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"Väter tun auch, was sie sagen"


Moderne und traditionelle Väter in Selbstbild und WirklichkeitBild: Ivan Polushkin-Fotolia.de

Interview mit Rainer Volz über moderne und traditionelle Väter in Selbstbild und Wirklichkeit - und wie Frauen sie sehen

Wie sieht der moderne Vater aus?


Wir haben in unserer Studie "Männer in Bewegung" vier Typen von Männern unterschieden. Der traditionelle Vater sieht sich in erster Linie als Ernährer der Familie und Geldverdiener. Für die Kindererziehung und den Haushalt ist bei ihm die Frau zuständig. Der moderne Mann dagegen ist partnerschaftlich eingestellt. Er sieht sich nicht nur als Geldverdiener, sondern auch als emotional engagierter Vater. Vor zehn Jahren war zwar auch schon viel guter Wille da, die Praxis war aber noch nicht so weit entwickelt. Inzwischen tun die modernen Väter ganz klar auch das, was sie sagen. Sie sind bei der alltäglichen Betreuung der Kinder engagiert. Und zwar nicht nur bei den angenehmeren Tätigkeiten wie Spielen, Sport treiben oder spazieren gehen, sondern sie sind auch bei den unangenehmeren, mit Feuchtigkeit und "starken Düften" verbundenen Arbeiten dabei, wie Windeln Wechseln oder das Kind auf den Topf setzen.

Wie viele moderne Väter gibt es?


Rund ein Fünftel der Männer in Deutschland sind modern eingestellt; denen steht ein gutes Viertel traditioneller Männer gegenüber. Die Zwischengruppen sind die balancierenden Männer, die sowohl traditionell als auch modern denken und handeln, und mit knapp einem Drittel die größte Gruppe sind die suchenden Männer. Die sind weder traditionell noch modern eingestellt. Möglicherweise sind sie nicht mehr traditionell, sind aber in ihren Einstellungen noch nicht beim modernen Vaterbild angekommen.

Typisch männliche und typisch weibliche Aufgaben


Was macht der Mann im Haushalt?


In dem, was Männer nicht tun, hat sich hier in den letzten zehn Jahren wenig verändert: das Bügeln steht immer noch abgeschlagen an letzter Stelle. Kochen und Spülen sind ebenfalls nicht sehr beliebt. Tisch decken und einkaufen für das Essen werden weitaus häufiger übernommen. Tätigkeiten wie Reparaturen am und im Haus sind Sache des Vaters, Fahrradreparatur, Rasenmähen, ebenso Behördengänge, größere Anschaffungen planen und tätigen. Wir haben hier eine Aufteilung in typisch männliche und typisch weibliche Aufgaben im Haus. Die Frauen sehen das übrigens genauso.

Wie sieht es in Bezug auf die Kinder aus?


Hier haben wir große Unterschiede zwischen den traditionellen und den modernen Vätern. Die traditionellen machen noch etwas weniger als vor 10 Jahren! Sie sind Wochenendväter und beschränken sich auf schöne Tätigkeiten, vor allem Outdoor- und Sport-Aktionen. Die modernen Väter kümmern sich auch im Alltag um die Kinder, pflegen und versorgen in weit höherem Maße. Auch moderne Väter sind wenig präsent bei der Betreuung von kranken Kindern. Hier spielt die Erwerbstätigkeit eine große Rolle. Nach wie vor sind ja Männer zum größten Teil vollzeitberufstätig und die Partnerinnen in Teilzeit. Das können Männer offenbar nicht mit dem Vollzeitjob vereinbaren.

Sehen die Frauen das alles ähnlich?


Die Frauen sind den Aussagen der Männer gegenüber etwas skeptisch, sie sehen die Väter etwa 10 % weniger beteiligt. Aber grundsätzlich sieht die Kurve bei den Frauen ähnlich aus, das heißt, sie beziehen sich auf die gleiche Realität wie die Männer...

Männer und Frauen sollen alles tun, zu gleichen Teilen


Wie sehen die Einstellungen zur Partnerschaft aus?


Die modernen Männer sind partnerschaftlich eingestellt. Sie würden am liebsten die Erwerbstätigkeit reduzieren und etwa gleichviel arbeiten wie die Ehefrau oder Partnerin. Das Ideal ist, dass jede anfallende Arbeit, ob mit Kind, Haushalt oder Erwerbstätigkeit, zu gleichen Teilen zwischen den Geschlechtern aufgeteilt wird. Die modernen Frauen sehen das ähnlich.

Woran liegt es, dass dieses Ideal so selten verwirklicht werden kann?


In puncto Partnerschaftlichkeit sprechen wir von etwa einem Fünftel der Männer und einem Drittel der Frauen in Deutschland. Die Mehrheit der Bevölkerung liegt also irgendwo dazwischen oder ist traditionell eingestellt.
Für gleichberechtigt eingestellte Paare gibt es verschiedene Hindernisse: Da ist zuerst die Vollzeiterwerbstätigkeit des Mannes, zunehmend auch berufliche Zwänge der Frauen. Hinzu kommen unzureichende Betreuungs- und Versorgungsangebote im öffentlichen Raum. Das bessert sich zwar seit ein paar Jahren allmählich, aber die Hauptsorge für die Vereinbarkeit von Arbeit und Familie liegt bei den Paaren. Sie müssen auf der individuellen Ebene strukturelle gesellschaftliche Mängel ausgleichen. Das erklärt die hohe emotionale Aufgeladenheit des Themas in Deutschland.

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Dennoch sind die modernen Väter und Mütter mit ihrer Situation recht zufrieden.


Ja, wir haben Männer und Frauen nach ihrer allgemeinen Lebens- und Paarzufriedenheit befragt. Da haben die Modernen die höchsten Werte. Trotz aller Probleme, dem Stress am Arbeitsplatz und der Vereinbarkeit von Arbeit und Familie, haben diese Paare den Eindruck: Wir sind auf dem richtigen Weg, und dafür nehmen sie Einiges auf sich.

Männer logisch, Frauen erotisch


Heißt das, dass sich auch das Männer- und Frauenbild gewandelt hat?


Das grundsätzliche Männer- und Frauenbild hat sich in den letzten 10 Jahren erstaunlicherweise nicht geändert. Der Mann gilt für Männer wie für Frauen als "logisch", "rational", "bestimmend", die Frau als "emotional", "gesellig" und "erotisch". Wie gesagt, das ist nicht nur das Selbstbild der Männer oder Frauen, das ist auch die Sicht des jeweils anderen Geschlechts. Da gibt es eine große Übereinstimmung von Männern und Frauen, egal ob sie sonst modern oder traditionell eingestellt sind.

Da scheint ein Widerspruch zu sein zwischen dem Männer- und Frauenbild und dem gelebten Alltag, vor allem bei den Modernen.


Die Modernen gestehen sich mehr Gleichberechtigung zu und leben die auch. Erziehungsarbeit ist ihnen genauso viel wert wie Erwerbstätigkeit, da gibt es diese Unterscheidung in minderwertige "weibliche" und höherwertige "männliche" Tätigkeiten nicht mehr. Demgegenüber halten aber auch die modernen Männer und Frauen an bestimmten Unterschieden zwischen den Geschlechtern fest, sie sind ihnen wichtig, sie werden aber nicht mit unterschiedlichen Wertigkeiten versehen.

Was bedeutet das für die Partnerwahl?


Die große Mehrheit der Männer und Frauen hängt einem romantischen Liebesideal an. Zwischen 60 und 80 % meinen, dass für eine dauerhafte Beziehung Eigenschaften wichtig sind wie Liebe, Vertrauen, Ehrlichkeit. Das sind stark gefühlsbetonte, eben romantische Eigenschaften. Nur eine Minderheit, zwischen 10 und 20 %, meint, dass Durchhaltevermögen, Kompromissfähigkeit, die Fähigkeit zum Aushandeln für eine gedeihliche Partnerschaft von Belang sind. Was in der Paarwirklichkeit eine Beziehung stabil macht, spielt in der Befragung für die Partner keine große Rolle.

Kommen damit nicht starke Belastungen auf die Paare zu, wenn Kinder da sind?


Wenn diese romantischen Ideale nicht erfüllt werden können, sich die Probleme verstärken. Die Ankunft des ersten Kindes ist auch für moderne Paare eine Art Lackmustest, denn die Gefahr, dass sich Mutter und Vater auf traditionelle Rollen zurückziehen, ist sehr groß. Oder die Gefahr, sich zu trennen. Allerdings ist der Wunsch nach einer dauerhaften Beziehung mit Kindern bei Männern wie bei Frauen sehr groß. Der Trauschein ist ihnen dabei nicht so wichtig. Nur die allerwenigsten wollen als Single leben.

Moderne Männer: resistent gegen Gewalt


Sie haben auch Einstellungen zu Gewalt und Gewalthandeln untersucht.


Die Akzeptanz von Gewalt hat generell zugenommen, bei Frauen und bei Männern. Männer sind häufiger Täter, aber auch wesentlich häufiger Opfer von Gewalt. Ein Mann von 25 bis 30 Jahren hat ein vier- bis sechsmal höheres Risiko, Opfer einer Gewalttat zu werden, wie eine Frau im entsprechenden Alter. Die Gewalt ist statistisch ein Phänomen unter Männern. In der Familie ist die Menge der Gewalttaten, die von Frauen oder Männern ausgeht, etwa gleich verteilt.

Heißt das, der Klaps und die Prügel ziehen wieder in die Wohnstuben ein?


Mit "Gewaltakzeptanz" meinen wir zunächst die Einstellungsebene, also ob Gewalt als Mittel der Durchsetzung von Interessen akzeptiert wird. Das hat bei den traditionellen Männern und Frauen zugenommen, bei den modernen ist das praktisch inexistent. Damit ist die Zustimmung zu Aussagen gemeint wie: "wenn eine Frau vergewaltigt wird, hat sie im Zweifelsfall den Mann provoziert", "ein Mann beweist sich gegenüber anderen Männern durch Kraftakte", "Kinder brauchen ab und zu einen Klaps, damit sie zur Vernunft kommen" bis hin zu offen rassistischen Einstellungen, die die Überlegenheit der weißen Rasse propagieren.

Sind die jungen Menschen da anfälliger?


Das zieht sich durch alle Altersstufen. Gewaltakzeptanz hängt statistisch stark mit Autoritarismus zusammen, mit einer Abhängigkeit von einer äußeren Instanz, die einem sagt, was gut und was richtig ist - ob das der Chef ist oder der Anführer einer rechtsextremistischen Clique. Autoritäre Menschen sind seelisch eigentlich sehr labil und verletzlich, können diese Gefühle bei sich selbst aber nicht zulassen und legen sich ein starres Korsett zu. Das führt dazu, dass diese Gefühle nach außen verlagert werden. Menschen, die "anders" sind, anders leben, sei es durch Hautfarbe oder Lebensweise ersichtlich, die müssen in der Fantasie oder letztlich auch real beseitigt werden…

Polarisierung der Gesellschaft nimmt zu


Müssen wir mit einer Zunahme der Gewalt in den Familien rechnen?


Wir müssen davon ausgehen, dass es Gewalt in den Familien gibt und weiter geben wird, von Müttern wie von Vätern ausgehend. Dabei geht es nicht um ein Aufrechnen wer schlimmer ist. Wir müssen aber hinschauen auf die Männer, die große Probleme haben, sich als Opfer zu outen, es sich selbst zuzugestehen und dann gegebenenfalls zur Polizei zu gehen. Es ist so schwer, weil "man" meint, man sei entweder ein Mann oder ein Opfer; beides zusammen ist im herkömmlichen Männerbild nicht vorgesehen.

Ein Ausblick in die Zukunft: Wie wird es in 10 Jahren mit Vätern und Müttern aussehen?


Prognosen sind für empirische Forscher immer schwierig. Ich vermute, dass die Polarisierung, die wir 2008 im Vergleich zu 1998 festgestellt haben, sich fortsetzen wird. Moderne Familienarrangements werden sich ausdehnen, es wird aber auch Gegentendenzen geben, vor allem in der Arbeitswelt. Da wird ja hohe Flexibilität und grenzenlose Verfügbarkeit der Arbeitskräfte durch die Arbeitgeber gewünscht. Flexibilität muss auch von den Familien gedacht werden können!
Flexibilität geben uns zwar auch technische Arrangements, wie das home-office, die Möglichkeit, sich für die Arbeit nicht von der Familie trennen zu müssen. Damit das anerkannt wird, brauchen wir eine Abkehr von der Anwesenheitskultur in Deutschland. Da wird physische Anwesenheit immer noch per se als Leistung gesehen. Dabei ist das medizinisch und physiologisch Unsinn, niemand kann acht Stunden am Stück konzentriert arbeiten. Teilzeit und entzerrte Arbeit wäre also effizienter und daher auch im Sinne der Unternehmen. Wenn Manager und Chefs selbst Väter sind, sind da auch in kleineren Betrieben interessante Arrangements möglich. Väter müssen auch nicht alles allein schaffen, sie sollten sich Unterstützung holen, sich erkundigen, welche Modelle es in den Betrieben gibt und wer sie schon in Anspruch genommen hat. Sie können Kontakte zu Gewerkschaften oder Männernetzwerken aufnehmen. Im politischen Bereich müssen die Betreuungsangebote weiter verbessert werden: Sie müssen flächendeckend, gut erreichbar und verlässlich vorhanden sein. Erst dann kann man von einer echten Wahlfreiheit für die Väter und Mütter sprechen, ob sie die Kinder zu Hause erziehen oder sie sie in eine Einrichtung geben wollen. In Frankreich, wo das seit Jahrzehnten praktiziert wird, ist Vereinbarkeit kein gesellschaftspolitisches Thema.

Die Fragen stellte Ralf Ruhl

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