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Seitenhieb vom 26. May 2023
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Unfriendly Overtake
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Wer ist der natürliche Feind des Jungvaters? Der Chef? Die Gattin? Die Schwiegermutter? Nein! Wildfremde Frauen, die sich unvermutet und im Östrogen-Wahn auf die Kinder stürzen!
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Illustration: Michael Luz
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Völlig unvorbereitet und wehrlos jedoch finde ich mich immer wieder gegenüber den Angriffen wildfremder Frauen: Es geschieht auf offener Straße, am helllichten Tag, im Supermarkt, auf dem Spielplatz oder im Bus. Ja, vor allem im Bus.
Zum Beispiel neulich: Nichtsahnend und friedlich bummle ich mit Tochter Elise (6) und Sohn Oskar (1/2) Richtung Haltestelle. Plötzlich stürzt aus weiter Ferne ein weibliches, mir völlig unbekanntes Wesen durch die Menschenmenge, bahnt sich zielbewusst den Weg in meine Richtung, die Adleraugen stier auf den Kinderwagen gerichtet, und drückt endlich mit einem Seufzer der Erleichterung meinem Jüngsten den Schnuller in den Mund. „Das war knapp“, sagt sie, ohne sich vorzustellen. „Er wollte eben anfangen zu weinen.“
Ich freue mich in Zeiten sozialer Kälte natürlich über hilfsbereite Mitmenschen. Und so sage ich brav Danke und will verdattert den Bus besteigen. „Darf ich mal?“, ertönt da die Stimme einer älteren Dame. Sie hat bereits das Vorderrad des Joggers ergriffen und zerrt ihn über die Busschwelle. „Der Kleine wird ja sonst völlig durchgeschüttelt!“
„Wollen Sie ihm nicht das Jäckchen ausziehen? Es ist im Bus doch viel zu heiß für ihn!“, erkundigt sich nun freundlich die Zweizentner-Frau, neben der meine Stammhalterin inzwischen den letzten freien Platz ergattert hat. „Setzen Sie sich doch neben mich und nehmen Sie Ihre Tochter auf den Schoß. Dann kann sie mehr sehen“, ergänzt sie noch. Ich lehne angesichts ihrer Fleischmassen dankend ab.
„Nun tun Sie doch dem Kind den Gefallen“ tönt es da durch den Bus. Und nach kurzer Zeit skandiert der Chor der Fahrgäste: „Auf den Schoß! Auf den Schoß!“ Nun gibt es kein Halten mehr: Während die Frau mit den Adleraugen Elises Haar zu einem perfekten Französischen Zopf flicht, erzählt sie mir, dass sie selber drei Kinder großgezogen hat. Die ältere Dame beginnt Oskar zu wickeln („Stoffwindeln sind ohnehin gesünder“).
Die Zweizentner-Frau hat Elise inzwischen auf ihren Schoß gezwungen und näht Flicken auf die dünnen Stellen ihrer Latzhose.
Mit letzter Kraft gelingt es mir den Halteknopf zu drücken. „Ich muss leider aussteigen“, lüge ich in Notwehr und zerre meine Tochter und ihren brüllenden Bruder auf die Straße.
Während ich erleichtert den Inhalt der Wickeltasche vom Gehsteig auflese, schließt sich hinter mir endlich die Tür vor der tobenden Meute. „Die Fingernägel müsste man auch mal wieder schneiden!“, ruft mir die Busfahrerin noch hinterher. |
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weitere Seitenhiebe
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Tobias Bücklein lebt als Musiker, Entertainer und Moderator mit seiner Familie in Konstanz. Er war Mitherausgeber der Zeitschrift "Paps". Sein aktuelles Kabarettprogramm heißt "Testosteron - Der Stoff aus dem die Männer sind". Für private Auftraggeber entwickelt er mit seiner "Show-Manufaktur" individuelle Unterhaltungskonzepte.
www.testo-tobi.de
Die Seitenhiebe sind auch als Buch erschienen:
Preis: 5,80 Euro (zzgl. Versand)
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