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Trennungsväter und die Netto-Zeit


Richard kann darüber nur sarkastisch lachen. Seit vier Jahren lebt der 38jährige Verlagskaufmann von seinen beiden Kindern getrennt. Er sieht sie an jedem zweiten Wochenende: "Aber eigentlich netto nur für einen Tag, wenn man die Pack- und Wegezeiten abzieht." Mehr gesteht ihm seine Expartnerin nicht zu, obwohl sie nur 50 Kilometer entfernt wohnt.

"Jedes Mal dauert es eine gute Stunde, bis die Kinder sich eingewöhnt haben, geschaut haben, ob in der Wohnung noch alles an seinem Platz ist", sagt er. Aber die Zeit, die er ausschließlich den Kindern zugewandt verbringt, sei höchstens eine Stunde am Tag. Dann wäre eben noch Einkaufen, Essen, Betten machen, Pflege etc. dran.

Zeit mit den Kindern intensiv verbringen


Quality Time - Mit Kindern sinnvoll Zeit verbringenBild: slou-photocase.com

Nicht die Menge der mit den Kindern verbrachten Zeit ist wichtig, sondern das, was man in dieser Zeit tut. Das suggeriert der Begriff Quality Time. Nur: Die Kinder sehen es anders!


Es klingt wie eine Ermutigung für gestresste Managerväter: Nicht die Menge der Zeit, die du mit deinem Kind verbringst, ist ausschlaggebend - sondern wie ihr sie verbringt. Das besagt, kurz gesprochen, das Konzept der Quality Time, das seit den 1970er Jahren in der Diskussion um Vereinbarkeit von Familie und Beruf immer wieder bemüht wird. Der Begriff tauchte 1973 zum ersten Mal in einem Zeitungsartikel in Maryland (USA) auf.

Zeit für das Besondere


Diese Zeit soll ausschließlich dazu dienen, die menschlichen Beziehungen zu festigen. Ob es sich dabei um gemeinsames Essen, Kochen, Spazierengehen, Sport, Lesen oder Spielen handelt, ist nebensächlich. Auch das Bundesfamilienministerium bemüht sich, über diesen Weg das Familienleben zu verbessern: "Als Qualitätszeit für Familien betrachten wir verlässliche und selbstbestimmte Zeitoptionen, die Familien bewusst für gemeinsame Aktivitäten nutzen. Dabei kann es sich sowohl um gemeinsame Ausflüge oder Spielnachmittage handeln als auch um Aktivitäten, wie etwa gemeinsames Kochen und Essen, solange sie bewusst als Familienzeit wahrgenommen werden. Reine Haushaltstätigkeiten oder Hobbys, bei denen andere Familienmitglieder auch anwesend sind, zählen hingegen nicht dazu," so steht es im Memorandum Familie leben.

Qualität braucht Zeit


Gestresste Arbeitnehmer


Doch nicht nur Trennungsväter fühlen sich von der Propagierung der Quality Time ausgegrenzt. Michael ist als Umwelttechniker für die Wartung von Windkraftanlagen zuständig. "Da bin ich jeden Tag unterwegs, oft auch bis abends. Die Kinder sehe ich dann bestenfalls kurz vorm Zu-Bett-Gehen." Und dann habe er auch eine Pause nötig. "Richtig voll kann ich mich dann jedenfalls nicht mehr auf eine Gute-Nacht-Geschichte oder ein Spiel konzentrieren." Gemeinsam verbrachten Alltag würde das jedenfalls nicht ersetzen.

Die immer weiter um sich greifende Extensivierung der Arbeitszeiten sieht er deshalb mit Sorge. "Wenn jetzt schon der Boden für die 45-Stunden-Woche bereitet wird mit dem Hinweis auf Facharbeitermangel - dann sehe ich schwarz für meine Familie."

Qualität braucht Zeit


Auch Quality Time braucht eben einen Vorlauf, in dem man sich aneinander gewöhnt, die Stimmung erspürt, in dem sich herausfiltert, was man gemeinsam tun könnte. Denn schließlich wollen sich alle Beteiligten dabei wohlfühlen.

Das ist inzwischen auch wissenschaftlich belegt. Eine über 22 Jahre laufende Langzeitstudie der Universität Regensburg mit etwa 50 Familien kam zu dem Ergebnis, dass "die partnerschaftliche, sensible und anregende Qualität des väterlichen Verhaltens" für einen guten Kontakt zum Kind substantiell sei.

Solche Nähe allerdings braucht Zeit - und zwar von Anfang an. Wie soll der Vater sonst die Stärken und Schwächen seines Kindes, seine Vorlieben und Bedürfnisse kennenlernen? Und gerade die Fähigkeit, sensibel mit Kindern umzugehen, Feinfühligkeit zu entwickeln - die ist auch Quantität gebunden, daran, wie viel Zeit man gemeinsam verbringt, wie viele Aufgaben man gemeinsam bewältigt und wie viele Konflikte man gemeinsam löst.

Nähe und Partnerschaft


Und den Kindern ist Quantität sehr wichtig. Denn sie führt - allerdings nicht automatisch - zu Qualität. Für die "Bielefelder Ehe- und Erziehungsstudie" wurden fünf Jahre lang über 300 Familien befragt und in ihrem Tun begleitet. Demnach fühlen sich Kinder umso mehr von ihm liebevoll umsorgt, wertgeschätzt, angenommen, beachtet und geliebt, je mehr sich der Vater im Haushalt engagiert. Spülen und Kochen gehört nach der Definition des Bundesfamilienministeriums jedoch nicht zur Quality Time.

Den größten Einfluss auf die Qualität der Beziehung zwischen Vater und Kind hat ohnehin die Partnerschaft mit der Mutter. Prof. Wassilios E. Fthenakis, ehemaliger Leiter des Münchener Staatsinstituts für Frühpädagogik, sieht in der Harmonie zwischen den Eltern einen wichtigen Indikator für das Verhältnis zwischen Vater und Kind. Wenn die Harmonie groß ist, seien Väter wärmer und sensibler und würden sich mehr um die Pflege im Alltag kümmern.

Also, liebe Väter, ab und zu mal ein Candle-Light-Dinner und ein Liebesfilm im Kino mit der besten aller Mütter ist die beste Vorraussetzung für echte Quality Time mit den Kindern....

Ralf Ruhl

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