Erzieher fehlen
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Drei Kinder pro Erzieherin, das wäre ein toller Personalschlüssel! Um diesen pädagogisch wünschenswerten Zustand zu erreichen, fehlen 120.000 Erzieher, errechnete die Bertelsmann-Stiftung.
Betreuung nach Wunsch? Weit gefehlt!
Einen Betreuungsplatz für jedes Kind, das versprach die damalige Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen. Naja, natürlich nicht für jedes, ruderte sie quasi sofort zurück, indem sie präzisierte, dass für jedes dritte Kind ein Krippen- oder Kita-Platz vorhanden sein sollte. Immerhin haben Eltern von Kindern unter drei Jahren seit dem 1.8.2013 einen Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz. Allerdings nicht nach Wunsch, sondern nach Verfügbarkeit. Es kann also ein Platz am Nachmittag, in einer relativ weit entfernten Kita oder auch eine Betreuung durch eine Tagesmutter sein.
Dennoch stehen noch nicht einmal für diese 33 Prozent ausreichend Plätze zur Verfügung. Am 1.3.2014 waren es 662.000 Betreuungsplätze, notwendig wären 750.000. Nur für diese Drittelquote! Wie es in den Bundesländern konkret aussieht, ermittelte nun die Bertelsmann-Stiftung. Demnach gibt es ein großes Ost-West-Gefälle in der frühkindlichen Bildung, nur zwei Bundesländer kommen dem gewünschten Personalschlüssel von 1:3 nahe. Das sind der Stadtstaat Bremen und der Flächenstaat Baden-Württemberg. Der Bundesdurchschnitt liegt bei1:3,8, im Flächenstaat Niedersachsen zum Beispiel bei 1:4,2 - das ist der zweitschlechteste Wert in Westdeutschland. In den östlichen Bundesländern ist eine Erzieherin für bis zu sechs Kinder in der Krippe zuständig.
Unterschiedliche Betreuungsschlüssel
Die Betreuungsschlüssel unterscheiden sich demnach sehr stark, übrigens auch im Kita-Bereich. Hier liegt der Betreuungsschlüssel im Westen bei 1:9,1 - wiederum liegt Bremen vorn mit 1: 7,7 - und im Osten bei 1:12,7. Schlusslicht ist Mecklenburg-Vorpommern (1:14,9). In der Praxis ist das Verhältnis oft noch schlechter. Schließlich gibt es eine Pflicht zur Fortbildung für Erzieherinnen, Elterngespräche, Teambesprechungen, Urlaub und Krankheitsausfälle kommen hinzu. Damit sei eine Erzieherin oft nur 75 Prozent ihrer Arbeitszeit tatsächlich in der Gruppe, so die Autoren der Studie. Davon ausgehend betreut eine Krippenerzieherin in Westdeutschland mindestens fünf, in Ostdeutschland durchschnittlich acht Kinder.
Stiftungsvorstand Jörg Dräger meinte daher, die Politik müsse sich auf gemeinsame Standards einigen. Aber mit gemeinsamen Standards sind keine 120.000 Erzieher zu gewinnen! Das braucht viel Geld, zusätzlich fünf Milliarden Euro pro Jahr. Ausbildungskosten selbstverständlich zusätzlich.
Mehr Geld für frühkindliche Bildung!
Kurzfristig sind sicher nicht so viele Männer und Frauen für den Erzieherberuf zu gewinnen. Hier braucht es eine verbesserte Gehaltsstruktur, bessere Aufstiegsmöglichkeiten, Mitgestaltungsmöglichkeiten am Arbeitsplatz, bessere Bedingungen für Quereinsteiger und Umschüler. Und wenn in der Presse auch zur Bertelsmannstudie immer wieder von "Erziehern" die Rede ist - auch bessere Programme für die Gewinnung von Männern für diesen Beruf. Denn der ist im pädagogischen Bereich immer noch zu weit über 90 Prozent weiblich.
Ralf Ruhl
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