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06.03.2011 6. Woche
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Facebook vs. Club Penguin

Mami kommt spät heim – Nachtmenschen – Bäder, Baldrian und Zappelin – Facebook für Kids? – Wenn schon online, dann bitte Disneys Club Penguin – Iron Man fliegt wieder
Sues Ausstellung in der Krypta läuft noch auf vollen Touren. Am Freitag war „private view“ also eine Veranstaltung bei der nur geladene Gäste einlaufen. Die Jungs und ich waren zwar geladen, aber aus nachvollziehbaren Gründen blieben wir dem Rummel fern. Finn war am Freitagabend so aufgeregt, dass er bis Mitternacht wach in seinem Bettchen lag und alle Stunde ins Wohnzimmer kam, um zu checken, ob die Mama schon Zuhause war. Mum kam schließlich gegen Mitternacht, hatte aber ziemlich einen in der Krone und legte sich wortlos und komplett angezogen ins Bett. Nachdem Finn seine Mutter gesehen hatte, konnte er endlich beruhigt einschlafen.

Schlafenszeit – eine andere Herausforderung für Kinder mit Asperger. Zu den Hauptsymptomen von Finns Autismus gehört auch eine starke innere Nervosität (obwohl dieses Leiden auch psychische Ursachen haben könnte, das lässt sich aber nur schwer diagnostizieren). Finn kann sich nicht gut konzentrieren, es sei denn er führt eine Tätigkeit aus, die er über alles liebt – dann kann er auch gut stillsitzen und aufpassen. Bei Videospielen zum Beispiel legt er eine erstaunliche Geduld an den Tag. Die Zappeligkeit kenne ich auch von mir. Mir fiel die Konzentration als Kind auch schwer. Selbst in meinem doch schon recht fortgeschrittenen Alter lasse ich mich noch gerne ablenken. Wir haben es bei Finn schon mit Baldrian und heißen Bädern versucht, aber das zeigte fast keine Wirkung. Vielleicht wird er später ein Medikament nehmen müssen was ihm hilft einzuschlafen, damit er nicht als Erwachsener die halbe Nacht durch das Haus wandelt. Meine Mutter schlug vor, wir sollten es mit Zappelin versuchen. Das ist zwar ein homöopathisches Mittel – und ich halte von Homöopathie nicht allzu viel – aber in der Not frisst der Teufel Fliegen.

Samstagabend kam Sam zu Besuch für einen „sleep over“. Natürlich gab es auch an diesem Abend vor Mitternacht keine Ruhe. Sam ist auch öfter etwas aufgedreht, insbesondere wenn er bei uns zu Besuch ist. Er hat keine Geschwister und findet es vermutlich wahnsinnig aufregend, Alltagsdinge mit anderen Jungs zu erleben. Prompt waren die Lauser am Sonntagmorgen schon um 6 Uhr wach und warfen meine Frau aus dem Bett.

Am Mittwoch wollte Finn auf dem Nachhauseweg wissen, ob er einen Facebook- Account haben könnte. Ich muss gestehen, ich wusste nicht recht, was ich dazu sagen sollte. „Ich werde mit Mama sprechen und dann sehen wir weiter“, antwortete ich. Ich selbst bin ein begeisterter Facebook-Fan. Davon abgesehen, dass ich schon sehr viele alte Freunde und Bekannte auf Facebook wiedergetroffen habe, erlaubt mir die Seite auch mit ehemaligen Arbeitskollegen (von denen etliche in alle Welt ausgewandert sind) in Kontakt zu bleiben.

Davon abgesehen, benutze ich Facebook aus beruflichen Gründen. Als Journalist finde ich es spannend hautnah mitzuerleben, wie die Leser auf meine Postings reagieren – was sie interessiert, was sie nicht interessiert; was sie mögen, was sie nicht mögen und so weiter. Außerdem kann ich natürlich Links zu meinen Artikeln und meinem Blog auf Facebook veröffentlichen und mir so noch einige Leser mehr ergattern. Aber für Kinder? Der Gedanke, dass Finn alleine in den unsicheren Facebook-Weiten herumtobt gefällt mir nicht. Dafür birgt das Internet einfach zu viele Gefahren. Insbesondere auf Facebook hätten wir wenig Kontrolle darüber, wer mit Finn Kontakt aufnimmt.

Finn hat allerdings doch eine Online-Präsenz wie das heute so schön heißt. Er ist Mitglied der Walt-Disney-Webseite „Club Penguin“. Für eine geringe Jahresgebühr kann er der die Identität eines virtuellen Penguins annehmen und sich ein Iglu am Nordpol mit allen Schikanen einrichten. Viele von Finns Freunden und Klassenkameraden sind auch auf Club Penguin vertreten. Mein Sohn kennt also die wahren Identitäten vieler anderer Penguine mit denen er dort befreundet ist. Die „Penguin-Avatare“ können zwar miteinander agieren, aber nur im Rahmen von Spielen, sich können sich keine Nachrichten zuschicken oder andere Informationen austauschen. Ein gewisses Maß an Kontrolle ist also gegeben. Aber Facebook? Nein, geht mir einfach zu weit. Oder wie seht ihr das: Facebook für Kids? Ja oder nein?

Letzte Woche, genauer gesagt am Dienstag, gab es bei unserem wöchentlichen Filmclub einen Höhepunkt: Bei einem meiner Einkauftrips zu Tesco (unser örtlicher Supermarkt) hatte ich eine DVD von „Iron Man II“ ergattert (für nur sieben Pfund!). An diesen Nachmittag war ich auf dem Nachhauseweg von der Schule aufgeregter als die Jungs. Hollywood-Blockbuster sind ja nicht immer der wahre Jakob. Meistens kracht es nur 90 Minuten lang, aber an Handlung und Schauspielkünsten lassen diese Filme oft zu wünschen übrig. „Iron Man II“ kann es sicher nicht mit Thomas Manns Zauberberg aufnehmen, aber es ist doch ein sehenswertes Spektakel. Ich genoss besonders Mickey Rooney als peitschenschwingenden (oder was auch immer er da schwingt) Bösewicht. Finn und Josh war die Handlung natürlich total wurscht, Hauptsache es krachte ordentlich. Die nächsten Tage verbrachten sie damit als Iron Men durchs Haus zu „fliegen“.

Und ich mache jetzt für diese Woche den Abflug. Feedback und Kommentare sehr erwünscht (nur positiv natürlich ist doch klar, oder ;-))

Cheers,

Frank

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Kommentare von Lesern:

 
Frank, London:
09.03.2011 18:09
Hallo Yvonne,
danke für die Blumen. Es freut mich, dass Dir mein Tagebuch gefällt.
Hm, ja der Umgang mit den Medien. Als ich noch festangestellt war, und meine Frau mit den Kids zuhause war, schauten sie auch viel weniger fern als jetzt ;-))
Danke für den Tipp zum Einschlafen. Filme regen Finn nicht so auf, weil er sie oft gar nicht schaut (denn er versteht die Handlung nicht immer). Außerdem machen wir das mit den Filmen meist nur einmal in der Woche. Bei ihm sind es eher Verändungen in seiner Umgebung oder im Tagesablauf, die ihn aufregen. Aber darüber schreibe ich noch einmal gesondert.
Klingone, Northeim:
09.03.2011 12:16
Was mich wundert ist eher, dass Facebook noch keine Kids-Community aufgebaut hat, in der die Sicherheitsinteressen der Eltern und die Spielinteressen der Kinder wahrgenommen werden. Wär doch ein kommerziell lohnendes Feld.
Zum Umgang mit Medien und dem generellen Schadensverdacht: Ich habe gerade den Vortrag eines Psychologie-Professors gehört, der mit Alptraumpatienten und Traumatisierten arbeitet. Er nutzt Balllerspiele, um den Patienten eine Chance zu eröffnen, die Alpträume oder die Wiederkehr grausamer Bilder abzuballern wie im Computerspiel. Also alles eine Frage, wer es wozu einsetzt.
Frank, London:
08.03.2011 21:09
Hallo Johannes,
ich habe mal nachgesehen: Die Altersgrenze liegt bei Facebook in England bei 13 Jahren, aber ich kann mir nicht vorstellen, dass das jemand kontrolliert.
Johannes, Bielefeld:
08.03.2011 11:06
Ich dachte, FB würde es Jugendlichen unter 16 Jahren untersagen, einen eigenen Account zu eröffnen (wohl aus Jugendschutzgründen). Oder liege ich da falsch?
Yvonne, Berlin:
07.03.2011 19:22
Dein Tagebuch ist super geschrieben und sehr interessant - vor allem was die Unterschiede zu meinem 'Erziehungsideal' angeht. Der Umgang mit Medien scheint doch in England um einiges laxer zu sein. Könnte die Unruhe nicht auch zum Teil mit dem aufregenden Inhalt der Filme, Videospiele etc. zusammenhängen? Die Inhalte zielen doch auf extremen Spannungsaufbau. Und die muss von so einem Kind ja auch irgendwie verarbeitet werden. Und könnte eine Einschränkung dessen zu etwas mehr (innerer) Ruhe führen? Nur so eine Idee...
Grüße von Hauptstadt zu Hauptstadt

Tagebuch Frank H. Diebel

Frank H. Diebel
Alter: 44 Jahre
Wohnort: London
Beruf: Journalist
Familienstand: verheiratet
Geburtstag Kind: Finn: 23.10.00; Josh: 2.9.02
Letzter Eintrag: 19.12.2011

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