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11.07.2011 21. Woche
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Wurde Josh entführt?

Magen-Darm-Grippe; zwei nervige Zwischenfälle; ist Finn nicht willkommen?; ich werde vergesslich; Teenagerträume;
Sorry erstmal vorweg, weil es letzte Woche keinen Tagebucheintrag gab. Unsere ganze Familie lag flach, denn uns hatte eine Magen-Darm-Grippe in der Mangel. Ich hatte Karsten Knigge auch gebeten, eine kurze Mitteilung von mir zu veröffentlichen, aber er tat es nicht. Vielleicht hatte er auch eine Magen-Darm-Grippe?

Wie dem auch sei. Seit meinem letzten Tagebucheintrag ist einiges passiert. Zum einen gab es letzte Woche zwei Zwischenfälle, die mich ziemlich aufregten. Am Dienstag wollte Josh seinen Freund Cameron besuchen. Finn wollte unbedingt mitgehen, obwohl das nicht vereinbart war. Also schickte ich Camerons Eltern eine SMS und fragte, ob Finn auch kommen könnte in der Annahme, dass dies kein Problem sei. Einige Minuten später rief mich Camerons Mutter an und teilte mir ziemlich unverblümt mit, dass Finn sich bei seinem letzten Besuch nicht so gut benommen hätte, und er deshalb diesmal nicht kommen könnte. Auch sei ihr Mann alleine und weil noch andere Kinder kämen, wäre ihm das einfach zu viel. Dumm nur, dass Camerons Mutter Zuhause war als ich Josh später abholte.

Mir wäre beinahe der Hörer aus der Hand gefallen, liebe Leser. Nicht weil Finn nicht kommen konnte, aber über die Art und Weise wie mir abgesagt wurde. Finns Verhalten ist eben manchmal autistisch, nicht alle Eltern kommen damit klar. Aber so etwas würde ich dem Vater eines autistischen Kindes sicher nicht auf den Kopf zusagen. Man hätte das ja auch etwas diplomatischer formulieren können. Ich wollte aber keinen Streit mit den Eltern, denn ich weiß, dass es im Endeffekt nicht gut für Finn ist, wenn er dort nicht mehr willkommen ist. Und es kann ja sein, dass es sich nur um eine einmalige Angelegenheit handelt. Trotzdem: Von der viel beschworenen Toleranz in der modernen Gesellschaft bekomme ich manchmal nicht viel zu spüren. Meine Frau meinte, Cameron sollte eben beim nächsten Mal zu uns kommen und so werden wir das auch machen. Wie seht ihr das, liebe Leser? Bin ich hier zu empfindlich? Ich brauche nicht zu erklären, dass Finn untröstlich war, weil er nicht mit Josh zu Cameron gehen konnte, und ich nicht wusste wie ich ihm das erklären sollte.

Leider gab es am Freitag der vorletzten Woche noch einen unangenehmen Zwischenfall. Für Freitag hatte Finn sich mit seinem Freund Steve verabredet. Sue hatte mindestens eine Woche vorher mit seiner Mutter abgemacht, dass Finn zu Besuch kommen könnte. Die ganze Woche lang sprach Finn von nichts anderem als dem Besuch am Freitag. Leider hatte Steves Mutter vergessen, dass am Freitag nach dem Unterricht eine Filmvorführung in der Schule stattfand, die ihre Kinder natürlich gerne besuchen wollten. Es kam wie es kommen musste. Am Freitag nach der Schule wollte sich Finn mit Steves Mutter und ihren Kids auf den Weg machen, als ihr einfiel, dass sie ja wegen der Filmvorführung gar keine Zeit hatte. Finn war völlig verstört und meine Frau meinte, es hätte fast eine Stunde gedauert bis er sich wieder beruhigt hatte. Als Sue mir am Abend die Geschichte erzählte, ging ich vor Wut an die Decke. Aber es bringt wenig, sich mit anderen Eltern anzulegen, weil das meist nur dazu führt, dass Finn dort gar nicht mehr hingehen kann. Also schluckte ich meinen Ärger herunter. Und siehe da, diesen Freitag wurde der Besuch nachgeholt, Finn und ich waren überglücklich und ich war froh, dass ich nichts gesagt hatte.

Dabei ist es nicht so, dass ich darauf poche alle Eltern müssten immer und jederzeit Finn empfangen. Wir haben zum Beispiel eine Freundin namens Claire, der es auch nicht immer Recht ist, dass Finn und Josh zusammen kommen, aber sie bringt das meistens recht diplomatisch rüber (und mäkelt nicht an Finns Verhalten herum). An anderen Tagen ist es völlig in Ordnung, wenn Finn und Josh beide kommen. Naja, ich bin eben Finns Vater und Menschen, die an Finns Verhalten Anstoß nehmen, haben sowieso bei mir keinen Stein im Brett.

Ich habe im Moment wieder sehr viel zu tun, und aufgrund der Krankheit letzte Woche, gerieten meine Pläne etwas durcheinander, so dass ich auch ziemlich viel am Wochenende arbeiten musste. Meine Frau hat schon Ferien (Lehrer!) und deswegen verbringt sie momentan mehr Zeit mit den Kids. Auch am Wochenende war volles Programm angesagt und deswegen hat Sue es auf sich genommen, mit den Jungs etwas zu unternehmen. Am Samstag war dies ein Picknick im Park und am Sonntag ein Ausflug in die Stadt. Josh hatte übrigens von Samstag auf Sonntag einen Sleep-Over bei seinem Freund Sam. Ich war am Samstag gegen 23.30 Uhr todmüde ins Bett gefallen und wachte um 3 Uhr auf, nur um mich daran zu erinnern, dass mein Computer noch eingeschaltet war. Bei dieser Gelegenheit rauchte ich eine Zigarette, und als ich wieder nach oben ging, warf ich wie jeden Abend einen Blick in das Zimmer der Jungs. Ich erschrak mich zu Tode als ich Josh nicht in seinem Bett vorfand. Ich checkte unser Ehebett, aber dort war er auch nicht. Plötzlich dachte ich an die kleine Britin Madeleine McCann, die im Urlaub aus ihrem Hotelbett entführt worden war (darüber hatte ich nämlich einige Artikel geschrieben). Panisch weckte ich meine Frau auf, die mich ganz verwirrt anschaute: „Spinn nicht rum, Josh übernachtet doch bei Sam heute.“ Mir fiel es plötzlich wie Schuppen von den Augen, und ich fühlte mich unendlich alt ...

Übrigens ist das Hundethema im Moment wieder vom Tisch, dafür ist das Teenager-Thema akut. Josh träumt schon eine Weile davon, was er alles machen wird, wenn er endlich ein Teenager ist. Spät ins Bett gehen, alle möglichen Filme schauen, die er jetzt noch nicht schauen darf, Alkohol trinken und so weiter. Jetzt ist der Virus auch auf Finn übergesprungen. Gestern Abend saß ich um 21.30 Uhr am Schreibtisch und Finn kam ins Arbeitszimmer: „Dad, ich kann nicht schlafen. Legst du dich eine Weile zu mir aufs Bett?“
„Ja gleich, aber du musst auch schon alleine versuchen einzuschlafen, denn es ist schon spät.“
„Aber Dad, ich bin doch schon fast ein Teenager und kann jetzt auch später ins Bett gehen, oder?“

Ich wünsche euch allen eine tolle Woche!

Viele Grüße von der Themse,

Frank

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Tagebuch Frank H. Diebel

Frank H. Diebel
Alter: 44 Jahre
Wohnort: London
Beruf: Journalist
Familienstand: verheiratet
Geburtstag Kind: Finn: 23.10.00; Josh: 2.9.02
Letzter Eintrag: 19.12.2011

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