20.02.2011
5. Woche
Die Krümel haben Ferien
Half Term; „traditionelle“ Spielzeuge vs. Videospiele; „Sozialplan“ für die Ferien; Schulversammlung; Vaterstolz; Multitasking
Es ist Sonntagnachmittag in Hackney. Ein grauer, verregneter Sonntag in London, von denen es in Großbritannien so viele gibt. Mir macht das Wetter nichts aus. Wir können uns ja mit einer heißen Tasse Tee romantisch-gemütlich vor ein Kaminfeuer setzen (wenn man einen Kamin hat, und wir haben einen...).
Was mir allerdings etwas ausmacht sind die Aussichten auf nächste Woche. Nächste Woche ist „half term“ wie es in UK genannt wird: Halbzeit-Ferien. Die Halbzeit-Ferien gibt es zweimal im Jahr, je eine Woche zwischen Sommer- und Winterferien und dann zwischen Winter- und Sommerferien. An sich sind Ferien etwas schönes, vor allem für Kinder. Finn und Josh sind schon sehr aufgeregt und fiebern ihrem „Urlaub“ entgegen. Für Eltern können Schulferien eine anstrengende Zeit sein. Denn irgendwie muss die Bande ja unterhalten werden. Finn und Josh können sich schließlich nicht den ganzen Tag alleine beschäftigen, oder? Zumindest fühlen meine Frau und ich uns verantwortlich dafür, dass unsere Kids genug Abwechslung haben. Kennt Ihr das? Kriegt Ihr auch ein schlechtes Gewissen, wenn der Nachwuchs sich langweilt? Natürlich hat das zur Folge, dass Ferien für uns keine rechte Erholung sind.
Auch das war früher anders. Ich kann mich nicht erinnern, dass meine Eltern in den Ferien mit uns gespielt hätten. Meistens waren wir sowieso mit Freunden draußen und wenn es regnete, besuchten wir Freunde. Davon abgesehen hatten wir unsere Spielzeuge: Lego, Airfix-Modelle, Puzzle, ein bisschen Playmobil und eine elektrische Eisenbahn.
Meine Kids haben zwar auch Spielsachen, sie beschäftigen sich bloß nicht zu oft damit. Viele „traditionelle“ Spielzeuge sind inzwischen von Videospielen verdrängt worden. Auch wenn es mir jetzt in den Fingern juckt, werde ich nicht weiter auf dieses Thema eingehen. Darauf werde ich noch einmal gesondert zu sprechen kommen. Diesmal sei nur so viel gesagt: Richtig begeistert sind meine Kinder vor allem von ihren Videospielen. Ich selbst bin kein großer Fan von virtuellen Welten (außer dem Internet) und finde es schade, dass Kinder heutzutage so wenig basteln und puzzeln. Meine Kids sind da keine Ausnahme. Auch ihre Freunde sind durch die Bank begeisterte Gamer. Der Platz im Kinderrudel wird sich unter anderem über den Erfolg bei Videospielen erobert. Sie sind das vorherrschende Thema in der Schule und Zuhause. Stets wird über das allerneueste Videospiel diskutiert und wer es nicht hat, der sieht alt aus. Was soll man da als Eltern machen? Dem Nachwuchs das Daddeln verbieten, und sie zu Außenseitern machen? Das ist nicht mein Fall. Und obwohl meine Frau der ganzen Videospielerei sehr kritisch gegenübersteht, möchte sie aus unseren Jungs auch keine Außenseiter machen. Also schränken wir das Daddeln ein, obwohl das manchmal zu Tränen und Streit führt.
Aber ich komme vom Thema ab, zurück zu den stressigen Ferien. Für nächste Woche existiert bereits ein „Sozialplan“. Die erste Aktivität war am Sonntag, denn Josh besuchte seinen Freund Sam. Montag gehen Finn und Josh zu ihrem Kumpel Milo. Den Dienstag werden wir uns mit Sam und seinem Dad Olli auf der Schlittschuhbahn um die Ohren schlagen. Mittwoch steht ein Videospielnachmittag bei Cameron auf dem Programm. Am Donnerstag kommt Nicola mit ihren Kids zu Besuch. Freitag haben wir noch nichts vor. Vorschläge sind willkommen!
An sich ist es gut, involviert und engagiert zu sein und es macht Spaß, sich mit seinen Kindern zu beschäftigen. Ich muss gestehen ich frage mich mitunter, wann meine Frau und ich eigentlich Ferien haben. Aber das steht auf einem anderen Blatt. Erschwerend kommt in den Ferien hinzu, dass ich von Zuhause arbeite und meine Deadlines keine Ferien kennen. Zum Glück ist meine Frau Lehrerin und hat zur gleichen Zeit wie die Kids frei, sonst hätten wir ein Riesendilemma. Schwierig ist es nur, wenn ich versuche zu schreiben, während die Kids schreiend durchs Haus toben. Schrecklich. Gelegentlich verziehe ich mich ins Café, aber das kann ganz schön ins Geld gehen. Gibt es unter den Lesern auch Freelancer, die von Zuhause arbeiten? Wie macht Ihr das?
Zurück zum Thema: Der Höhepunkt der letzten Woche war die Schulversammlung. Einmal die Woche trifft sich die gesamte Schule in der Turnhalle, um einer Aufführung beizuwohnen. Das kann ein Lied mit Instrumentalbegleitung, ein kurzes Theaterstück oder ein Tanz sein. Diese Woche war Finns 5. Klasse an der Reihe. Finn war sehr aufgeregt und fragte mich vorher mindestens 20mal, ob ich am Mittwoch auch pünktlich um 10 Uhr mit meiner Kamera bewaffnet in der Sporthalle sein würde. Er sollte ein kurzes Gedicht aufsagen. Während ich als Junge aufgrund katastrophalen Lampenfiebers einen großen Bogen um Bühnen und Aufführungen machte, geht Finn das völlig cool an. Selbst ein größeres Publikum bringt ihn nicht aus der Ruhe. Und so war es auch diesmal: Selbstbewusst und mit lauter Stimme trat er vor das Publikum und präsentierte sein Gedicht. Ich saß mit stolz geschwellter Vaterbrust im Publikum und war ein bisschen zu Tränen gerührt (was ich herunterschluckte, man soll es ja nicht übertreiben). Ich war auch stolz auf mich, denn es waren nicht viele Väter da, was ich schade finde. Ohne kritisch sein zu wollen, wundere ich mich doch gelegentlich darüber, wie oft es noch die Mütter sind, die für die Kinder da sind – oder täusche ich mich da? Was ist Eure Erfahrung, liebe Väter? Seid ihr oft von Mamis umgeben, wenn Ihr am Schuleingang auf die Kids wartet?
Zum Schluss will ich noch schnell mit dem (zumindest in England weit verbreiteten) Vorurteil aufräumen, Frauen könnten gut „multitasken“ und Männer nicht. „Siehst Du Mama“, sagte Josh neulich zu meiner Frau beim Spaziergang im Park. „Ich kann auch multitasken. Ich kann gehen und gleichzeitig zwinkern.“
Ich wünsche Euch eine schöne Woche.
Frank
Frank, London:
24.02.2011 21:03
Gestern waren Finn und Josh bei Freunden und da wurde alles gespielt was Rang und Namen hat: DS, xBox 360, Wii und so weiter. Mir wäre es lieber gewesen, sie wären in den Park gegangen, aber so ist das eben.
Vielen Dank für Eure Kommentare und bis am Montag.
Klingone, Northeim:
23.02.2011 12:02
Ach ja, die Ferien. 6 Wochen im Sommer, Ostern, Herbst, Weihnachten, Pfingsten, verschiebbare Tage, ein paar Tage um die Zeugnisse herum - selbst wenn meine Frau und ich uns die Ferien nur für Betreuung aufteilen, können wir nicht alles abdecken. Also müssen Verabredungen her. Mit Freunden am besten, denn die Großeltern sind schon Mitte 80 bzw. weit über 70 - und fußballbegeisterten Jungen körperlich nicht mehr gewachsen und Videospiele sind eindeutig kein Favorit ihrer Generation. Klar lasse ich gerne los, wenn ich weiß, dass die Kids gut untergebracht sind und nicht den ganzen Tag nur vor Bildschirmen hocken und sich Chips und Energy-Drinks reinziehen. Klar, kann auch mal an einem Tag sein, aber nicht wochenlang. Und da wird es schwierig, denn anderen Eltern geht es genauso. Also auch mit den Eltern von Freunden Termine abklären. Ja, in der Schule läuft ein kleines Ferienprogramm. Aber Schule in den Ferien? Klares Nein meines Sohnes, egal was läuft. Fußballverein - ja, bietet 4 Tage lang was an, aber erst ab 9 Uhr morgens und bis 16 Uhr - also einiges Rumstehen vorm Tor, morgens und nachmittags. Alles andere kostet richtig Geld und ist meist trotzdem höchstens halbtags, wie der Tastatur-Kurs der Volkshochschule oder ähnlich nette Sachen. Also bleibt uns nichts übrig, als den Bub ein paar Tage wirklich allein zu lassen. Da bin ich manchmal fast froh über den Nintendo DS - da kenn eich die meisten Spiele und weiß, dass Sohnemann sich wenigstens nicht den ganzen unbetreuten Tag mit Ballerei beschäftigt. Trotzdem hat er am Abend fast viereckiige Augen. Wie organisiert Ihr das, liebe Mitleser?
Volker:
22.02.2011 09:47
Ich beobachte es jetzt schon bei drei Jungs: bis etwa 10 Jahre waren "traditionelle" Spielzeuge (Lego, Eisenbahn...) angesagt - auch mangels elektronischer Alternativen. Dann wird der Druck vom Schulhof zu stark und PC und Co werden gefordert. Kommt auf die Eltern an, ob sie da nachgeben wollen; hab es aber bei einer befreundeten Familie mitgekriegt, wo sich die Kids selbst das Geld für eine Wii zusammengearbeitet haben und nach einem halben Jahr hatte das gute Stück seinen Reiz schon wieder verloren und wurde verkauft - für einen iPod ;-)
Gerd, Norddeutschland:
21.02.2011 13:44
Ich denke, hinsichtlich des „Hahns im Korb“ hat sich einiges geändert. Ich erlebe inzwischen doch recht viele Väter, die sich mit einbringen. Allerdings zu anderen Zeiten als die Mütter. Bin ich unter der Woche zu den typischen Berufszeiten mit den Kleinen unterwegs, bin ich als Vater meist der einzige. Am Wochenende übernehmen dann meist die Väter („Geh mal mit den Kindern in den Zoo“).
Das Problem sehe ich dabei, dass ich als Vater für die Mütter kein wirklicher Ansprechpartner bin. Komme ich z.B. als einziger Mann mit den Kleinen auf den Spielplatz, werde ich von den Frauen nie angesprochen – untereinander unterhalten sie sich schon. Irgendwie gibt es da eine seltsame Art von Unsicherheit gegenüber den Vätern. Schade.