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Die zweite Geburt


Heute bekomme ich ein Kind! sagte sie. Ich zeigte ihr den Vogel. Woher willst Du das wissen? sagte ich. Wenn Du noch etwas zu besorgen hast, erledige es jetzt. Nach dem Mittagessen spielten wir - wie immer, wenn wir auf ein Kind warteten - eine Runde Kniffel im Bett. Plötzlich sprang sie auf und rannte auf den Balkon. Ich hörte es plätschern. Die Fruchtblase war geplatzt. Dann hast Du ja doch recht! rief ich. Ich wusste, bald würde unser zweites Kind ankommen. Ich bereitete das Bett vor. Ich rief die Hebamme. Die wollte in zwei, drei Stunden mal vorbeikommen. Meine Frau kniete derweil vor der Kloschüssel. Ihr war schlecht geworden. Sie hatte heftige Wehen. Im Knien konnte sie diese am besten aushalten. Sie konnte sich gegen die Wehen nicht wehren. Sie wollte auf keinen Fall ins Bett. Einfach nur knien. Die Wehen wurden immer stärker. Ich rief die Hebamme noch mal an und schilderte die Lage.

Eine halbe Stunde später war sie da. Meine Frau krabbelte ins Bett. Die Hebamme untersuchte sie und sagte: Ich seh ja schon das Köpfchen! Zwei Wehen. Das Kind kam mit offenen Augen zur Welt. Bald ließ uns die Hebamme allein mit unserem Glück. Ich führte die Große ins Schlafzimmer. Ihren ersten Blick auf die Schwester vergesse ich nie: diese Mischung aus Erstaunen, Neugier und Skepsis. Meine Frau erholte sich zusehends. Am Abend saßen wir schon auf dem Balkon und stießen mit Sekt auf unser neues Familienmitglied an. Alles war wunderbar.

Paul K.

Beim zweiten Mal ist alles leichter


Paul war 34, als seine erste Tochter geboren wurde. Er wurde Zeuge einer anstrengenden Hausgeburt. Die zweite Geburt ging um so leichter.



Die erste Geburt - Ich war dabei.

Es dauerte die ganze Nacht. Ich habe sie leiden sehen. Ich habe sie schreien hören. Ich habe sie erleichtert gesehen. Ein Kind war unterwegs. Unterwegs zu uns. Wir haben überlegt, gezweifelt, diskutiert. Wir haben uns gefreut. Wir wussten nicht, was kommt. Wir haben uns vorbereitet. Auf eine Hausgeburt. Doch bekommen hat sie das Kind. Ich war nur dabei. Ich konnte nicht viel tun. Nur dabei sein. Aber Dabeisein ist nicht alles. Es erfasste nur sie. Existentiell. Ich hatte Angst - um sie - um das Kind. Nur die Hebamme konnte wirklich helfen. Ich war nur dabei. Aber ich habe Hoffnung, Vorfreude, das letzte Aufbäumen und selige Erschöpfung mit durchlebt. Es begann am frühen Abend. Erst kamen die Wehen gut in Gang, waren laut Hebamme auch produktiv.

Dann ging irgendwann nichts mehr vorwärts. Die Wehen wurden schwächer. Sie sollte aus dem Bett, sich bewegen. Das war kaum möglich. Irgendwann kamen die Wehen zurück. Endlich ging es weiter. Es war schon weit nach Mitternacht, als die Hebamme den Frauenarzt rief. Sie durfte nicht nähen, falls es zu einem Dammriss kommen würde. Als der Arzt kam, waren die Wehen schwächer geworden, genauso wie sie, kaum mehr ansprechbar, in den Wehenpausen apathisch. Der Arzt trampelte auf die Matratze und presste mit aller Kraft sein Knie gegen ihren Bauch. Sie schrie. Wimmerte. Nichts bewegte sich. Was tun? Die Hebamme setzte ihr ein Ultimatum: "Wenn bis 5 Uhr nichts geschieht, müssen wir ins Krankenhaus!" Sie nahm alle Kraft zusammen. Bloß nicht ins Krankenhaus! Bei der Vorstellung, die Treppe hinab und ins Auto einsteigen zu müssen, schüttelte sie sich.

Dann ging es plötzlich ganz schnell. Es war zehn nach fünf, als das Kind geboren wurde. Draußen zwitscherten die Vögel. Die Hebamme legte ihr das Neugeborene auf den Bauch. Beide waren völlig erschöpft. Regungslos. Die Hebamme forderte mich auf, meine Tochter zu berühren. Ich näherte mich vorsichtig. Als sich das Neugeborene auf einmal bewegte, meinte ich einen Augenblick, ein Monster zu berühren, so unglaublich fühlte sich das an. Fremd. Fast gespenstisch. Da wurde mir klar: neues Leben ist aus ihrem Bauch heraus gekommen. Es bewegt sich. Von selbst. Ein Lebewesen. Ein Mensch wie du und ich. Ein Mensch wie sie und ich.

Ein Wunder - und ich war dabei. Danke.

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