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Pflegekind aufnehmen: Voraussetzungen, Verfahren, Unterstützung und mehr


Pflegemutter freut sich und tanzt mit ihren Pflegekindern in der NaturBild: regina_zulauf@pixabay.com

Ein Kind in Pflege zu nehmen sehen Paare als Möglichkeit ein Kind „zu bekommen“, doch Pflege bedeutet eine besondere Situation für alle Beteiligten. Worauf sollten potenzielle Pflegeeltern vorbereitet sein? Angela Rupp, Stellvertretende Vorsitzende des PFAD für Kinder, Bundesverband der Pflege- und Adoptivfamilien, spricht aus 25 Jahren eigener Erfahrung.

Statt Adoption ein Pflegekind


Insgesamt 20 Kinder haben Angela Rupp und ihr Mann in diesem Zeitraum bei sich aufgenommen, vier davon dauerhaft. Inzwischen sind alle erwachsen. „Anstelle von leiblichen Kindern wollten wir ursprünglich Adoptivkinder haben“, begründet die heute 60-Jährige die Entscheidung. „Doch der zuständige Mitarbeiter des Jugendamts sagte, es wäre sehr schwierig, kaum ein Kind würde zur Adoption vermittelt. Ob wir uns stattdessen ein Pflegekind vorstellen könnten?“ Sie konnten – und stellten sich damit auch auf schon etwas ältere Zöglinge ein.

Infos für Pflegeeltern und Interessierte

Der PFAD für Kinder, Bundesverband der Pflege- und Adoptivfamilien bietet auf Landes- und Bundesebene Beratungen für Pflegeeltern und Interessierte an und unterstützt bei Schwierigkeiten.
pfad-bv.de

Babys werden selten in Pflege gegeben


„Ein Pflegekind als Säugling zu bekommen, ist sehr selten. Die Kinder, die bei uns groß wurden, waren anfangs zwischen 18 Monate und zehn Jahre alt“, so Rupp. Sie waren aus unterschiedlichen Gründen in Pflege gegeben worden: Beim jüngsten fühlte sich die alleinerziehende Mutter komplett überfordert, bei einem anderen spielte häusliche Gewalt eine Rolle. Bei dem Zehnjährigen kamen die Eltern, ein vielbeschäftigtes Paar aus der Mittelschicht, nicht mit der Erziehung zurecht und wussten keinen anderen Rat. Das vierte hatte Typ-1-Diabetes, dessen Versorgung seine leibliche Mutter nicht bewältigen konnte. „Grundsätzlich kommen Pflegekinder aus allen sozialen Schichten“, erklärt Rupp. „Doch Familien aus den unteren Schichten sind öfter betroffen“.

Unterschied zwischen Pflegekind und Adoptivkind


Falls ihr Pflegeeltern werden möchtet, seid euch bewusst, dass euer Pflegekind leibliche Eltern hat und vielleicht auch wieder zu ihnen zurückkehren möchte. Bei einer Adoption bekommt man das Sorgerecht, bei einem Pflegekind verbleibt dies entweder bei den Eltern, oder beim Jugendamt oder einem Vormund. Das heißt, dass ihr zwar im Alltag Dinge für euer Pflegekind entscheiden könnt. Geht es aber um Urlaub, Impfungen oder auch kleine Dinge wie Schmuck oder Haarschnitte, müssen diese genehmigt werden. Man steht also im ständigen Kontakt mit dem Amt.

Ein Adoptivkind trägt zusätzlich euren Nachnamen und wird auf Dauer zu einem Teil der Familie. Pflegeeltern nehmen das Kind nur auf Zeit bei sich auf, und das Kind behält seinen Geburtsnamen. Auch im Erbfall wird bei einer Adoption nicht zwischen leiblichen und Adoptivkindern unterschieden. Versterben hingegen die Pflegeeltern und ist im Testament nicht festgelegt, ob und was das Pflegekind erben soll, wäre es nicht erbberechtigt.

Genauso wie bei einer Adoption können auch Pflegeeltern Elternzeit nehmen, sie bekommen allerdings kein Elterngeld. Das Elterngeld wird durch Pflegegeld ersetzt.

Pflegekind aufnehmen: Voraussetzungen


Potenzielle Pflegeeltern müssen das Jugendamt davon überzeugen, dass sie für das Kind Verantwortung übernehmen können. Materielle Aspekte wie genügend Wohnfläche oder finanzielle Absicherung spielen dabei genauso eine Rolle wie Geduld und Stressresistenz. Pflegeeltern müssen gesund und frei von Drogen sein. Ein Gesundheitsattest muss daher vorgelegt werden, ebenso wie ein polizeiliches Führungszeugnis.

Finanzielle Stabilität



Die Wohnung sollte ausreichend Wohnraum bereitstellen, damit das Kind seinen eigenen Rückzugsort hat. Ein Teil des Einkommens sollte für das Pflegekind aufgewendet werden, denn finanzielle Beihilfen wie das Pflegegeld sind insbesondere dafür gedacht, die grundlegenden Unterhaltskosten zu decken.

Emotionale Stabilität



Eine hohe Belastbarkeit und Resilienz wird von Pflegeeltern zusätzlich vorausgesetzt; es handelt sich nämlich oft um Kinder mit einer Leidensgeschichte. In schweren Fällen wurden die Kinder vernachlässigt, misshandelt oder haben körperliche Gewalt erfahren. Auch Drogenprobleme, Krankheiten oder finanzielle Not der leiblichen Eltern können Teile der Vorgeschichte sein.

Mut, Idealismus und Verantwortungsgefühl darf seitens der Pflegeeltern daher nicht fehlen. Ebenso Verständnis: Das Pflegekind sollte so akzeptiert werden, wie es ist. Pflegeeltern sollten auf ihren Schützling einfühlsam eingehen und ihm besonders in der Anfangsphase Zeit geben. Manche haben sich im Laufe ihrer Vorgeschichte vielleicht ein bestimmtes Verhalten angeeignet, manche sind noch auf ihre leiblichen Eltern fixiert, manche finden in den Pflegeeltern schnell Bezugspersonen und klammern stark. Wo liegen deine Stärken? Wo liegen deine Schwächen? Mach dir das im Vorfeld klar, um mögliche Probleme, die mit dem Pflegekind auftreten, realistisch einschätzen und lösen zu können. Fingerspitzengefühl, Toleranz, Liebe und Geduld sind in jedem Fall gefragt.

Familienform und Alter



Im Unterschied zur Adoption ist es für heterosexuelle und homosexuelle Paare, Alleinstehende und auch Wohngemeinschaften leichter, eine Zustimmung für ein Pflegekind zu erhalten.

Was das Alter betrifft, sind die Behörden ebenfalls toleranter: Auch mit Mitte 40 bekommen Pflegeeltern noch ein Kind zugewiesen. Das Mindestalter beträgt 25 Jahre. Für die Entscheidungsgremien am wichtigsten ist jedoch, dass den Kindern, die meistens viel mitgemacht haben, der nötige Halt und ein stabiles Umfeld geboten wird. Werden mehrere Kinder gleichzeitig aufgenommen, damit sie gemeinsam den Anschluss finden, sollte das jüngste Kind der Familie im besten Fall älter als zwei Jahre sein.

Wenn ihr eigene Kinder habt, kann es zu Eifersüchteleien kommen, da ihr euch anfangs vielleicht mehr dem Pflegekind widmet. Die Entscheidung, Pflegefamilie zu werden, sollte daher auch mit den Kindern besprochen werden, damit alle in etwa wissen, was das für jeden bedeutet. Die meisten Pflegekinder sind zwischen drei und zwölf Jahren, aber es werden auch jüngere Kinder vermittelt. Bei älteren Kindern wird geprüft, ob nicht Wohngruppen die bessere Alternative sind.

Pflegekind aufnehmen: Verfahren


Wie bekommt man ein Pflegekind? Wenn ihr euch zutraut und entschieden habt, ein Pflegekind aufzunehmen, kontaktiert ihr das örtliche Jugendamt. Die Betreuer klären euch über die beiden Modelle Bereitschaftspflege und Vollzeitpflege auf und stellen euch Pflichtseminare vor, um eure Familie auf die neue Herausforderung vorzubereiten.

Bei der Bereitschaftspflege ist eine Übergangslösung. Das Pflegeverhältnis beschränkt sich auf maximal ein Vierteljahr. Diese Form kommt in akuten Notsituationen zum Tragen, in denen das Kindeswohl gefährdet ist. In dieser Zeit wird das weitere Vorgehen erörtert: Kehrt das Kind anschließend zu seinen leiblichen Eltern zurück? Kann das Kind langfristig bei Verwandten unterkommen oder wird das Verhältnis zur Vollzeitpflege ausgedehnt?

Die Vollzeitpflege soll langfristig bestehen. Das Pflegekind lebt durchgehend und in der Regel bis zur Volljährigkeit mit der Pflegefamilie unter einem Dach. Erziehung und Betreuung sind auf lange Sicht Sache der Pflegeeltern. So kann das Pflegekind in stabilen Familienverhältnissen aufwachsen und eine Bindung zu den Eltern aufbauen.

Erste Schritte: Bewerbungsverfahren



Bei eurem Interesse, ein Pflegekind aufzunehmen, vermittelt das Jugendamt Kontakt zu anderen Pflegeeltern und bietet Informationsveranstaltungen an.

Habt ihr euren Entschluss gefasst, beginnt das Bewerbungsverfahren, das sich je nach Träger über mehrere Monate ziehen kann. Ihr reicht Bewerbungsunterlagen (wie Verdienstbescheinigungen und ausgefüllte Fragebögen) ein und nehmt an Vorbereitungsseminaren und Gesprächen mit Fachkräften teil. Ebenso überzeugt sich ein Mitarbeiter des Jugendamtes bei euch zuhause davon, ob ihr dem Pflegekind ein gutes Umfeld bieten könnt. Es wird also in dieser Zeit viel Transparenz und Offenheit verlangt.

Beweggründe der Pflegeeltern



Um eure Eignung festzustellen, werden in den Seminaren eure Motive hinterfragt: Warum wollt ihr ein Pflegekind aufnehmen? Warum seid genau ihr die idealen Pflegeeltern? Das Wohlergehen des Pflegekindes steht in jedem Fall im Vordergrund. Wollen Pflegeeltern in spe ihrem leiblichen Kind ein Geschwisterchen zur Seite stellen, die zusätzlichen staatlichen Unterstützungen auskosten oder durch die Pflege eine engere Bindung zum Partner schaffen, wird ihnen also eher kein Pflegekind zugeteilt.

Wie geht es nach der Bewerbung weiter?



Habt ihr das Bewerbungsverfahren erfolgreich durchlaufen, werden die zuständigen Stellen überlegen, welches Pflegekind am besten zu euch passt. Ihr erhaltet ausreichend Informationen über das Kind, dessen leibliche Eltern, Vorgeschichte oder etwaige Auffälligkeiten.

Für die folgende Eingewöhnungszeit solltet ihr euch überlegen, Elternzeit zu beantragen und schon vorher eure Arbeitgeber über euer Vorhaben zu informieren. In diesen ersten Wochen können sich Pflegeeltern durchaus auch gegen das Pflegeverhältnis entscheiden. Schließlich soll zwischen beiden Seiten während der Pflege ein gutes Verhältnis entstehen. Nachdem einem Pflegeverhältnis zugestimmt wurde, stehen euch weiterhin Mitarbeiter des Jugendamtes beratend und unterstützend zur Seite.

Pflegekind aufnehmen: Finanzielle Unterstützung


Die zusätzlichen Kosten, die bei der Aufnahme eines Pflegekindes entstehen, werden vom Staat subventioniert: je nach Kind in Höhe von 700 bis 900 Euro Pflegegeld monatlich. Dazu können noch Beihilfen beim Jugendamt beantragt werden, wenn z.B. Sonderausgaben wie Klassenfahrten oder Erstausstattung anstehen. Pflegeeltern bekommen auch Kindergeld, aber das wird mit dem Pflegegeld verrechnet.

Pflegekinder: Mit der Trennung umgehen


Wie aber verkraftet die Herkunftsfamilie die Trennung? „Es ist eine schwierige Situation, wobei man mit den leiblichen Eltern in der Regel nicht über deren Gefühle spricht, da sich der persönliche Kontakt in der Regel auf Organisatorisches beschränkt. Oft wurden die Kinder durch das Jugendamt in Obhut genommen, weil zu Hause etwas vorgefallen ist. Darüber wollen die Herkunftsfamilien in der Regel nicht sprechen“, bemerkt Rupp.

Mit den Gefühlen des Kindes dagegen werden Pflegeeltern unmittelbar konfrontiert, etwa wenn das Kind seine leibliche Mutter vermisst oder mit der ganzen Situation nicht zurechtkommt. „Das ist besonders für die kleineren Kinder ein Problem, weil sie oft sehr traurig sind und nicht verstehen, was passiert. Mit einem älteren Kind kann man zumindest darüber reden. Zu trösten und Halt zu geben ist in jedem Fall sehr wichtig.“ Für die Pflegeeltern wiederum bedeutet es, sich auf eine unbestimmte Zeit mit dem Kind einzustellen. Anders als bei einer Adoption kann sich der Zeitraum auch überraschend verkürzen, wenn sich in der Herkunftsfamilie die Situation ändert, sodass das Kind zurückkehren kann.

Pflegeeltern machen stark fürs Leben


Ein Pflegekind aufzunehmen, bedeutet also auch an seine Grenzen zu stoßen und mit allem zu rechnen. Dennoch überwiegt für Angela Rupp das Positive. „Pflegeeltern tragen dazu bei, dass das Kind später selbstständig in der sozialen Gemeinschaft leben kann. Das Leben mit einem Kind ist außerdem sehr bereichernd. Die Erfahrungen mit unseren Pflegekindern möchte ich nicht mehr missen.“ Nach Einschätzung der PFAD-Expertin ist die Kommunikation mit dem Jugendamt besonders wichtig. „Sich bewerbende Pflegeeltern sollten dabei von Anfang an ein gutes Gefühl haben und ihre Vorstellungen klar äußern.“

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