Die alltägliche Zurücksetzung der Töchter
Dazu kommt, dass Mädchen in der Pubertät scheinbar "pflegeleichter" sind: offensichtliche Schul- und andere Probleme treten bei Jungs öfter auf, als bei Mädchen. Und die sind dann eben beim Mittagessen Thema. Die Tochter muss zurückstecken, wenn es beim Sohn brennt. Was problemlos läuft, wie der Schultag der Tochter, ist normal und wird weniger beachtet. Und genau das empfinden Mädchen als Vernachlässigung - sie wissen ja nicht, wie zufrieden man eigentlich mit ihnen ist. Dieses Gefühl kann sich über Jahre aufbauen und zu Szenen wie der oben beschriebenen führen.
In Ruhe lassen und Aufmerksamkeit geben
Und jetzt? Eine "Aussprache"? Rechtfertigungen? Da fühlt sie sich oft durch väterliches Gesülze zugetextet wird. Aber du wirst nicht umhinkommen, sich in den Dingen zu bessern, die dir deine Tochter vorwirft. Vor allem musst du deiner Tochter mehr Aufmerksamkeit zukommen lassen. Steck zurück, auch wenn die Anwürfe bitter waren. Gerade jetzt ist es wichtig, für die Tochter da zu sein. Auch wenn sie unmöglich erscheint, ist sie kein Angreifer, denn man abwehren muss, sondern sie beklagt sich darüber, dass man sie nicht beachtet! Gib ihr die Aufmerksamkeit, die sie haben möchte und braucht. Denn wahrscheinlich ist sie in den letzten Jahren zu kurz gekommen - eben weil Mädchen in diesem Alter erwachsener wirken als sie es sind.
Niemand ist fehlerlos und Jugendliche beobachten gut, merken durchaus, wenn jemand selbst den Ansprüchen nicht gerecht wird, die er an andere stellt. Auch daher ist es oft berechtigte Kritik, mit der man als Vater jetzt konfrontiert wird. Außerdem geht es ums Abnabeln und nicht um einen argumentativen Kampf ums Rechthaben. Die Freiheit, sich im Argumentieren zu üben und zu reiben, brauchen die Jugendlichen.
Wenn die Prinzessin ausrastet
In der Pubertät beginnt die Loslösung vom Elternhaus - auch für kleine Prinzessinnen. Aber weil die Tochter bislang immer so lieb, vernünftig und anschmiegsam war, rechnen viele Väter damit gar nicht. Und deshalb droht für sie eine ganze Welt einzustürzen, wenn die Prinzessin ausrastet. Was hilft? Cool bleiben, da sein, Gegenüber sein. Lest den Erlebnisbericht eines pubertätserfahrenen Vaters.
Pubertät heißt Loslösung von den Eltern
Mädchen sind ein wenig früher dran mit ihrer Entwicklung als Jungs. Beim Eintritt in die Grundschule kann der Unterschied im Reifegrad bis zu zwei Jahren ausmachen, bis zur Pubertät verringert er sich langsam und erst mit etwa 18 Jahren ist kaum noch ein Unterschied auszumachen. Im Teenageralter wirken Mädchen somit oft sehr vernünftig und wissen, was sie wollen. Während Unterricht, Hausaufgaben und Büffeln für Jungs eher lästige Pflicht sind, hat man bei den jungen Damen oft den Eindruck, dass sie die Schule als das sehen, was sie sein soll: Die erste Stufe auf dem Weg zur Selbständigkeit und einem interessanten Berufsleben.
Mädchen ticken anders als Jungs
Die plötzliche Unausstehlichkeit der Tochter trifft hart: Was die junge Frau ausspricht, ist oft wesentlich reflektierter und weit rationaler als das Aufbegehren von Jungs. Was man sich von seiner Tochter anhören muss, ist oft fundiert und man sollte es keineswegs als dummes Geschwätz abtun.
Eine solcher Vater-Tochter-Konflikt kann sich aus scheinbar nichtigsten Anlässen ergeben: Die Tochter kommt etwa ein wenig spät nachhause und der Vater fragt - eigentlich eher interessiert als vorwurfsvoll - wo das Fräulein Tochter denn so lange gewesen sei?
Berechtigte Vorwürfe
Daraus kann sich dann ein ausgewachsener Anfall mit Geschrei, Tränen, sich überschlagender Stimme und allem, was sonst noch dazu gehört,entwickeln. Das Ende der Vorstellung besteht in einem plötzlichen Abbruch, der Flucht ins eigene Zimmer und knallenden Türen. Das Üble daran: Man wird nach allen Regeln der Kunst zusammen gebrüllt, bekommt jedoch keine Chance, sich zu rechtfertigen. Das ist der Punkt, wo man dann selbst am liebsten aus der Haut fahren möchte.
Trotzdem sollte man als Vater gelassen reagieren, nicht zurück brüllen oder sich gehen lassen. Denn die Tochter ist noch lange nicht wirklich erwachsen. Sie sollte, auch wenn sie weiß, dass sie sich "unmöglich" aufgeführt hat, das Gefühl haben, zuhause weiterhin geborgen zu sein. Das ist das Privileg von Kindern: Sie dürfen auch mit Geschrei auf sich aufmerksam machen, müssen noch nicht alle Regeln der Diplomatie beachten. Auch vor dem Gesetz sind sie schließlich noch nicht voll für sich und ihre Taten verantwortlich. Und viele 17- oder 18-Jährige sind immer wieder einmal gerne Kind - und dagegen ist auch nichts einzuwenden.
Fehler zugeben - das müssen Väter lernen!
Gib ruhig Fehler zu, die deine Tochter zu Recht kritisiert. Fairness kommt gut an. Schließlich wirken Eltern vor allem über ihre Vorbildfunktion und daher spielt es auch eine Rolle, wie du mit einer solchen Situation umgehst. Auf keinen Fall solltest du schmollen. Auch wenn deine Tochter kurz nach heftigsten Vorwürfen zu dir kommt und etwas will, solltest du vorbehaltlos auf sie eingehen und ihr zeigen, dass sie für dich wichtig ist. Und denk ruhig auch über das nach, was dir an den Kopf geworfen wurde, auch wenn es verteufelt weh getan hat. Gerade dann wird nämlich etwas dran sein.
Ausziehen von Zuhause?
Die plötzliche Unausstehlichkeit deiner Tochter ist keine Katastrophe. Vielmehr findet ein ganz natürlicher Abnabelungsprozess statt: Sie will jetzt nicht mehr Papis Prinzessin sein, sondern ein eigenständiger Mensch. Das mag für den Vater traurig sein, jedoch solltest du den (scheinbaren) Verlust deines kleinen Mädchens positiv sehen: Du bekommst dafür eine eigenständige, junge Frau als Tochter, auf die du stolz sein kannst!
Volker Wollny