"Wir müssen Jungen eine Zukunft im Erzieherberuf bieten!"
Bild: Yvonne Prancl - Fotolia
Um mehr Männer für den Erzieherberuf zu begeistern, müssen sich die Strukturen in den Einrichtungen ändern. Und die Ausbildung muss stärker auf die Belange von Männern hin ausgerichtet werden. Was sich ändern muss, erläutert im Gespräch Prof. Dr. Holger Brandes.
Der Mann im Frauenteam
Männer sind im Kindergarten oft der einzige Mann im Frauenteam. Wie gehen sie damit um?
Das ist individuell sehr unterschiedlich und natürlich auch vom Team abhängig. Es gibt Männer, die sich eher anpassen. Andere wehren sich gegen typische Klischees, wie dass sie für die Technik zuständig sein sollen und für Erlebnispädagogik. Die sagen manchmal, "wenn ich für Technik oder Fußball schwärmen würde, hätte ich einen anderen Beruf ergriffen." In den meisten Fällen gestaltet sich die Integration von Männern aber eher unproblematisch.
Wenn der Erzieher aber nicht mit der Zuschreibung durch die Kolleginnen einverstanden ist...
Dann kann es zu Konflikten kommen. Es gibt auch Erzieher, die sich gemobbt fühlen und dann die Einrichtung wechseln. Viele Frauenteams sind allerdings froh, einen Mann zu haben. Eine kürzlich veröffentlichte und im Auftrag des BMFJFS erstellte Untersuchung zeigt deutlich, dass die allermeisten Teams sich Männer als Kollegen wünschen.
Was muss sich ändern, damit Männer und Frauen kollegial miteinander umgehen?
Wenn Männer in ein Team kommen, in dem über lange Jahre nur Frauen waren, verändern sie häufig die Kommunikationsstruktur. Sie haben zum Beispiel oft eine andere Umgangsweise mit Konflikten, drängen mehr darauf, dass diese offen ausgetragen werden. Das ist für manche eingefahrene Frauenteams nicht einfach. Wie damit umgegangen wird ist dann wiederum von der Leitung abhängig und von den einzelnen Personen.
Und wenn ein Mann den Kindergarten leitet?
Es gibt den problematischen Fall, dass ein Träger einen Mann gleich mit Blick auf die Übernahme von Leitungsfunktionen einstellt. Viele Männer wollen aber gar nicht in Leitungsfunktionen, sondern in erster Linie mit den Kindern arbeiten. Ich kenne aber auch viele gelungene Beispiele von männlichen Leitern. Männer akzentuieren häufig auch in der Leitung manches anders, aber letztlich hat die gute und erfolgreiche Leitung einer Einrichtung und eines Teams nur wenig mit dem Geschlecht der Akteure zu tun, sondern mit deren Professionalität und Persönlichkeit.
Mehr Männer in Kitas!
Was muss grundsätzlich geändert werden, damit sich mehr Männer für den Erzieherberuf entscheiden?
In erster Linie muss sich das Umfeld verändern. Stereotype, traditionelle Männerbilder sind vermutlich das größte Hindernis - insbesondere die Auffassung, dass Männer mit kleinen Kindern nicht wirklich etwas anzufangen verstünden. Die andere Seite der Medaille ist der manchmal aufkommende fatale Generalverdacht gegen Männer, sexuelle Begegnungen mit Kindern zu suchen. Außerdem wird der Erzieherberuf als traditioneller Frauenberuf oft nicht ernst genommen. Die Männer werden gefragt, "wie lange willst du das denn machen, hast du nichts Besseres gefunden?". Was sich also ändern muss, ist das Image des Berufes und auf lange Sicht auch das Männerbild und die Berufsorientierung von Jungen. Auch so etwas wie der Boys-Day ist heute noch nicht so akzeptiert wie der Girls-Day, der Mädchen für technische Berufe interessieren soll. Wenn eine Kita in der Schule Jungen beim Boys-Day soziale Berufe anschaulich machen will, reagieren manche Lehrer abweisend. Sie sagen "das könnten wir den Eltern nicht vermitteln, die sehen es doch eher als abseitig an, wenn ein Junge Erzieher werden will." Die Bindung des Geschlechts an den Beruf spielt immer noch eine größere Rolle auch als die Frage der Bezahlung.
Was können die Träger der Kitas tun?
Viele Träger sind bereits interessiert an Männern als Erzieher, das zeigen die Befragungsergebnisse in der bereits angesprochenen Studie "Mehr Männer in Kitas" des BMFJFS. Es fehlt bei vielen Trägern aber noch an Personalentwicklungsplänen, in denen der Geschlechtsaspekt eine Rolle spielt. Mit denen könnten sie zeigen, dass sie bereit sind, Männer in diesem Bereich systematisch zu fördern. Männer haben immer noch mehr als Frauen den Ernähreraspekt im Hinterkopf. Und sie fragen sich, wie sie in diesem Beruf eine langfristige Perspektive finden und auch bis ins hohe Alter arbeiten können. Das muss man in Personalentwicklungsplänen hinsichtlich Weiterbildungsmöglichkeiten und Aufstiegsperspektiven berücksichtigen. Diesen Aspekt nehmen viele Träger immer noch zu selten in den Blick.
Trotz Gender-Mainstreaming?
Gender-Mainstreaming ist zwar nicht so gedacht, wird aber immer noch vielfach nur unter dem Aspekt der Berücksichtigung von Fraueninteressen gesehen.
Die Ausbildung auf höheres Niveau heben!
Was müsste sich in der Ausbildung verbessern, damit sich mehr Männer für diesen Beruf interessieren?
Insgesamt erhöhen sich ganz unabhängig von der Geschlechterfrage seit Jahren die Anforderungen und Standards im Erzieherberuf. Entsprechend wird auch das Ausbildungsniveau gehoben bis auf Hochschulniveau - dadurch wird der Beruf auch interessanter für junge Männer. Die Anhebung des Ausbildungsniveaus kann auch dazu beitragen, dass dieser Beruf in der Bevölkerung ernster genommen wird und einen höheres Prestige gewinnt. Hier kommen zwei unterschiedliche Dinge zusammen: Höhere Ansprüche an grundlegende Bildung schon in den ersten Lebensjahren der Kinder und das wachsende Interesse an pädagogisch engagierten und Lernprozesse herausfordernden Männern. Das bedeutet aber auch, dass höherwertige Ausbildung von den Trägern entsprechend finanziell honoriert werden muss. Gute Bildung gibt es eben nicht zum Nulltarif.
Insgesamt erhöhen sich ganz unabhängig von der Geschlechterfrage seit Jahren die Anforderungen und Standards im Erzieherberuf. Entsprechend wird auch das Ausbildungsniveau gehoben bis auf Hochschulniveau - dadurch wird der Beruf auch interessanter für junge Männer. Die Anhebung des Ausbildungsniveaus kann auch dazu beitragen, dass dieser Beruf in der Bevölkerung ernster genommen wird und einen höheres Prestige gewinnt. Hier kommen zwei unterschiedliche Dinge zusammen: Höhere Ansprüche an grundlegende Bildung schon in den ersten Lebensjahren der Kinder und das wachsende Interesse an pädagogisch engagierten und Lernprozesse herausfordernden Männern. Das bedeutet aber auch, dass höherwertige Ausbildung von den Trägern entsprechend finanziell honoriert werden muss. Gute Bildung gibt es eben nicht zum Nulltarif.
Wie viele Männer wollen denn Erzieher werden?
Das Interesse junger Männer an diesem Beruf steigt merklich an, zum Teil auch verbunden mit den neuen Ausbildungsgängen auf Hochschulniveau. Es ist noch geringer als bei Mädchen, aber deutlich höher als früher. Gegenwärtig sind vielleicht 10 bis 15% derjenigen, die sich für den Erzieherberuf interessieren, Männer. Und das ist eine besondere Gruppe von Männern, die dieses Interesse zeigen: Zumeist sind sie nicht zur Bundeswehr gegangen, sondern haben den Zivildienst geleistet. Relativ viele haben Erfahrungen aus Vereinen oder christlichen Kontexten mit Kinder- oder Jugendarbeit. Manche hatten auch zur Schulzeit wenig Interesse an den Kernfächern, was sich dann im Notendurchschnitt zeigt. Aber alle suchen einen Beruf, in dem sie mit Menschen arbeiten können.
Bei einer Universitätsausbildung stellt sich das Problem der Sozialauswahl. Heute kann den Erzieherberuf auch ergreifen, wer das Abitur nicht geschafft hat...
Letzteres wird auch so bleiben. Die Durchlässigkeit zu einem Studium nimmt aber insgesamt zu. Ich sehe hier nicht wirklich ein Problem der sozialen Gerechtigkeit. Wer sich in seinem Beruf bewährt, findet auch im Erzieherberuf zunehmend Möglichkeiten, sich bis zu einem Hochschulabschluss weiter zu qualifizieren. Beispielsweise ist dies über einen berufsbegleitenden Studiengang möglich, so wie wir ihn in Dresden haben. Andere Hochschulen planen oder erproben ähnliches. Dabei geht es in erster Linie um die generelle Steigerung der Ausbildungsniveaus, es ist aber auch eine Chance, um gerade auch Männern eine langfristige Perspektive zu geben.
Müsste dann nicht der Abiturschnitt anders berechnet werden, weniger klassische Kernfächer als musische Fächer?
Das ist nicht wirklich das Problem. Zwar haben sich tatsächlich manche Bewerber in den Kernfächern ihren Zeugnisschnitt versaut, weil sie in der Schule noch keine konkrete Perspektive für ihr Leben hatten. Diese typischen Spätzünder können aber sehr erfolgreiche Pioniere und hochqualifizierte Fachkräfte in der frühen Bildung werden. Das gilt für andere Berufe auch und deshalb sind die Hochschulen bei der Bewerberauswahl nicht mehr so an die Zeugnisnoten gebunden. Häufig spielen praktische und soziale Erfahrungen, die nach der Schule gesammelt werden, eine mindestens gleichgroße Rolle. Wer Erzieher oder Elementarpädagoge werden will, hat heute eine breite Palette von Möglichkeiten - vorausgesetzt, er ist intellektuell und sozial beweglich und bereit, sich in ein Berufsfeld einzuarbeiten, das in Manchem heute höhere Anforderungen stellt, als viele vergleichbare soziale Berufe.
Wenn wir junge Männer in diesen Berufen haben wollen, müssen wir ihnen zuerst einmal eine attraktive Perspektive bieten. Wenn wir die haben, sind sie nach meiner Erfahrung auch bereit, sich mehr anzustrengen für ihre Ausbildung.
Die Fragen stellte Ralf Ruhl
Das Interesse junger Männer an diesem Beruf steigt merklich an, zum Teil auch verbunden mit den neuen Ausbildungsgängen auf Hochschulniveau. Es ist noch geringer als bei Mädchen, aber deutlich höher als früher. Gegenwärtig sind vielleicht 10 bis 15% derjenigen, die sich für den Erzieherberuf interessieren, Männer. Und das ist eine besondere Gruppe von Männern, die dieses Interesse zeigen: Zumeist sind sie nicht zur Bundeswehr gegangen, sondern haben den Zivildienst geleistet. Relativ viele haben Erfahrungen aus Vereinen oder christlichen Kontexten mit Kinder- oder Jugendarbeit. Manche hatten auch zur Schulzeit wenig Interesse an den Kernfächern, was sich dann im Notendurchschnitt zeigt. Aber alle suchen einen Beruf, in dem sie mit Menschen arbeiten können.
Bei einer Universitätsausbildung stellt sich das Problem der Sozialauswahl. Heute kann den Erzieherberuf auch ergreifen, wer das Abitur nicht geschafft hat...
Letzteres wird auch so bleiben. Die Durchlässigkeit zu einem Studium nimmt aber insgesamt zu. Ich sehe hier nicht wirklich ein Problem der sozialen Gerechtigkeit. Wer sich in seinem Beruf bewährt, findet auch im Erzieherberuf zunehmend Möglichkeiten, sich bis zu einem Hochschulabschluss weiter zu qualifizieren. Beispielsweise ist dies über einen berufsbegleitenden Studiengang möglich, so wie wir ihn in Dresden haben. Andere Hochschulen planen oder erproben ähnliches. Dabei geht es in erster Linie um die generelle Steigerung der Ausbildungsniveaus, es ist aber auch eine Chance, um gerade auch Männern eine langfristige Perspektive zu geben.
Müsste dann nicht der Abiturschnitt anders berechnet werden, weniger klassische Kernfächer als musische Fächer?
Das ist nicht wirklich das Problem. Zwar haben sich tatsächlich manche Bewerber in den Kernfächern ihren Zeugnisschnitt versaut, weil sie in der Schule noch keine konkrete Perspektive für ihr Leben hatten. Diese typischen Spätzünder können aber sehr erfolgreiche Pioniere und hochqualifizierte Fachkräfte in der frühen Bildung werden. Das gilt für andere Berufe auch und deshalb sind die Hochschulen bei der Bewerberauswahl nicht mehr so an die Zeugnisnoten gebunden. Häufig spielen praktische und soziale Erfahrungen, die nach der Schule gesammelt werden, eine mindestens gleichgroße Rolle. Wer Erzieher oder Elementarpädagoge werden will, hat heute eine breite Palette von Möglichkeiten - vorausgesetzt, er ist intellektuell und sozial beweglich und bereit, sich in ein Berufsfeld einzuarbeiten, das in Manchem heute höhere Anforderungen stellt, als viele vergleichbare soziale Berufe.
Wenn wir junge Männer in diesen Berufen haben wollen, müssen wir ihnen zuerst einmal eine attraktive Perspektive bieten. Wenn wir die haben, sind sie nach meiner Erfahrung auch bereit, sich mehr anzustrengen für ihre Ausbildung.
Die Fragen stellte Ralf Ruhl
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