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Sorgerecht: Verfassungsgericht urteilt für unverheiratete Väter - Neuregelung in Sicht


Sorgerecht: Verfassungsgericht urteilt für unverheiratete VäterBild: fotolia - jaren wicklund

Das Bundesverfassungsgericht hat unverheiratete Väter mit seinem Urteil im August 2010 im Ringen ums Sorgerecht gestärkt. Die Richter legten fest, dass ab sofort im Streitfall ein Gericht entscheiden muss, ob ein vom Vater beantragtes alleiniges oder teilweises Sorgerecht im Interesse des Kindes sei. Das Recht unverheirateter Mütter, mit einfachem Veto das Sorgerecht des Vaters zu verhindern, ist Vergangenheit. Die eigentlich schon für Herbst 2010 angekündigte Neuregelung ist jetzt auf dem parlamentarischen Weg: Das Bundeskabinett hat sich im Juli 2012 auf einen Gesetzentwurf geeinigt.

In Deutschland kommt jedes dritte Kind unehelich zur Welt, in Ostdeutschland sind es fast 60%. 219.000 Kinder waren das 2008. Doch wenn die Eltern keine Sorgerechtsvereinbarung getroffen haben, bekommt die Mutter automatisch das Sorgerecht. Und konnte bisher mit einem einfachen "Nein" verhindern, dass es zwischen Mutter und Vater geteilt wird, wie bei geschiedenen Paaren üblich. Diese Praxis widerspricht dem Grundgesetz, urteilte nun das Verfassungsgericht.

Neuregelung vom Kabinett beschlossen

Statt der bisherigen Regelung ordneten die Richter an, dass auf Antrag des ledigen Vaters ein Familiengericht das Sorgerecht teilen oder ganz auf den Vater übertragen könne. Dabei stehe das Wohl des Kindes im Vordergrund. Elternverbände und der "Väteraufbruch" befürchten eine Prozessflut. Die Grünen forderten eine schnelle gesetzliche Neuregelung.

Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) begrüßte in einer ersten Reaktion die Entscheidung zum Sorgerecht für Väter. Bis zur Billigung ihres Gesetzentwurfs durch das Bundeskabinett vergingen jedoch zwei Jahre.

Bereits Juli 2010 war bekannt geworden, dass an einer Neuregelung gearbeitet werde. Mehrere Medien berichteten, ein Gesetzentwurf, der ledigen Vätern grundsätzlich das Sorgerecht einräume, solle im Herbst 2010 auf den parlamentarischen Weg gebracht werden. Familienpolitische Sprecher der Koalitionsparteien haben jedoch noch recht unterschiedliche Vorstellungen zur geplanten Neuordnung. So kritisierte die CSU-Familienexpertin Dorothee Bär, die Rechtssprechung höhle die Institution Ehe immer mehr aus.

Interessant ist für betroffene Väter im Moment, dass das geplante Gesetz eine Bestimmung für sog. "Altfälle" (d.h. für ledige Väter, deren Kinder vor Inkrafttreten der Neuregelung geboren wurden) enthält. Damit soll eine drohende Prozessflut vermieden werden.

Hickhack um neuen Gesetzentwurf

Im April 2012 legte Justizministerin Leutheusser-Schnarrenberger einen seit 2010 angekündigten Referentenentwurf vor, der weitgehend in den Gesetzentwurf übernommen wurde. Demnach soll der ledige Vater (seltener die Mutter) zunächst beim Jugendamt das gemeinsame Sorgerecht beantragen. Ist keine Einigung mit dem Ex-Partner möglich, ist wie bisher das Familiengericht zuständig. Dann findet ein ganz normaler Prozess mit Anhörung aller Beteiligten statt. Wenn die Mutter schweigt, reicht das schriftliche - und in der Regel weit schnellere - Verfahren aus.

Außerdem soll eine gerichtliche Prüfung erst in Gang gesetzt werden, wenn sie wirklich nötig ist. Das ist der Fall, wenn Gründe vorgetragen werden, nach denen das Kindeswohl in Gefahr ist. Was das Kindeswohl ist hat jedoch noch niemand wirklich definieren können, daher wird auch hier viel Spielraum für die Entscheidung des einzelnen Richters sein. Negative Erfahrungen mit früheren Partnern oder "ich weiß ja nicht, wie lange das mit ihm gut geht" soll jedoch kein hinreichender Grund sein.

Nach dem Spruch des Bundesverfassungsgerichts entspricht die gemeinsame elterliche Sorge dem Bedürfnis des Kindes nach Beziehung zu beiden Elternteilen.

Der konkrete Fall

Im konkreten Fall war der unverheiratete Vater eines 1998 geborenen Sohnes bis vor das oberste deutsche Gericht gezogen, weil ihm das Sorgerecht nicht zugestanden wurde. Zunächst hatte ein Familiengericht seinen entsprechenden Antrag abgelehnt, weil die Mutter ihre Zustimmung verweigerte. Auch eine Beschwerde des Vaters beim Oberlandesgericht gegen das Urteil blieb erfolglos.

Das Bundesverfassungsgericht stellte in seinem Urteil fest, der Automatismus, mit dem das Sorgerecht bei unverheirateten Eltern immer zunächst auf die Mutter übertragen werde, sei nicht verfassungsgemäß. Es greife unverhältnismäßig in das Elternrecht des Vaters ein, wenn er generell von der Sorgetragung für sein Kind ausgeschlossen sei, sobald die Mutter des Kindes ihre Zustimmung verweigere. Dem Vater müsse die Möglichkeit eingeräumt werden, die Übertragung gerichtlich überprüfen zu lassen. Dabei stehe das Wohl des Kindes im Mittelpunkt.

Der beanstandete BGB-Paragraf

Die beanstandete Regelung stammt aus dem BGB, Paragraf 1626a. Sie war erst 1998 eingeführt worden. Dort heißt es:

"(1) Sind die Eltern bei der Geburt des Kindes nicht miteinander verheiratet, so steht ihnen die elterliche Sorge dann gemeinsam zu, wenn sie 1. erklären, dass sie die Sorge gemeinsam übernehmen wollten, oder 2. einander heiraten. (2) Im Übrigen hat die Mutter die elterliche Sorge."

Das Urteil stellt auch für die Rechtssprechung des Bundesverfassungsgerichts eine Kurskorrektur dar. Im Jahr 2003 hatten die Karlsruher Richter in einem ähnlich gelagerten Fall noch die verfassungskonformität der BGB-Regelung bescheinigt. In ihrer Begründung erläuterten die Richter nun, dass nur knapp die Hälfte der Eltern die Möglichkeit eines gemeinsamen Sorgerechts nutze. Das läge daran, dass viele Mütter ihre Zustimmung zum Teilen des Sorgerechts verweigerten. Nach einer 2006 bei den Jugendämtern durchgeführten Befragung hätten 80% der Mütter als Grund gegen ein geteiltes Sorgerecht angegeben, sie wollten lieber "allein entscheiden" oder "nichts mehr mit dem Vater zu tun haben". Der Gesetzgeber habe dies bei der Formulierung des BGB-Paragrafen nicht so vorausgesehen.

Schon im Dezember 2009 hatte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte gerügt, das deutsche Sorgerecht diskriminiere Väter und verstoße damit gegen die Europäische Menschenrechtskonvention.

Karsten Knigge, August 2010
Letzte Aktualisierung: Juli 2012

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