väterzeit.de - Vater sein, Mann bleiben

02.10.2010 13. Woche
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Heimweh und Abenteuerlust

Ich denke an zu Hause und vermisse meine Tochter sehr. Bald werde ich mit einem Freund zusammen in die Berge fahren.
Ich bin ein bischen schwach auf den Beinen. Seit der Regen vorüber ist, sind die Tage sehr heiß. Mein Organismus trägt seine Kämpfe mit dem tropischen Klima aus. Ich denke an die schönen kühlen Herbsttage in Deutschland – an duftende Äpfel und bunte Blätter.

Ich vermisse Noa. Ich denke an Johanna und ein wenig Ärger schwingt dabei mit. Wir hatten uns über skype zum Telefonieren verabredet. Das besondere dabei ist, dass Noa mich sehen kann und dass ich sie sehe. Ich hatte mich seit einigen Tagen darauf gefreut, doch Johanna hat mich versetzt. Sie ist nicht erreichbar.

Morgen früh setze ich mich hinter Rajiv auf das Motorrad und wir fahren in die hohen Berge des Himalaja. In den kommenden zwei Wochen werde ich wahrscheinlich keinen Internetzugang finden, vielleicht nicht einmal ein Telefon.

Die Reise mit Rajiv ist genau das, was ich mir gewünscht habe: Mit einem Freund loszuziehen. Rajiv kommt aus Bombay. Es ist etwa in meinem Alter und sogar in einer beinahe vergleichbaren Lebenssituation wie ich. Je näher unsere gemeinsame Reise rückt, je deutlicher wird mir aber auch, dass wir in unserer kulturellen Prägung und in vielen Gewohnheiten grundverschieden sind.

Ich bin bisher auf dieser Reise gern meinen eigenen Weg gegangen. Die Freiheit zu tun und zu lassen was mir gefällt, ohne Kompromisse und ohne dabei auf irgendjemanden zu sehr einzugehen war mir dabei heilig.

Ab morgen reise ich zusammen mit einem Freund. Das wird ein bischen anders werden. Sicher stecken einige Lernaufgaben für mich darin, zusammen mit Rajiv unterwegs zu sein.

In Rishikesh habe ich mich vom ersten Tag an zu den Sadhus hingezogen gefühlt. Sie sind wanderne Mönche ohne zu Hause und ohne Familie. Sie tragen Tücher in den Farben des Feuers, weil sie ohne Vergangenheit und ohne Zukunft im jetzt brennen. Sie sind überall zu Hause.

Ich sitze gern mit diesen Männern am Gangesufer und schaue in ihre vom Wetter gegerbten, meist munteren Gesichter. Sie sind der krasse Gegenpol zu einer Welt in der es um Wachstum, Konsum und Wohlstand oder Erleuchtung geht. Ihre Weisheit liegt im Sein, nicht im Tun.

Rajiv meint ich wäre wie die Sadhus. Aber das stimmt nicht. Ich habe eine Familie und viele Gedanken an die Zukunft und an die Vergangenheit. Doch ich liebe den freien Blick auf den Ganges und den Sternenhimmel genauso wie Arun Giri Baba und Chandra Giri Babaji. Das sind die beiden Sadhus mit denen ich immer wieder am Fluss sitze.

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