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Betriebsleitung: Neue Väter führen anders


Betriebsleitung: Neue Väter führen andersBild: Polarstern

Die neue Vätergeneration fühlt sich für ihre Kinder stärker verantwortlich als jede Generation vor ihnen. Das macht sich auch in den Betrieben bemerkbar: Eine neue Führungskultur entsteht, die von gegenseitigem Verständnis geprägt ist. Zum Wohl der Väter, der Kinder, der Mütter und der Betriebe. Ein Beispiel aus Süddeutschland.

Als Florian Henle zum ersten Mal Vater wurde, befand er sich mitten in der Unternehmensgründung. Zusammen mit zwei Freunden baute er Polarstern auf, den ersten gemeinwohlorientierten Energieversorger in Deutschland. Seine Gedanken und persönlichen Veränderungen in dieser Zeit beeinflussten sowohl die Gestaltung des neuen Unternehmens, als auch sein Führungsverhalten. Für ihn haben die Unternehmensführung und die Kindererziehung viele Gemeinsamkeiten: „Ich denke, Väter sind tendenziell offener und toleranter für andere, neue Wege und für Planänderungen. Sie sind aber auch konsequenter, wenn ihr Vertrauen enttäuscht oder Freiheiten ausgenutzt werden.“

Arbeiten für die Zukunft


Bei Florian Henle prägen das wachsende Verantwortungsgefühl sowie die Gedanken an die eigene Zukunft und die des Nachwuchses das eigene Tun. Das gilt für den alltäglichen Umgang mit Kollegen, Mitarbeitern und Kunden und geht bis hin zu strategischen Fragestellungen. Neben kurzfristigen finanziellen Erfolgszielen geht es immer auch um Werte und Anforderungen aus sozialer und ökologischer Sicht. Wie diese Kriterien jeweils gewichtet werden ist stark vom persönlichen Hintergrund beeinflusst.

Mit der Zeit etwas Sinnvolles machen


Als er den Ökoenergieversorger Polarstern mitgründete, war Florian Henle und seinen Mitgründern eine gemeinwohlorientierte Ausrichtung wichtig: „Wenn ich schon so viel Zeit im Job verbringe, dann will ich in dieser Zeit doch etwas Sinnvolles machen“, betont er. „Ich lebe für ein Leben in Freiheit. Ein Leben, in dem ich auch in zwanzig Jahren noch im Biergarten sitzen und ein kühles Helles mit meinen Söhnen trinken kann. Dann, wenn nachhaltiges Denken endlich kurzfristiges Gewinnstreben abgelöst hat und meine Söhne Wörter wie ‚Laufzeitverlängerung’ und ‚Brückentechnologie’ nur noch aus dem Geschichtsbuch kennen.“

Mehr Verständnis für Mitarbeiter


Wer selbst Kinder hat, dem fällt es oft leichter, die Wünsche der Kollegen und Mitarbeiter zu antizipieren. Norman Elmers, Mitarbeiter bei Polarstern, sieht definitiv einen großen Vorteil darin, als junger Vater einen ebenfalls jungen Vater zum Chef zu haben. „Es verbessert auf beiden Seiten das gegenseitige Verständnis für die jeweilige Situation. Führungskräfte und Angestellte ohne Kinder können noch so empathisch sein, die letzten paar Prozent Verständnis fehlen einfach.“ Ähnliche Erfahrungen hat Melissa Michel gemacht, Teamassistentin bei Polarstern: „Chefs mit Kindern kennen die Herausforderung, die ein Alltag mit Kindern mit sich bringt. Sie haben sehr viel Verständnis bezüglich Teilzeit und flexiblen Arbeitszeiten.“

Mehr Kompromisse im Alltag möglich


Ein Wunschkonzert könne es trotz allen Verständnisses nicht sein, aber es gebe in der Regel viel mehr Möglichkeiten, als man sich gemeinhin vorstellt, betont Florian Henle. Diese Lösungen gelte es auszuloten. Vor allem individuell zugeschnittene Arbeitszeitregelungen sieht er als zielführend. Nicht jede Tätigkeit erlaube jedoch das gleiche Maß an zeitlicher Flexibilität. Im Kundendienst beispielsweise müssten die klassischen Öffnungszeiten eingehalten werden.

Je mehr Mitarbeiter flexible Arbeitszeiten haben, umso schwieriger ist es, Meetings zu terminieren oder sich spontan zusammenzusetzen. Auch ist der direkte Austausch oft deutlich effektiver und effizienter als eine Textnachricht oder ein Anruf, bei dem immer nur ein Teil der Kommunikation transportiert wird. Man bekommt einfach mehr mit, wenn man vor Ort ist – über die eigenen Projekte hinaus und all das, was zwischen den Zeilen gesagt wird. Das persönliche Zusammensein, die kurzen Gespräche zwischendurch, stärken das Teamgefühl. Bei Polarstern gibt es aus diesen Gründen auch keine reinen Home-Office-Stellen, allerdings verschiedene „Teilzeit-Home-Office“-Lösungen.

Zeit wird wertvoller


Für Norman Elmers, der zwei Tage pro Woche im Büro und drei Tage aus dem Home-Office arbeitet, ist eine gute Planung sowohl privat, als auch beruflich der Knackpunkt: "Es ist eine große Erleichterung, wenn das eine Elternteil sich an seinen Arbeitstagen im Büro voll auf die Arbeit konzentrieren kann und nicht noch die Kinder von der Kita abholen muss."

Neben allem Verständnis für den Wunsch nach flexiblen Arbeitszeiten sei er gleichzeitig weniger verständnisvoll, wenn Arbeitszeit verplempert werde, erzählt Florian Henle. „Als Vater lernt man einmal mehr, sich selbst zu organisieren. Eltern sind nach meiner Erfahrung stark getaktet. Wenn dann jemand unnütze Meetings anberaumt, unvorbereitet ist oder unnötig ins Quatschen kommt, nervt mich das mehr als früher. Zeit wird wertvoller, weil man weniger hat.“

„Leading by example“


Mehrere Wochen oder Monate Elternzeit stellen Unternehmen vor große Herausforderungen. Stellvertreterpositionen gibt es fast nur in größeren Unternehmen. Und Neueinstellungen für eine begrenzte Zeit sind aufwändig, qualifizierte Bewerber schwer zu finden.

Umgekehrt kommen die meisten Mütter und Väter nach der Elternzeit hoch motiviert zurück. Sie sind voller Tatendrang und haben Lust, Familie und Beruf unter einen Hut zu bringen. Wer das versteht und kanalisiert, das heißt entsprechende Angebote schafft, der findet sehr engagierte Mitarbeiter. Norman Elmers sieht im Ansatz „Leading by example“ einen entscheidenden Punkt, um mehr Männer für die Elternzeit zu begeistern und zu ermutigen.

Anna Zipse

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