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Arbeitszeit reduzieren


Arbeitszeit reduzieren - für die Familie ein GewinnBild: Christoph Ewert mit seiner Tochter Luise

Arbeitszeit zu reduzieren ist eine gute Möglichkeit, Beruf und Familie zu vereinbaren. Das zeigt ein Best-Practice-Beispiel aus Hamburg.

Wenn Kollegen neidisch werden


"Neid von Seiten der Kollegen?", fragt etwas irritiert Katja Bellin. Sie macht sich auf ihrem Block eine Notiz: "Da müssen wir mal schauen, wie wir das thematisieren können." Sie ist Personalentwicklerin bei Hamburg Wasser. Ihr ist es mehr als wichtig, dass Männer ihre Berufstätigkeit mit ihrem Vatersein vereinbaren können.

Christoph Ewert, Leiter der Revisionsabteilung und engagierter Vater, hatte ihr von den Problemen eines Kollegen berichtet. Der, frischgebackener Vater, hatte ihm während des Mittagsessens die Stimmung an seinem Arbeitsplatz geschildert. Ärger hat er nicht mit den Vorgesetzten, die es ihm neiden, dass er Stunden reduzieren konnte, damit er nachmittags das Kind aus der Kita abholen kann. Nein - es sind die Kollegen aus dem Team!

Zum Unternehmen ‚Hamburg Wasser‘ haben sich die einstigen städtischen Wasserwerke und die Stadtentwässerung zusammengeschlossen. Dort sind etwas mehr als 2.400 Mitarbeiter beschäftigt.

Einen Tag weniger arbeiten


Seit gut einem Monat ist Christoph Ewert wieder an seinem Arbeitsplatz, er hat seine Arbeitszeit um 20 Prozent gekürzt. Mit seiner Frau, die als Sielbaugruppenleiterin im selben Unternehmen arbeitet und als Bauingenieurin für zwischen 20 und 30 Mitarbeiter verantwortlich ist, teilt er sich die Familienarbeit: Abwechselnd bringen sie die Kleine morgens gegen Acht zur Kita. Der jeweils andere ist nachmittags mit dem Abholen dran. Denn auch seine Frau hat Stunden reduziert.

Dass er nach der Geburt seines Kindes Elternzeit nehmen würde, war für Christoph Ewert keine Frage. Nur dachte auch er zunächst ganz klassisch: "Ich war damals in der freien Wirtschaft beschäftigt und verdiente mehr als meine Frau. Meine Idee war, dass der, der mehr verdient, nur kurz in Elternzeit geht. Zum Glück hat meine Frau gleich gesagt, dass das nicht in Frage kommt." Sie teilten sich die Zeit: Beide nahmen je acht Monate.

"Als ich Luise übernahm, konnte sie ein bisschen robben und krabbeln; als ich sie jetzt gewissermaßen als letzte Amtshandlung in die Kita eingewöhnt habe, ist sie auf die Erzieherin zu gelaufen und ihr in die Arme gesprungen - diese Entwicklung mitzubekommen, das ist schon toll und einmalig."

Motor 1: Fachkräftemangel


Und so genießt er das Glück, in einem Unternehmen gelandet zu sein, das vieles für ihn ermöglicht: Hamburg Wasser hat bereits 2005 begonnen sich das Projekt Vereinbarkeit von Familie und Beruf auf die Fahnen zu schreiben. Ziel war seinerzeit die Zertifizierung als familienfreundliches Unternehmen - auch mit Blick auf den herannahenden Fachkräftemangel und die dafür nötige Konkurrenzfähigkeit.

Doch wie soll das gehen, wenn gut 80 Prozent der Belegschaft Männer sind? Die Männer, vor allem die Väter, müssen mit ins Boot geholt werden! Über den Verein Väter e.V. wurden besonders die Führungskräfte und die Mitarbeiter der Personalentwicklung geschult - neben der Einführung von Telearbeit, flexibler Arbeitszeiten, Arbeitszeitkonten, einem Notfall- und einem Ferienprogramm. Die Idee: Von oben nach unten soll sich der Gedanke verbreiten, dass auch Väter Beruf und Familienleben unter einen Hut bekommen können und dass das Unternehmen gerade davon profitiert. "Wenn der Chef Telearbeit nutzt, dann denkt der Mitarbeiter: Na, das kann ich doch auch", beschreibt Katja Bellin die gewünschte Dynamik.

Den Anschluss nicht verlieren


Motor 2: Die Frauen


Für das Unternehmen hat es sich ausgezahlt: "Unsere Trainees, zwischen dreißig und vierzig Jahre alt, die zu Beginn Ihres Einstiegs bei Hamburg Wasser das ganze Unternehmen kennen gelernt haben, waren die absoluten Vorreiter. Wo Führungskräfte, die schon zehn Jahre dabei sind, schnell sagen ‚Ach, das geht nicht‘, sind sie offen und modern eingestellt und fordern von sich aus Möglichkeiten, sich um ihr Kind kümmern zu können", so Katja Bellin. "Nach meiner Beobachtung sind die Männer beim ersten Kind noch etwas vorsichtig und nehmen vielleicht zwei Monate Elternzeit. Beim zweiten Kind ist es dann schon recht selbstverständlich, mehr Monate zu nehmen."

Dass es im Unternehmen keinerlei Probleme mit einem oft starren Männlichkeitsideal gibt, erklärt sie sich durch die hohe berufliche Qualifikation der Männer - und ihrer Frauen: "Unsere jungen Ingenieure haben zu Hause eine Frau, die ist auch Ingenieurin oder vielleicht Anwältin - was sollen die Männer da den Macho raushängen lassen? Beide wollen schließlich gleich gut und engagiert ihre Arbeit machen." So zahlt sich die Vereinbarkeit für die Väter gleichzeitig für die Frauen aus: "Wenn sich die Zeiten bei den Männern verlängern, dann verkürzen sich umgekehrt die Zeiten bei den Frauen und sie sind wieder schneller im Betrieb und verlieren nicht den Anschluss."

Den Anschluss nicht verlieren


Von daher setzt man auf eine enge Anbindung der Mitarbeiter ans Unternehmen auch in der Elternzeit: Wer will, wird daheim ans firmeneigene Intranet angeschlossen und wird so über das, was in seinem jeweiligen Team passiert, laufend informiert. Auch Christoph Ewert hat diese Möglichkeit genutzt und ist während der acht Monate in engem Kontakt mit seinen Mitarbeitern geblieben, hat an zwei Fortbildungsseminaren teilgenommen: "Manchmal, wenn die Kleine Mittagsschlaf hielt, hab ich mal schnell die Kollegen angerufen und mich auf neuesten Stand gebracht oder E-Mails abgerufen."

Noch vier Monate, dann kommt das zweite Kind: "Dass bei Hamburg Wasser so viel getan wird, Familie und Beruf zu vereinbaren, hat uns bei der Entscheidung für ein zweites Kind natürlich unterstützt." Und er sagt abschließend mit Blick auf seine vorherige Berufslaufbahn und seiner Herkunft aus der freien Wirtschaft: "Sollte jemand aus der Wirtschaft kommen und mir ein höheres Gehalt anbieten, das würde ich höchstwahrscheinlich ausschlagen."

Frank Keil

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