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"Tagesväter brauchen ein starkes Profil"


„Tagesväter brauchen ein starkes Profil“Bild: Valentin Mosichev - Fotolia.com

Wer Tagesvater werden will, hat mit althergebrachten Vorurteilen zu kämpfen. Dabei haben sie viel zu bieten. Im Interview erklärt Ute Krüger, Geschäftsführerin des Vereins Kindertagespflege Göttingen, was Eltern suchen und wie Väter punkten können.

Der Verein Kindertagespflege Göttingen vermittelt Tageseltern. Wie viele Tagesmütter und -väter sind bei Ihnen gemeldet? In Stadt und Landkreis Göttingen sind es 220 Tageseltern, davon vier Männer - die sind übrigens alle Väter. Die Zahl der Tageseltern in der Stadt Göttingen ist seit Jahren annähernd konstant , nur im Landkreis hat es eine Ausweitung gegeben.

väterzeit: Wie finden Eltern eine Tagesbetreuung für ihr Kind?

Ute Krüger: Viele wenden sich ans Jugendamt, das verweist an uns weiter. Die Eltern werden dann bei uns beraten. In einem ersten Gespräch wird der Bedarf ermittelt. Wir geben ihnen eine Informationsmappe mit, in denen die rechtliche und finanzielle Situation und die pädagogischen Grundsätze dargestellt sind, damit sie sich zu Hause in Ruhe über diesen Schritt klar werden können. Wir haben von allen unseren Tageseltern einen "Steckbrief", auf dem sie ihr Profil darstellen. Wenn die Eltern glauben, daraus den richtigen Tagesvater oder -mutter ausgesucht zu haben, geben wir den Eltern eine Auswahl von Tageseltern mit Adresse mit. Es kommen inzwischen auch viele Väter zu uns, die Betreuung für ihre Kinder suchen. Sich darum zu kümmern ist nicht mehr ausschließlich Müttersache.

Kinder betreuen - eine erfüllende Aufgabe


väterzeit: Wie viele Kinder betreuen die Tageseltern?

Ute Krüger: Im Bundesdurchschnitt 2,7.

väterzeit: Haben die meisten Tageseltern eigene Kinder?

Ute Krüger: Das ist unterschiedlich. Für die Männer, die bei uns registriert sind, war das der Einstieg. Sie waren in Elternzeit und wollten andere Kinder mit dazu nehmen. Etliche Tageseltern haben dann gemerkt, dass das eine erfüllende Aufgabe ist. Dann führen sie die Arbeit auch weiter, wenn ihre eigenen Kinder größer sind. Andere, überwiegend Frauen, beginnen erst nach der eigenen Familienphase, vor allem, wenn sie nicht wieder in den ersten Arbeitsmarkt einsteigen können oder wollen.

väterzeit: Was ist den Eltern besonders wichtig?

Ute Krüger: Viele wollen wohnortnahe Betreuung, damit die Wege nicht zu weit sind. Viele Tageseltern bieten Standardzeiten an, also etwa von 7.30 Uhr bis 14.00 Uhr. Wenn Zuhause betreut wird, kann das wesentlich flexibler gehandhabt werden. Flexibilität ist vor allem auch Eltern wichtig, die z.B. im Schichtbetrieb arbeiten.

Lebenserfahrung gesucht


väterzeit: Was sind die häufigsten Kriterien, nach denen die Eltern sich die Pflegepersonen aussuchen?

Ute Krüger: Manche suchen bewusst eine ältere Frau, so als Oma-Ersatz, eine lebenserfahrene Frau, an die sich die Eltern auch selbst wenden können. Gerade bei jüngeren Eltern sind die älteren Tagesmütter und-väter sehr gefragt. Viele fragen nach der häuslichen Umgebung, z.B. ob es einen Garten gibt. Und sie schauen sich das pädagogische Konzept unserer Betreuungspersonen an. Da steht z.B. "wir gehen jeden Tag nach draußen", "ich achte besonders auf die sprachliche Entwicklung", "ich bin musikbegeistert und singe viel mit den Kindern", oder auch "mir liegen Bewegung und Sport am Herzen".

väterzeit: Was müssen Männer mitbringen, die Tagesvater werden wollen?

Ute Krüger: Wir stellen fest, dass Ängste vor sexuellen Übergriffen immer wieder sehr groß sind und dass Männer aus diesem Grund oft schwerer zu vermitteln sind. Aber es gibt auch Eltern, die ganz gezielt nach Männern fragen, vor allem, wenn Jungen zu betreuen sind. Viele Tagesväter betreuen auch lieber ältere Kinder, z.B. wenn sie aus der Schule kommen. Das schließt nicht aus, dass Männer auch mit Babys gut klar kommen. Aber das Rollenverständnis ist da noch fest: Fürsorge, vor allem für kleinere Kinder, wird eher einer Frau zugetraut. Männer sind gefragt, wenn die Kinder mehr Aktivität brauchen.

Männer stehen für Aktivität


väterzeit: Was ist ein typischer Werdegang eines Tagesvaters?

Ute Krüger: Die meisten haben ein bis zwei kleine Kinder, sie sind aber auch oft nur etwa drei Jahre als Tagesvater aktiv. Meist verdient ihre Frau mehr und übernimmt die Rolle der Familienernährerin. Der Vater hat dann die Hausmannrolle und schaut, was er daraus für sich noch zusätzlich entwickeln kann. Das ist eine funktionale Sicht der Dinge, die ist aber meist der Motor dafür, dass Männer die Qualifikation als Tagesvater anstreben.

väterzeit: In der Qualifizierungsmaßnahme ist er dann meist der einzige Mann?

Ute Krüger: Ja, meistens. Dadurch hat er eine besondere Rolle, das verändert die Gruppendynamik, der männliche Blick und die männliche Bewertung kommen hinzu. Davon profitieren aber alle.

väterzeit: Warum geben viele Tagesväter nach drei Jahren wieder auf?

Ute Krüger: Viele hören auf, wenn ihre Kinder aus dem Kleinkindalter heraus sind. Das hat monetäre Gründe, sie gehen dann wieder in ihren alten Beruf zurück. Hinzu kommt, dass es für Tageseltern keine Aufstiegschancen gibt. Da kann man sich fachlich weiterentwickeln, sich mit anderen zusammentun - aber man verdient deshalb nicht mehr und eine Leitungsfunktion bekommt man auch nicht.

Wertschätzung dringend erwünscht!


väterzeit: Ist das bei Müttern anders?

Ute Krüger: Manche finden wirklich ihre berufliche Identität als Tagesmutter, sind mit Herz und Seele dabei. Das ist bei nur wenigen Männern der Fall. Für viele Mütter ist es auch der Einstieg in die Erzieherinnenausbildung - das wird ja momentan von der öffentlichen Hand sehr gefördert.

väterzeit: Viele Eltern sind skeptisch gegenüber Tageseltern. Woran liegt das?

Ute Krüger: Früher dachten viele Mütter, sie könnten andere Kinder erziehen, weil sie eben eigene hatten. Das hat sich geändert, heute ist die Anforderung viel höher. Gerade das Thema Bindung ist im Kleinkindalter von immenser Bedeutung, darauf legen wir viel Wert. Das wird aber öffentlich noch nicht anerkannt, wie überhaupt Erziehung und Pflege deutlich höhere Wertschätzung verdienen als ihnen zuteil wird.

Interview: Ralf Ruhl

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