Unschuld in Gefahr
"Unschuld in Gefahr" ist die Übersetzung des Namens des Vereins, deren Geschäftsführerin Sie sind. Gibt es heute überhaupt noch Unschuld?
Klar gibt es die! Allerdings leben die Kinder heute nicht mehr in Bullerbü. Sie spielen nicht mehr nur mit den Nachbarskindern, die alle kennen. Die Tür zur Welt ist nicht mehr nur die Haustür, sondern auch das Smartphone und der Tablet-Computer. Ihre Freunde kennen sie nicht nur analog, sondern auch über Facebook- und WhatsApp-Gruppen. Wir Erwachsenen müssen unsere paradisische Naivität aufgeben. Die Welt - insbesondere die des Internets - ist leider kein Paradies.
Was macht das Internet so besonders gefährlich?
Fast 95% der Elfjährigen haben Zugang zum Internet, vor allem über Smartphones. Die JIM-Studie von 2014 hat herausgefunden, dass 78% der Jugendlichen Pornos auf dem Handy kennen, 28% hatten solche Filme zugesandt bekommen. Das zeigt, wie wichtig vor allem Prävention ist. Laut UN und FBI sind in jeder Sekunde 750.000 Pädokriminelle online unterwegs. Und online haben sie den direkten, ungestörten Kontakt zum Kind. Über Profile in sozialen Netzwerken oder in Spielen lernen sie viel über die Jungen und Mädchen. Dieses Wissen wenden sie dann strategisch an, um Kontakt zu knüpfen. Deshalb müssen wir Kindern, leider, immer wieder sagen: Seid vorsichtig! Gebt nicht ohne weiteres Eure Namen preis, versendet möglichst keine Fotos, auf denen ihr zu erkennen seid! Und ganz wichtig: Geht nie alleine zu Treffen mit Personen, die ihr nur online kennt. Denn laut einer Untersuchung im Auftrag des Bundesfamilienministeriums führen sexualisierte Online-Kontakte von Erwachsenen zu Kindern bei einem Offline-Treffen in 100% aller Fälle zu einem sexuellen Missbrauch.
Das digitale Leben verursacht Stress
Schon zehn Prozent der Dreijährigen sind Online. Was machen die im Netz?
Die Jungen spielen vor allem, die Mädchen schauen kleine Filme, vor allem auf YouTube. Dort gibt es viele seriöse Filmangebote, z.B. vom KiKa, Wissen-macht-Aaah oder der Sendung-mit-der-Maus. Eltern finden das oft angenehm, weil sie zu den klassischen Sendezeiten keine Chance haben, zuhause zu sein oder es mit ihren Kindern zu sehen. Allerdings erzählen die Eltern auch, dass schon die Dreijährigen sehr schnell von rechts nach links oder oben nach unten auf dem Tablet wischen. Dann wischen sie eben auch mal auf Angebote, die Pornografie oder Gewalt zum Inhalt haben.
Welche Gefahren lauern vor allem für die Kleinen?
Für die Dreijährigen ist die größte Gefahr, auf verstörende Inhalte zu stoßen, etwa Gewalt- oder pornographische Darstellungen. Die können die Kleinen schon arg überfordern und beängstigen. Selbst in Disney-Filmen reagieren viele Dreijährige ja angstvoll auf die Meerhexe oder ähnliche Figuren. Dann kann man sich ausmalen, was in dem Kind vorgeht, wenn es auf ein Enthauptungsvideo stößt.
Wie sollten Eltern reagieren, wenn sie bemerken, dass ihr Kind verstört auf Internetinhalte reagiert?
Eltern sollten ihrem Gefühl folgen und darauf eingehen, dem Kind Aufmerksamkeit schenken und ihm rückmelden, was sie wahrnehmen. Und sie sollten das digitale Leben als einen Verursacher von Stress immer mit im Blick haben. Das heißt, interessiert nachfragen: was spielst du, auf welchen Seiten surfst du, wie geht es deiner WhatsApp-Gruppe? Aber auch getrennt von den Kindern sollten sie das Thema verfolgen, z.B. sich mit anderen Eltern austauschen. In vielen Elterngruppen, sei es im Kindergarten oder der Grundschule, gibt es Eltern, die vom digitalen Leben keine Ahnung haben und solche, die unglaublich fit sind. Sich da auszutauschen kann viel Klarheit bringen und auch Ängste nehmen. Wenn die Kinder sich schämen oder sogar schon in eine missbräuchliche Situation gekommen sind, dann sollten Eltern ansprechbar für sie sein. Und dazu sollten sie sich mit anderen austauschen und auch in einer Beratungsstelle Hilfe holen.
Wie Väter ihre Kinder schützen können
Väter sehen sich oft als Beschützer ihrer Kinder. Können sie das im Internet überhaupt?
Selbstverständlich kann man Kinder schützen. Aufklärung ist ein großer Schutz. Dazu muss man natürlich selbst aufgeklärt sein. Je fitter die Eltern den Kindern erscheinen, desto eher vertrauen sie sich ihnen von sich aus an. Für kleine Kinder gibt es wirksame Filterprogramme, die begrenzen, wo es sich aufhalten kann. Hundertprozentigen Schutz gibt es allerdings nicht. Auch wenn ich meinem Kind beigebracht habe, sich an Regeln zu halten, kann es sein, dass es auf Menschen trifft, die das nicht tun. Daher ist es ein wichtiger "Sekundärschutz" mit meinem Kind immer wieder zu besprechen, an wen es sich wendet, wenn es in Not ist.
Gerade den Eltern gegenüber ist die Scham ja besonders groß.
Oftmals, ja. Es ist wichtig, dass Kinder eine handvoll Ansprechpartner haben aus unterschiedlichen Bezügen, also zum Beispiel Paten, andere Verwandte, Freunde der Familie, etc. Dann können sie auswählen. Sicher sind die Eltern auch betroffen und beleidigt, wenn sich ihr Kind jemand anderem anvertraut. Das muss man ehrlich zugeben. Aber es ist viel besser, dass das Kind zu einer anderen Vertrauensperson geht als zu niemandem. Das müssen insbesondere Väter ihren Kindern erlauben.
"Die digitale Welt ist für Kinder kein Paradies"
Bild: jackfrog-fotolia.com
Fast alle Jungen und Mädchen sind heute online. Fast ständig. Damit sieht ihre Kindheit völlig anders aus als die ihrer Eltern. Und auch die Gefahren sind andere: Kinder sind täglich mit Gewalt- oder Porno-Videos konfrontiert. Wie Väter ihre Kinder schützen können, darüber sprach Ralf Ruhl mit der Psychologin Julia von Weiler am Rande der Fachtagung "Kinderschutz im Zeitalter des digitalen Exhibitionismus" in Witzenhausen.
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