Reisen - nur für Erwachsene?
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"Kinderfreie” Hotels sind ein neuer Trend der Reisebranche, der auch noch zynisch beworben wird. Gleichzeitig profilieren sich andere Veranstalter als besonders "familienfreundlich”.
Familien - wie randalierende Fußballfans?
Mit dem süßen Leben ohne Kinder lockt ein Hotel im bayerischen Wald. Das "Dolce Vita” im Ferienort Bodenmais bietet "Genuss in Ruhe und Harmonie” - da stört der lästige Nachwuchs. Das Haus ist stolz auf seine "kinderfreie Philosophie”. Die verbirgt sich hinter der freundlich klingenden Formulierung "Jugendliche ab 16 sind herzlich willkommen”. Heißt im Klartext: Alle unter 16 müssen draußen bleiben. Mit dieser "Zielgruppenorientierung”, so die Betreiber Astrid Stiefel und Andreas Diefenbach, seien sie "der Zeit voraus”. Nur wenige Tourismusdienstleister trauen sich bisher, ihr "kinderfreies” Konzept derart offensiv zu vermarkten. In der Regel wird das Fernhalten der kleinen Besucher dezent aber wirkungsvoll über den Preis geregelt - ob in Edelherbergen oder Luxus-Thermalbädern, wo der Eintritt extrem teuer und Kinderermäßigung ein Fremdwort ist. Doch mit der wachsenden Zahl von Singles und Paaren ohne eigene Familie entsteht offenbar ein gesellschaftliches Klima, das urlaubende Kinder auf eine Stufe stellt mit alkoholisierten Russen oder randalierenden Fußballfans.
"Für Erwachsene" heißt "gegen Kinder"
Als sich vor einigen Jahren ein Wirt im bayerischen Kraiburg weigerte, Kinder unter zwölf in sein Restaurant zu lassen, kam es zum Eklat. Die CSU-Sozialministerin Christa Stewens sprach von einem Skandal. Doch nicht nur in Deutschland sind Kinder mancherorts unerwünscht. So nennt sich das Hotel "Amalienburg” im österreichischen Saalbach "erwachsenenfreundlich”, das "Cortisen” am Wolfgangsee verspricht unter dem Motto "No kids” einen ruhigen Aufenthalt. Beide Häuser wurden wegen ihrer Marketingstrategie von Politikern und Tourismusverbänden heftig kritisiert
Kinderfeindlich? Diesen Vorwurf weisen sämtliche Verantwortlichen weit von sich. Sie sprechen von einer "Marktlücke”, einem "Nischenprodukt”, das gezielt die Wünsche bestimmter Kunden bediene. Die entsprechende Klientel gibt es: Bei einer (nicht repräsentativen) Umfrage der Tourismus-Plattform HolidayCheck.de bekundeten 41,6 Prozent der Befragten: "Ich bin für Erwachsenen-Hotels, weil mich das Kindergeschrei stört.” Vorsicht - spielende Kinder Die Hoteliers des "Dolce Vita” berichten von einem "Schlüsselerlebnis”, als sie selbst auf Reisen waren und sich in einem Whirlpool entspannen wollten. Obwohl "eine Altersbeschränkung vorgegeben war, spielten Kleinkinder Fangen, suchten andere Kinder ihre Eltern und wieder Andere fanden es lustig, nackte Menschen zu sehen”. Es gebe zahlreiche familienfreundliche Angebote in unmittelbare Nähe ihres Hauses. "Selbstverständlich helfen wir jedem weiter, der eine gute Empfehlung für ein Kinderhotel benötigt.”
Urlaub ist intensive Familienzeit
In der Tat: Familienorientierung ist schon länger ein wichtiges Werbeargument in der Reisebranche. Das Spektrum reicht von geräumigen und miteinander verbundenen Zimmern über Kinderanimation bis zu Paketlösungen, bei denen Eltern von Betreuern des Veranstalters zeitweise entlastet werden. Denn selbstverständlich können Kinder manchmal nerven - und Eltern haben das berechtigte Bedürfnis, auch mal ohne die lieben Kleinen auszuspannen. Im Alltag gibt es dafür zum Beispiel Verwandte, Freunde oder Babysitter. Aber gleich den ganzen Urlaub ohne die Kinder verbringen, jene Zeit, wo Familien sich endlich mal gelassen aneinander freuen können? Gerade für beruflich stark engagierte Väter (und Mütter) kann das bedeuten, sich um den letzten Rest an möglichen intensiven Erfahrungen mit dem Nachwuchs zu bringen. Die Geschäftsidee "Kinderfreies Hotel” passt zu einem Zeitgeist, der öffentliche Räume an Erwachsenen orientiert und für den Nachwuchs Sanktionen bereithält: Spielen und Toben verboten, und bitte keine Kindertagesstätte in unserem ruhiges Wohngebiet! So besehen, handelt es sich weniger um pfiffige Werbung als um Ausgrenzung und Diskriminierung. Das zynische Motto "Nur für Erwachsene” ist kein Tabubruch, wie seine Verfechter behaupten, sondern wirft ein trauriges Bild auf die egoistische Stimmung und nicht vorhandene gemeinschaftliche Werte in Teilen unserer Gesellschaft.
Thomas Gesterkamp
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