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"Der Knackpunkt ist die Sauberkeit" - was Väter am Familienalltag nervt


Interview - Drei Väter geben Auskunft zu Familie und Beruf

Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist ein Dauerbrenner. In den Medien, in manchen Betrieben und vor allem für die Eltern. Väterzeit wollte wissen: Wie steuern junge Paare das Projekt Familie, wie handeln sie aus, wer wofür zuständig ist? Und ist die Belastung über Betreuung, Putzen und Beruf gleich verteilt? Ein ausgiebiges und cholesterinreiches Frühstück mit drei jungen Vätern förderte ein erstaunlich partnerschaftliches Verhalten im Alltag zutage.

Drei Männer sitzen am Küchentisch und schauen erwartungsvoll auf Rührei, Würstchen und geratenen Bacon. Die Kaffeemaschine blubbert und der Orangensaft ist eingeschenkt. Das Mikrofon steht unauffällig in der Mitte. Sobald das erste Brötchen geschmiert ist, stelle ich meine Fragen.

Erwerbsarbeit ist Männersache, Kinderbetreuung auch


Wie habt ihr die Kinderbetreuung organisiert?

Benjamin: Unser Sohn, zwei Jahre, ist seit fast einem Jahr bei einer Tagesmutter. Ich stehe etwa um 6.30 mit ihm auf und bringe ihn gegen 8 Uhr zu seiner Kindergruppe. Selten wird es etwas später. Um 9 Uhr kann ich meist am Schreibtisch sitzen. Oft arbeite ich aber auch von Zuhause aus. Nachmittags wechseln wir uns mit der Betreuung ab.

Philipp: Unser Sohn ist bei der gleichen Tagesmutter. Meine Frau bringt und holt ihn mit dem Fahrrad - das ist echtes Fitnesstraining, denn eine Strecke dauert etwa eine halbe Stunde. Die Nachmittage haben wir uns aufgeteilt, sie zwei, ich zwei.

Benjamin: Am Wochenende will mein Sohn immer mit zum Bäcker. Er ist damit schon mal draußen gewesen an der frischen Luft. Meist macht mir der gemeinsame frühe Ausflug wirklich Spaß. Meine Frau kann dann noch im Bett bleiben. Wenigstens einmal im Monat würde ich gerne tauschen, aber im Moment hängt mein Sohn ein bisschen mehr an mir.

Holger: Ich nehme meine Tochter morgens auf dem Weg zur Arbeit mit in den Kindergarten. Da habe ich dann allerdings wenig Zeit, das Abschiedsritual fällt eher kurz aus. Abends haben wir die Ins-Bett-Bring-Zeremonie aufgeteilt, meine Frau singt einmal etwas, am nächsten Tag lese ich vor. Ansonsten ist sie meist zuständig, weil ich tagsüber an der Arbeit bin.

Für die Erwerbsarbeit seid ihr momentan ganz klassisch allein zuständig?

Philipp: Ääh, ja. Das Geldverdienen hängt an mir, weil ich eben berufstätig bin und sie noch studiert. Ich arbeite gern, habe eine Dreiviertel-Stelle. Wir leisten uns nicht viel, es bleibt aber auch kaum etwas übrig. Ein Urlaub ist immer drin. Aber ein dickes Auto wollen wir nicht haben. Da ist mir die Zeit mit Gerd, meinem Sohn, wichtiger.

Du hast also für Dein Kind auf Karriere verzichtet?

Philipp: Für Kind und Frau. Ich will ihr ermöglichen, dass sie ihr Studium beenden kann.

Ist Deine Frau im Gegenzug mehr für Euren Sohn zuständig?

Philipp: Als Lehrer kann ich mir die Nachmittage und Abende recht flexibel einteilen. Während des Referendariats, als ich Vollzeit tätig war, war die Belastung schon sehr hoch. Das kann ich jetzt besser organisieren.

Holger: Ich war ein halbes Jahr für unseren Sohn in Elternzeit. Für meine Tochter ging das nicht, weil ich da erst gerade mit dem Job angefangen hatte. Meine Frau war mit ihrer Arbeit nicht so zufrieden, deshalb ist sie auch sehr froh, mal eine Weile für die Kinder auszusteigen. Insofern haben wir momentan eine ziemlich klassische Rollenaufteilung.

Wie habt ihr die Betreuungsarbeit untereinander aufgeteilt?

Philipp: Das ist ziemlich ausgewogen. Jetzt hat sie ein Chorwochenende, da verbringe ich mehr Zeit mit Gerd. Dafür habe ich aber auch immer wieder eine Fortbildung oder Konferenzen, dann ist sie für ihn zuständig. Ich kriege auf keinen Fall zuwenig mit von meinem Sohn. Aber ich kann nicht im Sommer mit Kind und Aperol Sprizz im Garten sitzen, wenn ich Klausuren korrigieren muss.

Benjamin: Ich sehe unsere beiden noch laufenden Promotionen als Familienprojekt. Wenn ich mehr mit unserem Sohn Henry zusammen bin, kann meine Frau mehr für ihre Promotion arbeiten. Das kommt letztlich uns allen zugute. Damit habe ich aber kein Problem. Ich habe ja auch nichts davon, wenn ich ein halbes Jahr früher fertig bin, sie dafür aber erst später.

Holger: Ich würde schon gern mehr von meinen Kindern mitkriegen, nicht nur den Basteltag im Kindergarten. Glücklicherweise habe ich keine langen Fahrzeiten, bin also fast immer vor 18 Uhr zuhause. Im Sommer ist dann noch ein Gang auf den Spielplatz drin oder zumindest ein gemeinsames Abendessen. Meist mache ich dann was mit meiner Tochter, spielen, puzzeln, lesen, bevor es dann ins Bett geht.

Streitpunkt Wischlappen


Strittig sind bei den Paaren offenbar weniger die Erziehungsthemen. Das überrascht mich, wurde doch noch vor wenigen Jahren in fast allen Umfragen der unterschiedliche Umgang mit dem Kind als Hauptstreitpunkt dargestellt. Der direkte Kontakt mit Schrubber und Spüli scheint heute der wesentliche Knackpunkt zu sein.
Also mal konkret: wie sieht es mit dem Putzen aus?

Benjamin: Da haben wir ganz unterschiedliche Standards. Meiner Frau fällt es nach einer Woche auf, dass es schmutzig ist. Mir vielleicht nach drei Wochen. Dann putze ich auch gerne, weil ich den Nutzen sehe und mich freue, wenn es wieder sauber ist.

Sie fordert mich auf, die Wohnung zu saugen. Aber ich muss ja auch arbeiten, selbst wenn's von zuhause aus ist. Die Zeit will ich dann nicht für den Hausputz nutzen.

Holger: Wir haben uns ganz pragmatisch für eine Putzfrau entschieden. Die kommt einmal in der Woche für zwei Stunden. Ich verdiene so viel, dass wir uns das leisten können. Und meine Frau ist froh, dass sie dann ganz in Ruhe etwas mit dem Kleinen machen kann und der ihr nicht beim Putzen zwischen den Beinen herumläuft.

Philipp: Wir machen das oft zusammen am Wochenende. Das ist nicht gerade die reine Freude, weil man da ja auch was Schönes machen will. Oft bin ich kaputt davon, die Dinge zu erledigen, die unter der Woche liegen geblieben sind.

Welche Hausarbeiten erledigt ihr gerne?

Holger: Ganz ehrlich: nichts. Bis auf kochen. Aber auch nur, wenn ich Muße habe. Dann suche ich Rezepte aus, gehe auf den Markt zum Einkaufen, schnippele mit den Kindern das Gemüse und so. Da geht schon einiges gemeinsam und macht auch Spaß. Ansonsten übernehme ich eher Kleinkram, mal das Waschbecken wischen, auch mal Staubsaugen. Und natürlich den Papierkram mit Steuer und Versicherungen, auch das Auto ist mein Metier. Meine Frau und ich meinen beide, es ist wichtiger, dass ich abends was mit den Kindern mache als die Wäsche aufzuhängen.

Benjamin: Meine Frau ist eher im Zentrum unseres Heimes aktiv, sie macht die Wäsche, bügelt und putzt häufiger. Ich bin eher im Garten, grabe das Land um, füttere die Hühner, mache das Gehege sauber, oder bin in der Scheune. Also eher im Außenbereich.

Philipp: Wir wohnen seit fünf Jahren zusammen. Da mussten wir uns auch schon früher zusammenraufen. Sauberkeit ist stärker das Thema von meiner Frau. Ich koche häufiger, kaufe ein, das mache ich auch gerne. Und mein Zimmer ist natürlich mein Bereich.

Führt das zu schlechtem Gewissen?

Benjamin: Schon so ein bisschen. Es ist ja nicht so, dass ich nicht waschen oder spülen kann, das habe ich ja auch erledigt, als ich allein gewohnt habe. Dabei ist das schlechte Gewissen unnötig, denn insgesamt macht jeder von uns etwa die Hälfte, nur eben lieber in unterschiedlichen Bereichen.

Philipp: Wir haben uns hingesetzt und ausgerechnet, welche Tätigkeiten wie viel Zeit brauchen. Dann haben wir aufgeteilt, wer was erledigt. Beide haben auch ungeliebte Tätigkeiten übernommen, aber zeitlich kommen wir auf 50:50. Das musste sein, weil wir beide das Gefühl hatten, wir verausgaben uns und sind nicht zufrieden. Das wurde dann dem anderen vorgeworfen und der Ehekrach war da. Das wollten wir nicht mehr.

Holger: Bei mir nicht. Wir haben unsere Aufteilung und das läuft. Wenn der Kleine in den Kindergarten geht, will meine Frau wieder anfangen zu arbeiten. Dann müssen wir das neu verhandeln.

Die Frau sagt, wo es lang geht. Meistens...


Die jungen Väter machen viel im Haushalt, beschäftigen sich mit dem Kind, sind fürs Geldverdienen zuständig. Trotzdem scheint die Frau die Chefin zu sein, die im Haus die Standards bestimmt. Über diese Erkenntnis sind sie erst einmal leicht schockiert. Es dauert etwas, bis das Gespräch wieder in Gang kommt.
Wie kommt ihr mit diesen unterschiedlichen Ansprüchen klar?

Philipp: Für mich bedeutet Ehe, dass es nicht einen Chef gibt, der sagt, was zu tun ist, sondern dass man gemeinsam herausfindet, wie der Haushalt laufen soll. Eigentlich soll das gleichberechtigt sein. Meine Frau hat allerdings kein Problem mit der Chefinnen-Rolle.

Benjamin: Chefin, das will ich natürlich nicht. Das geht auch ein bisschen gegen meine Ehre. Vielleicht reagiere ich aber auch flexibler auf die Ansprüche und Anforderungen als sie.

Philipp: Wenn beide glauben, sie machen alles, dann sind sie überfordert. Für die Erwerbsarbeit gibt es Geld und Anerkennung, für die Hausarbeit gibt es keine Belohnung. Davon profitiere ich nicht emotional. Deshalb macht mir das keinen Spaß.

Holger: Meine Frau sagt, dass es für sie eine Entlastung ist, dass ich die Kinder nehme, wenn ich nach Hause komme. Wäsche aufhängen bedeutet für sie dann eine Ruhezeit, ohne dass dauernd jemand etwas von ihr will, ohne dauerndes Gequassel. Sie ist halt tagsüber zuhause, deshalb ist das o.k., wenn sie da eher das Sagen hat.

Auftanken, Ruhe finden - das ist auch für Väter wichtig. Gerade, wenn sie ein anderes Rollenmodell leben und sich stark in der Familie engagieren. Allerdings ist das räumlich wie zeitlich nur schwer möglich.

Welchen Raum habt ihr für euch?

Holger: Wir haben eine Vier-Zimmer-Wohnung, da habe ich jetzt noch ein eigenes kleines Zimmer. Da steht meine Anlage, da höre ich mit Kopfhörern Musik. Aber nächstes Jahr braucht auch der Sohn ein eigenes Zimmer, dann werde ich das aufgeben müssen.

Benjamin: Mein Raum ist der Schuppen. Da sieht es meist etwas chaotisch aus. Es ist aber eher eine Notlösung, denn wir wohnen in einer Zwei-Zimmer-Wohnung, recht beengt aber glücklich. Ich träume von einem eigenen Zimmer.

Philipp: Mein Arbeitszimmer ist ebenfalls total unaufgeräumt. Da redet mir meine Frau auch nicht rein. Das ist mein Rückzugsraum, aber da steht auch der Computer, der ist auch für die Erwerbsarbeit da. Einen reinen Freizeitraum für mich gibt es nicht.


Was fehlt: Zeit allein, Zeit zu zweit


Habt ihr genug Zeit für euch selbst?

Benjamin: Oft denke ich, es müsste doch möglich sein, abends eine Viertelstunde einfach nur ruhig da zu sitzen. Das klappt aber nicht. Denn wenn mein Sohn endlich schläft - momentan bringe ich ihn ins Bett - dann habe ich so viele Ideen und Tatkraft, bin aber auch müde.

Philipp: Das kenne ich gut, das Gefühl, nie richtig Feierabend zu haben. Als Lehrer kann ich zwar flexibel mit der Zeit umgehen, den Unterricht z.B. abends vorbereiten, aber das hängt immer wie ein Damokles-Schwert über mir. So richtig abschalten kann ich dann nicht.

Holger: Da habe ich den Vorteil, dass ich zwar an Projekten arbeite, aber nur selten solchen Druck habe, dass Überstunden anfallen oder ich innerlich nicht Schluss machen kann. Ich kann die Arbeit ganz gut im Büro lassen. So eine halbe Stunde zum Entspannen kriege ich eigentlich immer ganz gut hin.

Und die Zeit zu zweit?

Benjamin: Ist zu selten. Und hat sich auch geändert durch unser Kind. Die Themen kreisen viel mehr um Nachwuchs und Tagesorganisation als um uns. Abends springen wir nicht beide aufs Sofa, das ist schade.

Holger: So richtig gibt es die nur, wenn die Großeltern mal da sind und sich um die Kinder kümmern. Oder sie mal für ein Wochenende nehmen und meine Frau und ich zusammen wegfahren. Sonst ist mehr als ein bisschen kuscheln abends kaum drin.

Philipp: Wichtig ist ja die Wertschätzung für das, was der andere macht. Wenn die vorhanden ist, hat man auch Lust, zusammen zu sitzen oder einen Film anzuschauen. Aber Lust auf mehr habe ich auf alle Fälle.

Das Gespräch führte Ralf Ruhl

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