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Wo ist der nächste kleine Schritt?


Viele Paare suchen in verzweifelten Situationen therapeutische Hilfe, dann wenn die Trennung schon vor der Haustur steht. Schnelle Lösungen sind nicht zu erwarten. Aber es kann sein, dass dabei der nächste kleine Schritt auf dem gemeinsamen Weg sichtbar wird.

Thorsten und Mathias haben sich entschieden mit ihren Frauen an ihrem Beziehungsglück zu arbeiten: In vielen kleinen Schritten. Es sind die vermeintlichen Kleinigkeiten im Alltag, die alles verändern.

Mathias bemüht sich heute Babara aufmerksam anzuschauen, anstatt sie nebenbei zu begrüßen und zu verabschieden, wenn sie kommt und geht. Er weiß, dass sie darauf sehr empfindlich reagiert, weil sie in ihrer Familie unter vielen Geschwistern darunter gelitten hat wenig Aufmerksamkeit zu bekommen. Und Barbara bemüht sich bei ihren Verabredungen zuverlässig und pünktlich zu sein. Sie weiß, dass Mathias sein Vertrauen in die Zuverlässigkeit seiner Partnerin erst neu lernen will. Denn in seiner Geschichte wurde dieses Vertrauen oft enttäuscht.

Paarprobleme verstehen


Paarprobleme verstehen – Paartherapie und der Umgang mit Bild: pixhunter-Fotolia.com

Es gibt viele Formen von Paartherapie. Das Ziel ist immer das gleiche: Lernen die Partnerin/den Partner besser zu verstehen. Die Motivation: Den nächsten kleinen Schritt auf einem gemeinsamen Weg zu finden. Auf diesem Weg müssen beide Partner einsehen, dass ein glückliches Beziehungsleben kein Zufall ist sondern unablässige harte Arbeit. Die Paargruppe, regelmäßige Treffen mehrerer Paare mit therapeutischer Betreuung, ist ein Weg kontinuierlicher Arbeit an der Beziehungsqualität.

Mathias und Barbara besuchen eine therapeutische Paargruppe. Fünf Paare treffen sich an drei Wochenenden über das Jahr verteilt. Die Paargruppe ist ein geschützter Raum und eine Unterstützungsgruppe. "Zunächst einmal war es eine riesengroße Entlastung für mich zu verstehen, dass andere Paare ganz ähnliche Probleme kennen", berichtet Mathias. "Egal welche Person und welche Beziehung hier mit ihren Schwierigkeiten und Konflikten im Mittelpunkt steht: Alle Anwesenden lernen dabei". Vor einem Jahr schlug Mathias seiner Partnerin vor gemeinsam auf diesem Weg an ihrer Beziehung zu arbeiten. Ihm war klar dass Beziehungsarbeit notwendig ist, um glücklich miteinander zu leben.

Thorsten besucht die gleiche Paargruppe. Seine Frau Julia hat ihn überredet mitzumachen. Heute ist er froh dass es so gekommen ist: "Die Gruppe hat uns geholfen zu verstehen worum es in unseren Konflikten geht. Früher haben wir uns oft an Kleinigkeiten aufgerieben, ohne zu verstehen was dahinter steht." Warum er sich damals überreden ließ? "Ich habe auch daran gedacht mich zu trennen. Doch ich wusste dass das keine Lösung ist. Denn die gleichen Probleme an denen diese Beziehung zu scheitern drohte, hätten mich wohl in der nächsten Beziehung wieder eingeholt".

Mathias ist Vater von zwei Töchtern. Er wünscht sich für sich selbst und für seine Töchter ein sicheres zu Hause zu schaffen. Daran möchte er mit seiner Frau gemeinsam arbeiten. Thorsten hat einen Sohn. Für ihn ist klar, dass er alle Probleme, die er nicht selbst auflöst, letztlich an sein Kind weitergeben wird.

Paartherapie führt nicht zur Lösung von Paarproblemen!


Doch wesentliche Paarprobleme lassen sich mittelfristig nicht auflösen. "Alle Paare haben noch die gleichen Probleme", berichtet Deutschlands bekanntester Paartherapeut Hans Jellouschek aus seiner Erfahrung mit Paargruppen. Paarprobleme verschwinden nicht einfach. Was also ist Ziel der Paartherapie?

Was Paare in einer Paargruppe lernen können, ist vor allem der Umgang mit Problemen. Vor allem mit solchen die nicht so schnell lösbar sind. Sie können üben, mit diesen Problemen umzugehen, ohne sich gegenseitig das Leben zur Hölle zu machen. Die Paare der Gruppe unterstützen sich gegenseitig, aus dem Teufelskreis von Angriff und Verteidigung ausbrechen. Und mit der Zeit kultivieren die Partner eine Atmosphäre der Zugewandtheit und Kooperationsbereitschaft. Die Konfliktpunkte bleiben die gleichen. Die Art mit ihnen umzugehen verändert sich.

Liebe wird aus Verständnis geboren.


Immer trifft sie meine wunden Punkte, uns ich flippe jedes Mal aus!


Partner kennen ihre wunden Punkte. "Paare passen oft genau deshalb zusammen, weil sie gegenseitig ihre wunden Punkte treffen. Und da wo es die schlimmsten Auseinandersetzungen gibt, stoßen beide auf ein zentrales Lebensthema", erklärt Jellouschek. "Nirgendwo werden wir in unseren zentralen Lebensthemen so sehr herausgefordert, wie in einer auf Dauer verbindlichen Paarbeziehung."

Dort wo die schlimmsten Konflikte immer wieder entbrennen, liegt für beide die Chance an ihren individuellen Lebensthemen zu arbeiten. Und sich gegenseitig darin zu unterstützen. Das setzt ein hohes Maß an gegenseitigem Verständnis voraus.

Liebe wird aus Verständnis geboren.


"Barbara und ich haben gelernt zu verstehen, wie viel mehr in unseren Konflikten mitschwingt", erzählt Mathias. "Wir beide bringen unsere Themen aus unserer Geschichte mit. Heute sprechen wir öfter als früher über unsere Kindheit und unsere Herkunftsfamilien".

Thorsten teilt ähnliche Erfahrungen: "Manchmal streiten ich mich mit Julia wie früher. Jeder beschuldigt den anderen. Aber heute fällt es uns leichter wieder zusammen zu finden. Dann erinnern wir uns daran, woher wir kommen und daran, dass wir einander im Grunde doch unterstützen wollen, anstatt uns fertig zu machen".

Im Streit bin ich wieder das kleine Kind von damals.


Im Konflikt sind die Partner manchmal wie die kleinen Kinder, die sie einst waren, Fünf- oder Sechsjährige. In so tiefe Entwicklungsschichten bringt sie die Nähe und Verbindlichkeit der Paarbeziehung. Jetzt können sie sich das geben, was sie als Kinder nicht bekommen haben.

"Wenn wir streiten sind wir wieder, die Kinder, die wir einst waren. Sobald wir das verstehen, können wir uns gegenseitig das geben, was wir in unserem früheren Leben nicht bekommen haben. Darin liegt die Heilung und der Sinn all unserer Paarprobleme", erklärt Thorsten. "Und trotzdem, wenn ich so richtig in Fahrt komme, dann bin ich immer noch davon überzeugt, meine Partnerin sei allein sei schuld an jedem Konfliktpunkt zwischen uns. Ich kann das sehr glaubhaft vertreten. Doch sobald ich mich etwas beruhige weiß ich wieder, dass die Sache so faul ist. Manchmal kann ich dann sehen wie klein und verletzlich wir beide dabei eigentlich sind".

Auch Mathias kennt das: "Wenn ich aufgebracht bin, weiß ich mich mit allen Mitteln zu verteidigen. Dann fliegen die Fetzen. Aber es ist doch viel schöner mich selbst und Julia so hilflos und klein zu sehen, wie wir in diesen Kämpfen in Wirklichkeit sind. Dann fällt es mir leicht sie zu unterstützen anstatt anzugreifen".

Nils Hilliges

Im Streit bin ich wieder das kleine Kind von damals


Im Rahmen der Paargruppe nehmen sich Barbara und Mathias bewusst Zeit diesen Themen auf die Spur zu kommen. Hier können beide ihre Vergangenheit erforschen. Hin und wieder treffen sie dann Vereinbarungen. Und sie finden Schritt für Schritt den gemeinsamen Weg. Anstatt sich an Konflikten aufzureiben, begreifen sie diese als Lernfelder.

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