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Konsolen ändern Spielverhalten


Konsolen ändern SpielverhaltenBild: Frank-Heinz Diebel

Kein Kinderzimmer kommt heute mehr ohne Spielkonsole aus. Das war in der Kindheit der heutigen Väter noch vollkommen anders. Ein Vater reflektiert, wie Video und virtuelle Welten das Spielverhalten verändern.

"Ich bin dran! Ich bin dran! Du spielst schon die ganze Zeit!" Aus dem Wohnzimmer dringt lautes Heulen und Schreien. Eine Schar lärmender Kinder hüpft auf den Holzdielen herum und vollführt ekstatische Schüttelbewegungen mit den Armen. Nein, es ist nicht Aerobic für Kids oder Skigymnastik, sondern eine Wii-Konsole, die die Kleinen in ihren Bann gezogen hat. Super Mario und seine Kumpels rasen mit knallbunten Go-Karts auf einer virtuellen Minenbahn um die Wette. Szenen, die sich im 21. Jahrhundert in vielen Kinderzimmern Deutschlands abspielen.

Der Joystick in der Spielhalle


In meiner Jugendzeit waren Videospiele noch weitgehend auf Spielhallen und Pizzerias beschränkt. Dort drängte sich dann eine Gruppe neugieriger Kids um die Protagonisten - meist ältere Jungs, die mehr Geld hatten und Mopeds fuhren - am "Joystick". Anfang der 1980er Jahre kamen die ersten Videospielkonsolen für den Hausgebrauch auf den Markt - eine Offenbarung. So aufgeregt waren wir Kinder beim Anblick eines Atari-Geräts, das uns eine fast religiöse Ehrfurcht erfasste. In meinem Freundeskreis nannte nur ein einziger Nachbarsjunge ein solches elektronisches Meisterwerk sein Eigen. Sein Haus war der Treffpunkt für alle Kinder aus der Umgebung. Gespannt versammelten wir uns bei klassischen Spielen wie Space Invaders und Pac Man um das Gerät und starrten stundenlang auf einen Bildschirm auf dem im Prinzip recht wenig passierte.

Heute gehören Ausflüge in virtuelle Spielwelten zum täglich Brot. Keine Familie kommt mehr ohne Wii, DS, Playstation, XBox 360 und eine ganze Batterie von Videospielen aus. Der tägliche Small Talk meiner Söhne wird von Computerspielen bestimmt. Ging es in den Schulpausen der 1970er Jahre bei zeitgenössischen Quartettspielen noch um Atomsprengköpfe und PS-Boliden so dreht sich heute alles um Wii und Konsorten. Ganz klar: Das Rennen um die Gunst des Nachwuchses haben Videospiele für sich entschieden. Eine Industrie, die von Januar bis September 2010 allein in Deutschland 894 Millionen Euro umsetzte. Von solchen Summen konnten Spielzeughersteller in den 1970er und -80er Jahren nur träumen.

Der Wandel in den Kinderzimmern forderte seinen Tribut: Airfix schlidderte bereits 1981 in den Konkurs. Der Carrera-Gründer Hermann Neuhierl nahm sich 1985 das Leben, weil er den Niedergang seines Unternehmens nicht verkraften konnte. Märklin meldete im Februar 2009 Insolvenz für die Unternehmensstandorte in Deutschland an.
Playmobil und Graupner sind ebenfalls mit der Zeit gegangen und haben ihr Sortiment in regelmäßigen Abständen ausgebaut. Graupner hat zum Beispiel eine Junior Line aufgelegt: preiswerte ferngesteuerte Flugmodelle, -Boote und -Autos für den Nachwuchs. Playmobil ist jetzt außer mit Spielzeugfiguren zu "klassischen" Themen wie Ritter und Piraten auch mit Top-Agents a la James Bond und Schatzjägern a la Indiana Jones in den Spielzeugregalen vertreten. Wer zum Beispiel den Begriff "Top-Agenten" auf Google.de eingibt, wird sofort auf die Internetseite von Playmobil verwiesen.

Dem amerikanischen Spielzeughersteller Parker Brothers, der Trivial Pursuit, den Brettspielklassiker der 80er Jahre vertreibt, gelang der Sprung ins 21. Jahrhundert ebenfalls durch geschickte Erweiterung seines Repertoires. Inzwischen sind unter anderem eine Star Wars-, eine Disney- und eine Fußball-Edition von Trivial Pursuit erschienen.

Was der Vater mit den Söhnen spielt


Wie sich Spielzeughersteller der elektronischen Herausforderung stellen


Während sich elektrische Eisenbahn und Carrera im Todeskampf winden, klingeln bei Lego, Playmobil und Graupner weiterhin die Kassen. Der Grund: Sie sind mit der Zeit gegangen. Lego zum Beispiel gelang der einmalige Schachzug, sich in gewinnträchtigen virtuellen Weiten mit Videospielen wie Lego Star Wars, Lego Batman, Lego Indiana Jones oder Lego Harry Potter eine Nische zu erobern. Die Lego-Games erfreuen sich auch bei meinem Nachwuchs großer Beliebtheit. Aktuellster Coup der Dänen sind Lego-Gesellschaftsspiele. Natürlich hat der Spielzeughersteller auch noch die berühmten, bunten Kunststoffsteine im Programm. Unzählige Stunden verbrachten mein Bruder und ich beim lautstarken Durchwühlen unserer Holzkiste mit den Legosteinen - ein vertrautes Geräusch, das noch heute aus den Zimmern meiner Kinder ertönt.

Abrüstung im Kinderzimmer


In Kinderzimmern wurde außerdem seit den 1970er Jahren nachhaltig abgerüstet: Zündblättchen- und andere Schreckschusswaffen, die in meiner Jugendzeit ein Renner waren, sind fast völlig aus den Regalen verschwunden. Kriegsspielzeug (Ausnahme: Videospiele) ist heutzutage weitgehend verpönt. Das war früher anders: Nie werde ich das Weihnachtsfest 1975 vergessen als die langersehnte Zündblättchen-Winchester hinter dem lamettageschmückten Baum hervorlugte. Meinen Kindern würde eine solche Spielzugwaffe nur noch ein müdes Lächeln entlocken.

Auch Brett- oder Kartenspiele - von Trivial Pursuit einmal abgesehen - sind weitgehend aus den Kinderzimmern verschwunden. Schach, Dame, Mensch-Ärgere-Dich nicht oder Quartett kennen viele Kids heute nur noch vom Hörensagen. Das Spielen mit "traditionellen" Spielsachen, wie es in den US-Zeichentrickfilmen "Toy Story I, II, & III" so anrührend dargestellt wird, gehört der Vergangenheit an. Solche Spielsachen finden vor allem als Merchandise-Produkte Anklang, das heißt erst kommt der Kinofilm und dann die den Hauptcharakteren nachempfundenen Actionfiguren.

Was der Vater mit den Söhnen spielt


Die Welt des Spielzeugs hat sich verändert, aber eines ist unverändert geblieben: Die kindliche Freude und Aufregung bei abenteuerlichen "Spiel-Reisen" rund um die Welt der Fantasie - ob nun am Wii oder mit der Zündblättchen-Winchester. Und was spielt der Vater, der in den 70er Jahren aufgewachsen ist, mit den Kids von heute? Um ehrlich zu sein, spiele ich allenfalls Memory und Trivial Pursuit Star Wars (mit "Star Wars" kenne ich mich aus - meine Ära) mit den Jungs. Videospiele liegen mir nicht. Sprich: Der Nachwuchs hat seinen eigenen virtuellen Freiraum, der natürlich von mir überwacht wird. Von der Kontrollfunktion abgesehen, soll ich außerdem möglichst oft zuschauen und dann erklären die Jungs mir weitschweifig, welcher fahrbare Untersatz bei Mario Karts am schnellsten ist und wie Spiderman Doc Ock aufs Kreuz legt. Befreundete Väter sind in den elektronischen Weiten besser zuhause und verbringen Stunden mit ihrem Nachwuchs im eifrigen Wettstreit an den Konsolen. Da kochen die Gemüter gelegentlich über und Mami muss schlichtend eingreifen, damit sich Papas und Söhne nicht in die Haare bekommen.


Frank-Heinz Diebel

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