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Junge oder Mädchen - egal?


Junge oder Mädchen – egal?Bild: © Janet Layher - Fotolia.com

"Hauptsache gesund!" lautet die politisch korrekte Antwort auf die Frage, ob man sich eher einen Jungen oder ein Mädchen wünscht. Aber: es stimmt nicht! Denn das Geschlecht des Babys ist keineswegs egal! Und Mütter wie Väter identifizieren sich stärker mit einem Kind, welches das gleiche Geschlecht hat wie sie.

Frauen wünschen sich Mädchen, Männer Jungen


Paare wünschen sich Kinder. Sogar in Deutschland. Nach einer repräsentativen Studie der Robert Bosch Stiftung würden Frauen zwischen 20 und 39 Jahren gern 1,75 Kinder haben. Männer landeten mit ihrem Wunschwert bei 1,59. Der Ist-Wert liegt jedoch bei 1,37 Kinder pro Frau.

Da jedoch Kind nicht gleich Kind ist und Junge nicht gleich Mädchen untersuchten die Psychologen Burkhard Brosig und Susanne Griessner von der Universität Gießen, welches Geschlechterl die Eltern denn gern hätten. Männer wünschen sich demnach als erstes Kind eher einen Jungen; Frauen, insbesondere, wenn sie nicht mehr ganz jung sind, ein Mädchen.

Eltern wollen sich mit ihren Kindern identifizieren


Womit sich die Frage nach den Gründen stellt. Sollte die Anziehung nicht eigentlich gegengeschlechtlich sein? Die Giessener Psychologen meinen: Eltern wollen sich mit ihrem Kind identifizieren, und das gelingt leichter beim eigenen Geschlecht. Männer können sich und ihre eigenen Wünsche im Sohn spiegeln, Frauen erleben eine Aufwertung des Weiblichen, wenn noch ein weibliches Wesen, die Tochter, im Haushalt lebt. Das kann gut sein und eine Stärkung des Selbstwertgefühls bedeuten, und es kann problematisch werden, wenn die eigenen unerfüllten Lebenswünsche auf das Kind übertragen werden.

Aber sind nicht alle Babys gleich süß und reagieren wir nicht gleich auf das Grinsen und Gebrabbel des Kleinen, egal, ob Junge oder Mädchen? Schon 1969 führten Goldberg und Lewis einen Epoche machenden Versuch durch: Sie kleideten ein Baby in rosa und sagten den Männern und Frauen, die es betrachteten, es handele sich um ein Mädchen. Die Versuchspersonen sprachen eher süß, zart und mit höherer Stimme mit ihm, die Berührungen waren sanft und beruhigend. Dann wurde dem gleichen Baby ein hellblauer Strampler angezogen, den gleichen erwachsenen Versuchspersonen wurde es als Junge vorgestellt. Die Ansprache war von Männern wie Frauen deutlich lauter und heftiger, die Stimmlage tiefer, die Berührungen kräftiger und stärker.

Viele Untersuchungen zeigen, dass sich dieses Verhalten später auch im Spiel mit den Kindern fortsetzt. Jungen wird eher robustes Verhalten zugetraut, sie werden eher zu Tobespielen, Sport und Outdoor-Aktivitäten angehalten. Mädchen hingegen werden weit fürsorglicher behandelt, ihnen wird eher feinmotorisches Spielen und Basteln nahe gelegt.

Wie Geschlechterstereotypen weitergegeben werden


Das klingt ziemlich platt, ich weiß. Aber würdest Du die Kinderzimmerdecke rosa streichen, wenn Du wüsstest, es wird ein Jungenzimmer? Geschlechtersensible Erziehung beginnt schon im Mutterleib. Kinder nehmen mit allen Poren auf, wie wir auf sie reagieren, wie wir sie ansprechen, halten und berühren. Und sie wollen sich identifizieren, wollen wissen, wer sie sind und wo sie hingehören. Jedes Verhalten von Erwachsenen - gegenüber Kindern, aber auch untereinander - wird genau registriert. Auf diesem Weg lernen sie, wie ein Junge, wie ein Mädchen ist.

Wer die rosa Prinzessin Lillifee, schwarz gekleidete Ninja-Kämpfer und andere Geschlechterstereotypien vermeiden oder abschwächen möchte, der sollte sich vor allem selbst beobachten. Und immer mal wieder in einer stillen Minute sich fragen, ob er genauso ein Kind des anderen Geschlechts ansprechen würde.

Ralf Ruhl

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