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Mit Papa Radfahren lernen


Mit Papa Radfahren lernenBild: Michael Ireland - Fotolia

Irgendwann will jedes Kind Radfahren, den Rausch der Geschwindigkeit erleben und auf Straßen fahren wie die Großen. Bevor das soweit ist, müssen Kinder den Umgang mit dem Rad erst einmal lernen.


Stützräder - nein danke!


Ein warmer Tag im April 1981. Endlich. Der allerletzte Schnee ist getaut, die Wege sind trocken und mein Vater holt mein Fahrrad aus dem Schuppen hinterm Haus. Ich habe es zu Weihnachten bekommen. Im Winter stand es nur rum. Jetzt glänzt der knallrote Rahmen in der Sonne. Meine Augen auch, als Papa Sattel und Lenker so einstellt, dass ich bequem auf dem Fahrrad sitzen kann. Richard, der große Junge aus dem Nachbarhaus, ist da. Er will mir das Radfahren beibringen, will mich festhalten und mitlaufen. Denn Stützräder habe ich nicht.

"Die sind auch nicht gut, um Radfahren zu lernen", sagt André Gläser vom Allgemeinen Deutschen Fahrrad Club (ADFC). Stützräder bedeuten häufig Gefahren. Zum Beispiel beim Rückwärtsrollen oder beim Abschätzen seitlicher Hindernisse. Auch die Kurvenlage wird genau in die falsche Richtung trainiert. "Die Kinder legen sich nach außen statt nach innen", sagt Gläser. Wenn die Stützräder dann abgebaut werden, ist die Gefahr von Stürzen höher.

Die Stützen stören auch beim Erlernen des Gleichgewichts: "Radfahren ist eine Pendelbewegung von rechts nach links und wieder zurück, bei jedem Tritt in die Pedale", sagt Dr. Achim Schmidt, Sportwissenschaftler an der Sporthochschule Köln. Stützräder brechen das Pendeln ab, das Rad steht starr. "So kann ein Kind zwar wunderbar fahren, treten, bremsen und alles sieht super aus. Wenn die Stützräder später aber abgebaut werden, ist die Pendelbewegung für das Kind so komplex, dass es deutlich länger braucht, als mit dem heute üblichen Weg." Und der beginnt mit Laufrad oder Roller.

Am Anfang steht der Roller


Einen dunkelroten Roller hatte auch ich. Der stand im April 1981 aber schon in der Ecke. Ein Fünfjähriger fährt nicht mehr Roller. Er will in die Pedale treten. Doch das war gar nicht so einfach. Richard hielt mich an Lenker und Sattel fest. Er stützte mich. Und sagte immer: "Treten, lenken, treten, bremsen." Ich fuhr unsicher und nur selten alleine geradeaus.

Festgehalten werden wollen viele Kinder auch heute. Sie fühlen sich so einfach sicherer. Doch das ständige Bücken kann anstrengend für die Väter werden. Heute gibt es Stangen als Verlängerung oder Westen, die einen eingebauten Griff direkt im Nackenbereich haben. Der Rücken der Väter bleibt gerade. Die Kinder werden trotzdem durch Papas festes Zupacken vorm Umfallen geschützt. Nebenher rennen ist am Anfang wichtig, um bei Gefahren schnell reagieren zu können.

Verkehrssicherheit braucht Zeit und Helm


Mitwachsende Räder


Kinderräder sollten mitwachsen, Lenker, Sattel und vor allem die Bremshebel müssen an die Größe des Kindes angepasst werden können. Was Papa auf jeden Fall vermeiden sollte: Ein Fahrrad kaufen, in das das Kind hineinwächst. "Man sollte ein Rad nie auf Vorrat kaufen wie einen Pullover", sagt André Gläser vom ADFC. Der Sattel sollte so hoch sein, dass die Zehenspitzen den Boden berühren. "Ist ein Kind eher ängstlich und unsicher, kann der Sattel auch etwas tiefer gestellt werden", erklärt er.

Kinderräder müssen einiges aushalten. Sie fallen öfter um - mit und ohne Kind. Deshalb sind die Rahmen sehr robust. Besonders beachten sollten Väter aber, kein Fahrrad zu kaufen, das zu schwer für das Kind ist. Und Finger weg von Billigangeboten aus dem Baumarkt: "Das Fahrrad sollte keine scharfen Kanten haben", sagt der Sportwissenschaftler Dr. Achim Schmidt. Das Verletzungsrisiko bei einem Sturz wäre zu hoch. "Wichtig ist das GS-Zeichen auf dem Rahmen", ergänzt André Gläser.

Verkehrssicherheit braucht Zeit und Helm


Helme sind zwar nicht Pflicht, sollten bei radfahrenden Kindern aber immer auf dem Kopf sitzen. "Man sollte immer auf einen sicheren Sitz achten", sagt Dr. Achim Schmidt. Die Riemchen müssen gut sitzen ohne einzuschnüren, damit der Helm beim Sturz nicht verrutscht oder gar vom Kopf fällt.

Wer nun das passende Fahrrad für sein Kind gefunden hat, der sollte anfangs auf unbefahrenen Wegen und Straßen üben. "Zum Lernen eignen sich asphaltierte Feldwege genau so wie Parks, am Wochenende der Supermarktparkplatz an der Ecke oder der Gehweg einer wenig befahrenen Straße.", erklärt der Sportwissenschaftler. Zum Lernen brauchen Kinder Platz. "Einen Korridor von zwei bis drei Metern sollten Kinder beim Lernen des Radfahrens immer zur Verfügung haben."

Ab wann ein Kind zum ersten Mal auf dem Fahrrad sitzen sollte, ist individuell verschieden. Als Richtwerte können gelten: Mit zwei oder drei Jahren sollten Kinder an das Laufrad gewöhnt werden. Mit Pedalen können dann Fünfjährige fahren.

Die tun damit nicht nur etwas für ihren Körper. Aus sportwissenschaftlicher Sicht "bewirken Radfahren und Bewegung allgemein eine zunehmende Vernetzung der Neuronen im Hirn der Kinder", sagt Dr. Achim Schmidt. Und diese Vernetzung ist nicht nur für motorisches, sondern auch für kognitives Lernen zuständig. "Ein Kind, das sich in seinem Heranwachsen viel bewegt, kann Gelerntes besser speichern und abrufen."

Sitzt ein Kind erst mal auf dem Sattel und hat Spaß am Radfahren gefunden, sind die Väter gefragt. So oft wie möglich sollten kurze Strecken zum Kindergarten und zur Schule oder am Wochenende eine kleine Tour gemacht werden. Sonst ist die Lust schnell vorbei.

Mit meinem Vater war ich als Kind oft mit dem Rad unterwegs. Und heute: Mein Mountainbike rostet nicht im Keller vor sich hin. Ob zur Arbeit, zum Einkaufen in die Stadt oder für einen kurzen Ausflug am Wochenende: Mein Fahrrad ist nicht immer, aber oft dabei.

Stefan Reisner

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