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06.02.2011 3. Woche
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Nackte Tatsachen

Pirate's Playhouse – Halo 3 – Alterbeschränkungen – Finn und Freundschaften – nackte Frauen: ja oder nein?
Heute (Sonntag) ist ein Tag voller Aktivitäten. Um 10 Uhr treffen wir uns mit Joshs Kumpel Sam und seinem Dad Olli in unserem Stammcafé Amandine in Victoria Park. Zunächst auf einen Latté und eine Lagebesprechung – was zu tun an diesem grauen Sonntag. Wolkenverhangene Sonntage sind natürlich nichts ungewöhnliches in London. Es ist auch sehr windig, aber mit 14 Grad frühlingshaft warm. Wer wetterfühlig ist, sollte nicht nach England ziehen, aber mir liegt das britische Wetter. Das Café ist winzig klein (zwei größere Tische und drei kleine), aber sehr gemütlich. Zunächst plaudern wir über die Ereignisse der vergangenen Woche. Olli ist Filmemacher und hat einige wichtige Meetings gehabt und bei mir hat sich ein neues Projekt aufgetan. Ich soll evtl. an der deutschen Ausgabe eines englischen Motorradmagazins arbeiten. Gute Nachrichten!

Die Kids spielen mit Ollis iPhone und Sams DS, und ich habe ein schlechtes Gewissen. Eigentlich sollen sie nur zu bestimmten Tageszeiten und an bestimmten Wochentagen mit ihren DS spielen, damit die Sache nicht aus den Fugen gerät. Aber wenn Finn und Josh Freunde treffen, wird es immer etwas schwierig mit diesen Regelungen. Nach einer langen Debatte entscheiden sich die Kids für Pirate’s Playhouse, einer der bereits erwähnten Londoner Indoor-Abenteuerspielplätze. Pirate’s Playhouse liegt im trendigen Nachbarstadtteil Stoke Newington. Ungefähr 20 Minuten Fahrt mit dem Auto. Olli kennt eine „Cabby Route“ (eine Taxifahrerroute, die ja bekanntlich immer die kürzesten Strecken kennen).

Pirate’s Playhouse ist gerammelt voll, wie jeden Sonntag. Das Geschrei ist ohrenbetäubend. Richtig entspannen kann man sich dort als Eltern nicht, weil es viel zu laut ist. Aber zumindest kann man eine Tasse Kaffee trinken und quatschen, ohne dauernd von den eigenen Kindern unterbrochen zu werden. Nach einer Stunde haben die Jungs die Nase voll, und wir gehen Fish & Chips essen. Anschließend spielen sie mit Olli im Park, und ich verziehe mich ins Café, um meinen Blogbeitrag zu schreiben.

Der Kindergeburtstag auf dem Finn und Josh letzten Sonntag waren (Sie erinnern sich: Schlittschuhlaufen) brachte übrigens Komplikationen mit sich. Der Grund: Finn und Josh durften dort Videospiele spielen, die hier in UK erst ab 16 Jahren freigegeben sind. Natürlich waren sie völlig aus dem Häuschen. Finn heulte auf der Heimfahrt. Er wolle nicht sieben Jahre warten bis er „Halo 3“ auch Zuhause spielen könne. Ich muss zugeben, dass ich etwas geschockt war. Aber ich sagte nichts zu den Eltern, denn sie sind sehr nett. Außerdem möchte ich, dass Finn und Josh mit ihren Kindern befreundet bleiben. Finn hat nämlich Schwierigkeiten damit, Freundschaften zu knüpfen. Während Josh praktisch auf Autopilot umschaltet, wenn er mit anderen Kindern zusammen ist, wirkt Finn oft ratlos und verwirrt. Er weiß nicht, wie er sich im Umgang mit anderen Kindern verhalten soll. Es ist herzzerreißend, das als Elternteil zu beobachten. Als Finn in die Schule kam, stand er oft achtlos neben den Anderen und schaute zu, wie sie plauderten, rauften und Fangen spielten. Er wusste nicht, wie er sich in die Gruppe einfügen sollte. Meiner Frau und mir standen jeden Morgen die Tränen in den Augen.

Wir hatten beide große Probleme mit dieser Situation, denn natürlich wollen alle Eltern, dass ihre Kinder Freunde haben. Es erinnerte mich außerdem an meine eigene Schulzeit. Ich selbst habe mit Gruppen Schwierigkeiten. Mich in eine Gruppe einzuordnen, fällt mir heute noch schwer. Ich bin einfach kein Teamplayer. Und ich war genau wie Finn auch oft derjenige, der mit anderen Schülern herumstand und verzweifelt dazugehören wollte, aber nicht wusste wie er es machen sollte. Die Schulpausen waren für mich am schlimmsten. Wie der Vater, so der Sohn: Während Finns erster Schuljahre sah ich ihn oft vor meinem geistigen Auge, wie er einsam und unglücklich auf dem Schulhof stand und betete, dass die Pause bald zu Ende war.

Mit dem Geburtstagskind von letzter Woche (Ethan) hat Finn etwas Freundschaft geschlossen und Josh mit seinem kleinen Bruder Cameron. Insofern möchte ich die Bande nicht wieder zerreißen und schluckte meine Bedenken wegen „Halo 3“ herunter.

Die Frage ist: Wie soll man es halten mit Altersbeschränkungen? Manche Altersbeschränkungen sind einfach nur dämlich, andere machen Sinn. Mit Filmen ist es genau das gleiche. Wir haben zum Beispiel einen Batman-Film mit Michael Keaton aus den 80er Jahren, der erst ab 16 freigeben ist. Wie bitte? Es ist und bleibt Batman und der Film ist wirklich nicht blutrünstig. Auch manche Star-Wars-Streifen sind hier erst ab 12 freigegeben. Ich halte das für Blödsinn. Solche Filme sind in meinen Augen weitgehend harmlos. Von diesen Ausnahmen abgesehen, halte ich mich meistens an die Altersbeschränkungen, insbesondere, wenn ich die Filme nicht kenne. Kenne ich den Inhalt aber, nehme ich mir das Recht heraus selbst zu entscheiden, was meine Kinder sehen dürfen und was nicht. Aber wie halten Sie das? Schauen Sie Horrorfilme mit Ihren Kindern? Oder sind Sie sehr vorsichtig? Glauben Sie, man kann durch Nachlässigkeit hier Kindern Schaden zufügen?

Und weil wir gerade beim Thema Vorsicht sind: Letzte Woche erwischte meine Frau Finn dabei, wie er sich nackte Mädchen auf You Tube anschaute. Finn bekam großen Ärger und meine Frau weinte bitterlich. Natürlich kann ich ihre Sorge nachvollziehen, aber ganz so dramatisch ist die Angelegenheit für mich nicht. Um ehrlich zu sein, halte ich es für durchaus natürlich, wenn ein zehnjähriger Junge sich fragt, wie Frauen ohne Klamotten aussehen. Ich kann mich gut erinnern, dass mich in diesem Alter ähnliche Gedanken umtrieben und wo ein Wille ist, da ist auch ein Weg. Natürlich dürfen Kinder mit zehn Jahren kein Hardcore sehen, aber Nacktheit ist ja an sich nichts schlimmes, oder?

Meine Frau sieht das ganz anders. Sie ist der Ansicht, Finn sei noch zu jung für den Anblick nackter Frauenkörper. In ihren Augen könnte ihm das großen seelischen Schaden zufügen. Ich muss zur Verteidigung meiner Frau allerdings dazu sagen, dass die Engländer was nackte Haut angeht, etwas prüder sind als die Deutschen. Eine Freikörperkultur an Großbritanniens Stränden gibt es zum Beispiel nicht (oder zumindest nicht in gleichem Maße). Es ist nicht immer einfach, hier einen Kompromiss zu finden. Wie sehen Sie das?

Nun ja, ich glaube ich habe jetzt genug kontroverse Themen angeschnitten und für diese Woche soll es gut sein.

Ich wünsche Ihnen eine tolle Woche!

Bye, bye

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Kommentare von Lesern:

 
Frank, London:
11.02.2011 11:00
Hallo,

vielen Dank für das positive Feedback. Es freut mich, dass euch meine Tagebucheinträge gefallen. Ich werde mich bemühen, es auch weiterhin interessant und spannend zu halten. Wobei ich sagen muss, es ist manchmal gar nicht leicht, so offen zu sein. Aber ein Tagebuch in dem man nicht offen ist, macht eigentlich keinen Sinn. Bitte schreibt auch weiterhin.

Gewalt in Filmen ist in der Tat ein größeres Problem als Nacktheit. Gewalt ist inzwischen ja ein allgegenwärtiges Phänomen auch in Filmen, die für Kinder geeignet sein sollen. Das Problem ist, dass viele Filme, die meinen Kindern (und mir) gefallen Gewaltszenen enthalten. Wie soll man sich da verhalten? Ich werde sicher darauf noch einmal zurückommen.

Viele Grüße nach Deutschland,

Frank
Klingone, Northeim:
08.02.2011 21:53
Gewaltszenen finde ich viel schlimmer als nackte Haut. Und lieber auf einem witzigen Youtube-Video sehen als in einem Porno, verdeckt auf dem Schulhof auf dem Handy von einem Klassenkameraden. Das kann eben niemand mehr kontrollieren. Wenn aber über Verbote und Schimpfe das Vertrauen zu den Eltern zerstört ist, wird er nichts mehr erzählen - auch nichts, was ihn vielleicht verstört oder gar belästigt. Und erst recht nicht, wenn er etwas wirklich geil findet. Das finde ich viel schädlicher als nackte Busen oder Schamhaar im zarten Alter der Präpubertät zu betrachten.
Volker kassel:
08.02.2011 21:07
Ich lasse meine Kids ausschließlich Filme (DVD) sehen, die ich kenne und einschätzen kann. Noch (und zu Hause) haut das gut hin. James Bond ist OK, viele FSK 12 dagegen nicht obwohl die auch schon über 12 sind. Vor allem versuche ich , mitzugucken. Klappt leider beim TV nicht, da haben wir feste Zeiten am Tag und ich kriege wenig mit, was geguckt wird (oft sind mir die Serien einfach zu blöd das muss ich mir nicht antun).
Bernd, Berlin:
08.02.2011 15:22
Hallo, Frank,
Danke für deine Tagebucheinträge. Du schilderst dein Leben sehr Lebendig. Ich finde es schön wie du von dir selbst schreibst und davon wie es war als du selbst ein Kind warst. Wenn du deiner Frau von dem Jungen erzählst der du selbst gewesen bist, dann fällt es ihr bestimmt auch leichter eure Jungs zu verstehen.
Ich war auch einmal ein 10jähriger Junge und ich finde es weder verwunderlich noch bedenklich dass sich der Kleine für nackte Körper interessiert. Ich glaube das es für alle Kinder wichtig und interessant ist nackte Menschen zu sehen. Ehrlich gesagt finde ich es sogar gesung, wenn die Kinder ein bischen von der Sexualität ihrer Eltern mitbekommen. Vielleicht wäre das Bedürfliss noch pornographischen Filmen und Internetseiten bei Jugendlichen geringer wenn Sex nicht derart vor den Kindern versteckt und tabuisiert würde, wie es heute häufig der Fall ist?
Was die Altersbeschränkung angeht: Da finde ich die Begleitung der Kinder am Wichtigsten. Die Kinder sollten die Möglichkeit haben nachzufragen, um das Gesehene dann besser einordnen zu können. Wenn sie es sich wirklich wünschen, dann dürfen meine Kinder auch schon mal einen Film ansehen, der für ihr Alter nicht freigegeben ist. Ich finde es so besser, als wenn sie es bei Freunden oder heimlich tun. Wenn ich den Film nicht kenne und ich nicht dabei bin dann dürfen sie auf jeden Fall nur das sehen, was für ihr Alter freigegeben ist.





Bea, Bremen:
08.02.2011 10:47
Hi, Frank,

toll dass Du Tagebuch schreibst - ich freue mich schon immer drauf und finde es super spannend mal von einem Mann zu hören, was er wirklich denkt.
Nun also nackte Frauen. Ich kann Deine Frau echt gut verstehen. Das muss ein sehr schräges Gefühl sein, wenn der eigene Sohn auf einmal nach erwachsenen Frauen schielt. Sehen Eure Söhne Euch denn mal nackt rum laufen? Das trägt sicher zu einem unverkrampfteren Umgang bei. Meine Jungs (habe drei) sind nun 14 , 12 und 5 und ich laufe nach dem Duschen schon mal nackt durch die Wohnung. Sicher wird es Deiner Frau auch helfen, wenn Du ihr von Dir früher erzählst und erklärst, dass das für Jungs ganz normal ist. Konntest Du denn mit Deinem Sohn danach drüber sprechen? Und auf was für Seiten sieht er sich die Frauen an. Da kann ja schnell mal was auftauchen, was dann doch nicht für 10-jährige geeignet ist. Da würde ich eher hingucken. Und es gibt ja auch die Computer, an denen man die SEiten, auf denen die Kinder surfen dürfen, vorher freigeben kann. So was ist mit Einsetzen der Pubertät echt wichtig, sonst landen die Kinder zu schnell und zu lange auf Seiten, die nicht geeignet sind.
Schreib weiter so offen, das tut wirklich gut!
Viele Grüße über den Teich, Bea
Gast, Göttingen:
07.02.2011 09:39
Ja das mit den Altersbeschränkungen finde ich auch in Deutschland um Teil sehr fragwürdig. Allerdings eher in Hinblick auf eine zu lasche Regelung. Man hat das Gefühl, sobald hier auch nur ansatzweise ein nackter Busen zu sehen ist, wird er mit FSK 16 gestempelt. Blutrünstige Tötungsszenen (z.B. Die Päpstin) oder andere äußerst spannende und gruselige Filme sind mal eben ab 12 freigegeben - und das seinem Kind verkaufen, dass man als Elternteil nicht möchte, dass es FIlme sieht, die für sein Alter schon freigegeben sind, ist dann ganz schön schwierig!

Tagebuch Frank H. Diebel

Frank H. Diebel
Alter: 44 Jahre
Wohnort: London
Beruf: Journalist
Familienstand: verheiratet
Geburtstag Kind: Finn: 23.10.00; Josh: 2.9.02
Letzter Eintrag: 19.12.2011

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