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29.08.2011 28. Woche
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Non scholae sed vitae discimus

Licht am Ende des Tunnels; Endspurt; Londoner Elite Lehranstalten; zwei Probleme – was ist die Lösung?
Drei Nächte. Drei Nächte lang hat Finn es schon geschafft, nicht in sein Bett zu machen. Das ist ein toller Erfolg, der sich wirklich sehen lassen kann. Er ist auch sehr stolz und erzählt mir jeden Tag, welche großartigen Fortschritte er macht.

Wie genau diese Fortschritte erreicht wurden, kann ich nicht sagen. Das System ist etwas komplex und hat mit einer Wandtafel, mit aufklebbaren Sternchen und damit zu tun, dass Finn sich nach einer bestimmten Anzahl von Sternchen ein Spielzeug aussuchen darf. Wie ihr euch denken könnt, gibt es für jede trockene Nacht ein Sternchen. Oder vielleicht sogar zwei in verschiedenen Farben, so genau weiß ich das nicht. Ja und dann zieht er jetzt unter seine Windel eine Unterhose, aber das hatte ich ja schon erwähnt. Ich bin jedenfalls froh und stolz, denn endlich ist Licht am Ende dieses Bettnäss-Tunnels zu sehen – mit einer der Hauptgründe, warum Finn in der Vergangenheit nur selten bei Freunden übernachtet hat (wiederhole ich mich?).

Sorry übrigens für den verspäteten Tagebucheintrag, aber ich hatte am Wochenende so viel um die Ohren, zum Schreiben war einfach keine Zeit.

Endspurt, diese Woche geht es nur noch um den Endspurt. Und wie beim Marathon ist der Endspurt eine gnadenlose Angelegenheit nur etwas für die ganz Fitten, die noch über Kraftreserven und Luft verfügen. Nun ja, über Kraftreserven verfügt eigentlich in unserem Haus niemand mehr außer Finn und Josh. Ich bin jedenfalls froh, wenn die Schule wieder losgeht. Dann kann ich endlich auch tagsüber regelmäßig arbeiten. Hurra! Wer hätte gedacht, dass ich mich einmal freuen würde, arbeiten zu dürfen.

Zurzeit hagelt es Geburtstagsfeiern. Gestern Ethans Fete im Wellenbad. Nächsten Samstag Sonny und Milos Party. Schwimmen ist insofern gut, als das die Kids theoretisch anschließend müde sein sollten, aber Finn war trotzdem bis um Mitternacht total aufgedreht. Keine Ahnung woher der Junge die Energie nimmt. Dann folgt übernächstes Wochenende Joshs Geburtstagsfeier. Irgendwann in vielen Jahren werde ich vielleicht auf diese hektische Zeit zurückblicken und in Erinnerungen schwelgen an die Tage als Finn und Josh noch klein waren. „Weißt du noch, diese vielen schönen Geburtstagsfeiern im Park und im Schimmbad“, werde ich dann vermutlich zu meiner Frau sagen, aber im Moment ist von dieser sehnsuchtsvollen Romantik noch keine Spur. Nur ab und zu, wenn wir erschlagen vor dem Fernsehen sitzen und uns über Peter Sellers urkomische Eskapaden schief lachen, dann hat es etwas Romantik … ich übertreibe natürlich. Das macht alles schon sehr viel Spaß mit den Jungs, auch wenn ich manchmal etwas rumjammere.

Letzte Woche war Sam wieder einige Male bei uns und Finn und Josh bei ihm. Aber was haben wir sonst gemacht? Mir fällt es beim besten Willen nicht mehr ein, also werde ich ein anderes Thema anschneiden.

Gestern flüchtete ich mich in mein Stammcafé und traf dort auf einen Bekannten. Seine Frau Sabine ist Östereicherin und ihr Sohn Mal ist super-gut in der Schule. So gut, dass er die Aufnahmeprüfungen (in England muss man bei weiterführenden Schulen Aufnahmeprüfungen machen – als ich zur Schule ging war das in Deutschland nicht der Fall) für eine Super-Schule bestand. Latimer heißt die Penne und ist eines der wenigen staatlichen Gymnasien in London.

Die Lehranstalt hat einen ausgezeichneten Ruf, dementsprechend lang ist die Liste der Bewerber. Von zehn hoffnungsvollen Kindern, die sich den knallharten Tests unterziehen, ergattert nur eines einen der begehrten Plätze. Wahnsinn werdet ihr sagen und in der Tat ist es Wahnsinn. Spitzennoten reichen hier schon lange nicht mehr aus. Die Kids müssen sich mindestens ein Jahr lang außerhalb des Unterrichts auf die Prüfungen vorbereiten, meist wird dafür ein Privatlehrer angeheuert.

Da Finn jetzt in die sechste Klasse kommt und nächstes Jahr auf eine weiterführende Schule gehen muss, machen wir uns auch Gedanken über dieses Thema. Das hatte ich bestimmt auch schon erwähnt, oder? Für Finn kommt vielleicht eine örtliche Gesamtschule in Frage, denn auf einer Eliteschule wie Latimer dürfte er keine Chance haben. Die Frage ist aber: was wird aus Josh? Meine Frau meint, er hätte das Zeug für ein sehr gutes Gymnasium. Soweit ich das beurteilen kann, ist er ziemlich aufgeweckt und denkt jetzt schon schneller als ich. Nun ja, das ist nicht so schwierig, aber trotzdem. Immerhin ist er ja erst acht Jahre alt.

Zwei Probleme tauchen dann allerdings auf:

Problem Nummer 1: Was sagen wir Finn wenn Josh auf so eine Schule gehen sollte? Wie erklären wir ihm das? Wie würde er das verkraften? Neulich im Schwimmbad wurde er vom Bademeister ermahnt – die anderen Kids wurden nicht ermahnt und er war sehr bestürzt und fragte: „Wieso bin ich immer der einzige, der etwas falsch macht?“

Problem Nummer 2: Was passiert, wenn Josh die Aufnahmeprüfungen nicht schafft? Diverse Jungs in unserem Bekanntenkreis gehen auf diese Schule. Josh wäre völlig am Boden zerstört, wenn er durch die Prüfungen fallen würde. Ich weiß aus eigener Erfahrung, dass es nicht gut ist, schon in jungen Jahren herbe Rückschläge einstecken zu müssen. Andererseits heißt es ja, was einen nicht umbringt, macht einen härter. Aber als Erziehungsmehtode ist das wohl nicht immer angemessen, denn es kann auch ziemliche Schäden hervorrufen.

Die erste Maßnahme könnte sein, dass wir den Bekanntenkreis wechseln … auf diese Weise ist wenigstens der Konkurrenzdruck weg, den meine Frau im übrigen auch verspürt. Sie will unbedingt, dass Finn und Josh auf sehr gute Schulen gehen. Ich kann das nachvollziehen, wobei ich glaube die Schule ist nur der Anfang. Viele meiner Klassenkameraden waren sehr gut in der Schule, aber hatten dafür anschließend Probleme. Eine gute Schulausbildung ist wichtig, aber muss man unbedingt auf die beste Schule gehen? Ich glaube es nicht. Was meint ihr, liebe Leser?

Inzwischen ist es schon Montagmittag, und ich muss heute noch einiges arbeiten. Sue ist mit den Jungs zu einer Freundin gefahren, so dass ich sturmfreie Bude habe. Natürlich nicht, um zu stürmen, sondern um zu arbeiten. Insofern dürfte der Nachmitttag nicht allzu ereignisreich werden.

Im Unterschied dazu wünsche ich allen eine ereignisreiche Woche und wir sprechen uns nächsten Montag an gewohnter Stelle.

Good bye,

Frank

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Kommentare von Lesern:

 
Frank, London:
09.09.2011 17:41
Hallo liebe Leser,
vielen Dank für eure netten Kommentare und Vorschläge. Ja, ich glaube wir werden sowohl mit Finn wie auch mit Josh über diese Dinge sprechen. In meinen Augen ist am wichtigsten, dass die Jungs sich wohl fühlen, ansonsten können sie sowieso keine guten Leistungen erbringen.

Wir waren sogar schon in der Deutschen Schule in London und haben uns alles genau angeschaut. Leider ist sie so weit entfernt, dass man dort nicht täglich hinfahren kann. Wir hatten auch schon überlegt, umzuziehen, aber die Lebenshaltungskosten in diesem Teil von London sind noch höher.

Ich schätze, wir werden schon eine Lösung finden, aber es muss auf jeden fall etwas sein, womit Finn und Josh sich wohlfühlen.
Meike, Kassel:
03.09.2011 09:43
Hallo Frank!
Frage deine Sohne wie es ihnen geht und was für sie wichtig ist. Vielleicht will Finn ja gar nicht auf so eine super Schule. Schließlich könnte es da auch passieren, dass seine Auffälligkeiten noch mehr zu Tage treten als jetzt. Mein jüngerer Bruder wollte nie aufs Gymnasium, weil all seine Freunde zur Realschule gehen sollten. Er hat sich dann "bemüht", so schlecht zu werden, dass er die Schule wechseln musste. Ich glaube, durch deine eigenen schlechten Erlebnisse versuchst du deine Kinder vor Enttäuschungen zu bewahren. Aber vielleicht sind ihre Probleme auch manchmal etwas anders als deine eigenen von früher.
Gast:
03.09.2011 06:58
Ich bin Gymnasiallehrerin und z.Zt. an einer Deutschen Schule im Ausland tätig. Was meiner Meinung nach eine gute Schule auszeichnet sind motivierte Lehrer, kleine Klassen und eine gute Ausstattung. Und das Allerwichtigste ist, dass das Kind gerne zur Schule geht (ja, es gibt Schulen, wo Schüler gerne hingehen!!). Natürlich gibt es Kinder, die sich später entwickeln. Gleichzeitig lernt man gewisse Dinge, wie z.B. Sprachen nie mehr so einfach wie als Kind bzw. Jugendlicher. Habt ihr euch mal die Deutsche Schule in London überlegt? Deutsche Schulen vergeben z.T. auch Stipendien.
Volker Kassel:
30.08.2011 22:43
Ich kenne so viele Leute, die als Schüler echt schlecht waren und ab 17/18 oder später richtig aufgedreht und Karriere gemacht haben... Ich denke, im Alter von Josh ist das nicht so entscheidend auf was für eine Schule er kommt. Hauptsache, er trägt Eure Entscheidung mit!
Johannes, Ennepetal:
30.08.2011 08:31
Meine Kleine wird jetzt erst 1 Jahr alt u. im Moment bin ich der Meinung, dass das wichtigste für sie ist, glücklich zu sein. Ich selbst stand als Kind sehr unter Schuldruck (mein Vater war selbst Gymnasiallehrer) und in der Rückschau betrachtet hatte ich keine sehr glückliche Kindheit. Ich wurde gefördert u. gefordert und was mache ich jetzt: sitze perspektivlos im öffentlichen Dienst einer Kommunalverwaltung fest. Im Gegensatz dazu haben andere Klassenkameraden von damals Ihren Doktortitel gemacht und haben richtig gute Jobs. Die waren allerdings auch fleißiger als ich... Es kommt also nicht nur auf die Bildung, sondern auch auf den Fleiß an. Fragt doch einfach Josh, wenn es soweit ist, was er möchte. Was Freunde/Bekannte möchten, sollte eigentlich nebensächlich sein. Und demographisch gesehen sind für die momentan Kleinen die Zukunftsaussichten im Berufsleben doch eher rosig...

Tagebuch Frank H. Diebel

Frank H. Diebel
Alter: 44 Jahre
Wohnort: London
Beruf: Journalist
Familienstand: verheiratet
Geburtstag Kind: Finn: 23.10.00; Josh: 2.9.02
Letzter Eintrag: 19.12.2011

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