr. Sie nahm die Katze mit, doch keine Stunde später war die Katze wieder da.
Wenn die zweite Tochter wissen möchte, was etwas ist, dann sagt sie immer: “Was muss das sein?“ Die erste Tochter ist total ausgeglichen und singt den ganzen Tag - wie verwandelt. An ihr ist gut nachvollziehbar, wie wohl das Landleben Kindern tut. Auch der zweiten Tochter tut es gut. Da sie auf die Wiese pullern kann, verzichtet sie nun auf ihre “Windellippie“, vergisst aber vor Geschäftigkeit, pullern zu gehen. Auf der Leine hängen heute nur von ihr eingestrullte Sachen.
Achso, es gibt noch eine bedeutende Neuerung: der zweiten Tochter reicht es, dass sie nicht in den Kindergarten geht und daher hat sie nun beschlossen, es einfach zu machen. Jeden Tag berichtet sie von ihren Erlebnissen dort. Da ist eine alte Frau, die auf sie aufgepasst. Mit der erlebt sie ständig Abenteuer. Gestern wurde sie von der Alten vor einem Wolf gerettet. Und was die Kindergartentante den Kinde so alles erzählt. Ich glaube, wenn es so weiter geht, werde ich mit dieser Tante auch mal ein erstes Wörtchen reden müssen. Bei ihr kann die Tochter essen was sie möchte, braucht keinen Mittagsschlaf mehr zu halten und auch zu Elternmeinungen, -themen und Erziehungsmaßnahmen hat sich die gute Kindergartentante auch schon längst etwas eigenes ausgedacht.
Man sieht, wir können tun was wir wollen, um den Kindergarten kommen wir nicht drumherum.
Eine schöne Woche euch,
euer Herr Gaigals
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