Schreibende Wickelprofis
Bild: schleiser
Selbstironische Berichte von Vätern in der Babypause stapeln sich in den Buchläden. Werden die lustigen Werke gebraucht? Oder sind Journalisten in der Elternzeit einfach zu wenig ausgelastet - wie weibliche Lästemäuler behaupten?
Wie schön wäre es, bekäme man bei der Geburt eines Kindes gleich die passende Bedienungsanleitung mitgeliefert! Das dachte sich der amerikanische Kinderarzt Louis Borgenicht und schrieb einen Väter-Ratgeber der besonderen Art. "Das Baby - Inbetriebnahme, Wartung und Instandhaltung” karikiert den Sprachduktus, dem sich Kunden beim Kauf technischer Geräte ausgesetzt sehen. Da wird das Kinderzimmer "konfiguriert”, der "Schlafmodus” programmiert, die "Energieversorgung” sichergestellt (Füttern) oder der Umgang mit den "Service-Providern” (Hebammen, Ärzte) trainiert.
"Cool bleiben” empfiehlt der Schnuller-Hersteller nip, der den Zehnkämpfer Frank Busemann über das "Leben eines Ahnungslosen” kalauern lässt. Kostprobe: "Porsche oder Kind? Beide sind laut, wenn sie aufdrehen. Ich entschied mich für den milchfressenden Eurofresser. Ein Porsche verliert an Wert, ein Kind behält ihn und bleibt unbezahlbar.” Der Sponsor wirbt für "Cool Twister”: Mit "dem ersten Fläschchenwasser-Abkühler der Welt können Väter der Fläschchenzubereitung ganz gelassen entgegen sehen. Nach dem simplen Prinzip des Wärmetausches kühlt er abgekochten Wasser in nur 80 Sekunden auf die gewünschte Trinktemperatur herunter.” Wärmetausch, das kennt Mann doch aus dem Physikunterricht, das klingt vertrauter als Rückbildungsgymnastik! Wenn dann noch "die neuen nip-Schnuller der Serie Spacy zu einem echten Hingucker werden”, ist Papa wunschlos glücklich. Und "die cleveren Produktideen sind natürlich auch für Mütter”.
Coole Fläschchen
Sind Männer nur über witzige Umwege zu motivieren, sich Wissen über ihren Nachwuchs anzueignen? Muss man sie dort abholen, wo sie angeblich stehen, in einer seelenlosen, rein sachorientierten Ingenieurwelt, wo alles nach Plan funktioniert? Der ironische Tonfall jedenfalls ist offenbar ein Muss im Vätergenre - das belegen schon die Buchtitel. "Der Bauch ist rund, und Schluss ist, wenn die Hebamme abpfeift” heißt es in Anspielung auf den männlichen Lieblingssport. Der Verfasser strapaziert seine Analogie: Von der Zeugung zur Entbindung, so erfährt Mann staunend, das dauert ungefähr so lange wie eine Bundesligasaison. "Papas Schwangerschaftskalender” geleitet durch diese Zeit; später garantiert ein Werk im Militärjargon das "Überleben an der Wickelfront”. Ein Autor schildert "mein Leben als Mutti”, ein anderer ruft den "Zwergenalarm” aus. "Wir Wickelprofis” machen "die Elternzeit zum Kinderspiel”. Und selbstverständlich gibt es auch "Wickelpedia” - in Anlehnung an das Online-Lexikon Wikipedia.
Väter der Karotte
"Papa im Sabberjahr” oder "Väter der Karotte” spotten vorwiegend weibliche Kritikerinnen über die gedruckten Abenteuer der männlichen Helden in Elternzeit. "Schreibtischväter” nannte sie einst der Kabarettist Wiglaf Droste, das klang nicht zufällig wie Schreibtischtäter. Nach dem Motto: Statt sich einfach um ihr Kind zu kümmern, müssen sie sich gleich wieder wichtig machen, ihre Befindlichkeiten im Umgang mit dem Säugling öffentlich ausbreiten. Und glauben auch noch, das interessiere automatisch ein breites Publikum.
Die Häme, die dem schriftstellernden Vater entgegen schlägt, wirkt übertrieben. Denn nur ein Teil der Bücher ist vollkommen überflüssig, manche Papa-Anekdote amüsant, manche Information durchaus hilfreich. Ein Grund für die Ratgeberflut ist schlicht der wachsende Bedarf. Väter mit Baby, Jahrzehnte lang Exoten, sind zur nennenswerte Masse geworden. Über zwanzig Prozent der Anträge auf Elternzeit stellen inzwischen Männer, hat das Statistische Bundesamt ermittelt; Tendenz weiter steigend. Damit gelten Väter auf dem Buchmarkt als Zielgruppe - und sei es nur, weil die meist weiblichen Kundinnen Partner oder Freunde mit gedruckten Tipps überraschen wollen.
Die Auszeit mit dem Säugling ist für Männer ungewohntes Terrain. Historische Vorbilder und Erfahrungen fehlen weitgehend, das schreit geradezu nach publizistischer Handreichung. Weniger böse formuliert als es Satiriker Droste tut: Der Boom der Väterliteratur beruht auf einer häufig gemachten neuen Erfahrung. Erziehende Männer wollen sich ihre Unsicherheit nicht anmerken lassen; mit Humor abgefedert fällt die Umstellung auf die neue Situation leichter. "Es wird empfohlen, gleich nach der Lieferung eine emotionale Bindung zwischen User und Baby herzustellen”, rät das Geschenkbuch für den schwangeren Wartungstechniker. Ist doch witzig, oder? Ihren Alltag können Väter natürlich auch ohne die lockeren Büchlein im Plauderton bewältigen.
Thomas Gesterkamp
"Cool bleiben” empfiehlt der Schnuller-Hersteller nip, der den Zehnkämpfer Frank Busemann über das "Leben eines Ahnungslosen” kalauern lässt. Kostprobe: "Porsche oder Kind? Beide sind laut, wenn sie aufdrehen. Ich entschied mich für den milchfressenden Eurofresser. Ein Porsche verliert an Wert, ein Kind behält ihn und bleibt unbezahlbar.” Der Sponsor wirbt für "Cool Twister”: Mit "dem ersten Fläschchenwasser-Abkühler der Welt können Väter der Fläschchenzubereitung ganz gelassen entgegen sehen. Nach dem simplen Prinzip des Wärmetausches kühlt er abgekochten Wasser in nur 80 Sekunden auf die gewünschte Trinktemperatur herunter.” Wärmetausch, das kennt Mann doch aus dem Physikunterricht, das klingt vertrauter als Rückbildungsgymnastik! Wenn dann noch "die neuen nip-Schnuller der Serie Spacy zu einem echten Hingucker werden”, ist Papa wunschlos glücklich. Und "die cleveren Produktideen sind natürlich auch für Mütter”.
Coole Fläschchen
Sind Männer nur über witzige Umwege zu motivieren, sich Wissen über ihren Nachwuchs anzueignen? Muss man sie dort abholen, wo sie angeblich stehen, in einer seelenlosen, rein sachorientierten Ingenieurwelt, wo alles nach Plan funktioniert? Der ironische Tonfall jedenfalls ist offenbar ein Muss im Vätergenre - das belegen schon die Buchtitel. "Der Bauch ist rund, und Schluss ist, wenn die Hebamme abpfeift” heißt es in Anspielung auf den männlichen Lieblingssport. Der Verfasser strapaziert seine Analogie: Von der Zeugung zur Entbindung, so erfährt Mann staunend, das dauert ungefähr so lange wie eine Bundesligasaison. "Papas Schwangerschaftskalender” geleitet durch diese Zeit; später garantiert ein Werk im Militärjargon das "Überleben an der Wickelfront”. Ein Autor schildert "mein Leben als Mutti”, ein anderer ruft den "Zwergenalarm” aus. "Wir Wickelprofis” machen "die Elternzeit zum Kinderspiel”. Und selbstverständlich gibt es auch "Wickelpedia” - in Anlehnung an das Online-Lexikon Wikipedia.
Väter der Karotte
"Papa im Sabberjahr” oder "Väter der Karotte” spotten vorwiegend weibliche Kritikerinnen über die gedruckten Abenteuer der männlichen Helden in Elternzeit. "Schreibtischväter” nannte sie einst der Kabarettist Wiglaf Droste, das klang nicht zufällig wie Schreibtischtäter. Nach dem Motto: Statt sich einfach um ihr Kind zu kümmern, müssen sie sich gleich wieder wichtig machen, ihre Befindlichkeiten im Umgang mit dem Säugling öffentlich ausbreiten. Und glauben auch noch, das interessiere automatisch ein breites Publikum.
Die Häme, die dem schriftstellernden Vater entgegen schlägt, wirkt übertrieben. Denn nur ein Teil der Bücher ist vollkommen überflüssig, manche Papa-Anekdote amüsant, manche Information durchaus hilfreich. Ein Grund für die Ratgeberflut ist schlicht der wachsende Bedarf. Väter mit Baby, Jahrzehnte lang Exoten, sind zur nennenswerte Masse geworden. Über zwanzig Prozent der Anträge auf Elternzeit stellen inzwischen Männer, hat das Statistische Bundesamt ermittelt; Tendenz weiter steigend. Damit gelten Väter auf dem Buchmarkt als Zielgruppe - und sei es nur, weil die meist weiblichen Kundinnen Partner oder Freunde mit gedruckten Tipps überraschen wollen.
Die Auszeit mit dem Säugling ist für Männer ungewohntes Terrain. Historische Vorbilder und Erfahrungen fehlen weitgehend, das schreit geradezu nach publizistischer Handreichung. Weniger böse formuliert als es Satiriker Droste tut: Der Boom der Väterliteratur beruht auf einer häufig gemachten neuen Erfahrung. Erziehende Männer wollen sich ihre Unsicherheit nicht anmerken lassen; mit Humor abgefedert fällt die Umstellung auf die neue Situation leichter. "Es wird empfohlen, gleich nach der Lieferung eine emotionale Bindung zwischen User und Baby herzustellen”, rät das Geschenkbuch für den schwangeren Wartungstechniker. Ist doch witzig, oder? Ihren Alltag können Väter natürlich auch ohne die lockeren Büchlein im Plauderton bewältigen.
Thomas Gesterkamp
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