Unselbstständige Jungen
Bild: markusspiske-photocase.de
Schon zweieinhalbjährige Jungen liegen in der Entwicklung ihrer Selbstständigkeit und in ihrem Sozialverhalten weit hinter Mädchen zurück. Das ergab eine norwegische Kindergartenstudie. Müssen Jungen deshalb stärker gefördert werden?
Auf’s Klo!
Die Selbstständigkeit zeigt sich auf dem Klo: Über zwei Drittel der zweieinhalbjährigen Mädchen, aber nur 42 Prozent der gleichaltrigen Jungen zeigen Interesse, eine Toilette zu benutzen. Auch bei der Windelfreiheit liegen Mädchen klar vorn: über ein Fünftel braucht nicht mehr gewickelt zu werden und sagt Bescheid "wenn es so weit ist". Bei den Jungen sind es nur acht Prozent.
Das ist ein Teilergebnis einer Langzeitstudie an der Universität von Stavanger in Norwegen. Sie untersucht die kindliche Entwicklung vom 30sten Lebensmonat bis zum Alter von zehn Jahren. Aktuell wurden jeweils über 500 Jungen und Mädchen aus staatlichen und privaten Betreuungseinrichtungen im Alter von 30 bis 33 Monaten ein Vierteljahr lang beobachtet. Die - in Norwegen zu 93 Prozent weiblichen - Erzieherinnen hatten Verhalten und Fähigkeiten der Kinder auf standardisierten Beobachtungsbögen dokumentiert. In Norwegen werden Kinder im Elementarbereich üblicherweise im Alltagsverhalten und beim Spielen gefördert.
Immer wieder Stuhlkreis
Dass es schon früh Unterschiede in der Entwicklung bei Jungen und Mädchen gibt, ist allgemein bekannt. Doch dass die Unterschiede so groß sind, davon zeigten sich die Autorinnen der Studie überrascht. Fast zwei Drittel der Mädchen ist in der Lage, ohne Hilfe von Erwachsenen zu essen und zu trinken. Das schafft aber nur gerade die Hälfte der Jungen. Auch das gemeinsame Spiel ist in dieser frühen Phase eine Domäne der Mädchen: über 57 Prozent beteiligen sich am Stuhlkreis, von den Jungen sind es nur 47 Prozent. Auch mit dem Wechsel von Aktivitäten kommen die Mädchen besser klar: Fast ein Fünftel der Mädchen hat hier keine Probleme, allerdings weniger als ein Zehntel der Jungen. Insgesamt lägen die Mädchen beim Sozialverhalten vorn.
Ein Grund dafür könnte, so die Autorinnen, das bessere Sprachverständnis sein. Denn wer besser spricht, kann seine Bedürfnisse besser ausdrücken, wird entsprechend eher von den Erzieherinnen gesehen und gelobt. Und entwickelt daraufhin sein Sozialverhalten weiter. Die Autorinnen sagen jedoch selbst: Die Kitas in Norwegen sind fest in weiblicher Hand. Das könne die Ergebnisse der Studie beeinflusst haben.
Ralf Ruhl
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