väterzeit.de - Vater sein, Mann bleiben

Experten-Tipp des Tages
17. March 2023

Achten, lieben, Grenzen fordern

Fast alle wissen es - Erziehung kann gelingen mit wenigen Grundsätzen. Aber immer mehr Kleinkinder kreischen krass und nerven.
Man hört es, man liest es und man sieht es im TV: Die halbe Welt scheint zu wissen, dass das Erfolgsrezept für gelingende Kindererziehung aus den zwei Zauberwörtern „Lieben“ und „Grenzen setzen“ besteht. Literaten, Pädagog*innen sowie Presseleute kolportieren es. Dazu, würde Karl Valentin sagen, „ist bereits alles gesagt, nur noch nicht von jedem“. Pawlowa, Korczak und andere haben es ähnlich gut ausgedrückt mit „Achten und Fordern“.Deshalb ergänze ich mal die Formel um einen weiteren Faktor, um die Orientierungshilfe.

Das Lieben müssen wir nicht näher erläutern; auf das Grenzen setzen komme ich später zurück. Die Auseinandersetzung zwischen den Generationen ist, solange der junge Mensch nicht 27 ist, häufig von Vorgaben geprägt, die Ältere setzen. Je älter der junge Mensch, desto unempfänglicher. Ab 12-Jährige, wir lasen das hier noch vor ein paar Tagen vom Kollegen Jesper Juul, sind nicht mehr erziehbar; ist das Kind aber 1,5, ist die Neugier bis 7 extrem groß im Hinblick auf „Orientierungshilfen“ der Eltern und anderer Verwandter sowie Nachbarn (ab 7 kommen Lehrer*innen, Age Mates und andere Peers hinzu). Den kleinen Kindern (die man liebt, denen man Grenzen setzt) sollten ständig Vorschläge gemacht werden, was werden könnte, Beispiele und Angebote. Dabei hat es sich (kein Geheimnis, keine Wissenschaft!) unglaublich bewährt, dem Kind einen Vorschlag und dazu eine Alternative anzubieten. Zum Beispiel in der Nähe von Bioladen und Eisdiele, das Kind quängelt: „Möchtest du heute ein Energiebällchen und morgen eine Kugel Eis oder umgekehrt?“
Das ist das Prinzip; sagen sie nicht „ja es gibt Kinder, die darauf reinfallen - alles Manipulation!“ Nein, es handelt sich um Win-Win-Techniken und um „Erziehung“.

Beim Thema Grenzen setzen fällt mir sofort die neue Mode ein, dass kleine Kinder wieder häufiger und lauter kreischen. Gehen sie auf einen Spielplatz im berühmten Prenzlauer Berg (bekannt von Film und Kabarett), hören Sie immer wieder erschreckend laut kreischende Kinder, auf die niemand mehr zugeht, um das zu unterbinden. Es handelt sich beim Kreischen mitnichten um irgend eine „Musik“, die wir den Kindern gönnen. Lautes Singen in höchsten Tönen hört sich anders an, drückt Freude aus, auch wenn es mit den Noten durcheinandergeht. Sind Kinder zusammen, wird es meistens laut. Näheres regelt das örtliche Lärmschutzgesetz. Kreischen bringt vielen im Umfeld Schmerz, vor allem für Tinnituspatient*innen, von denen wir in Deutschland etwa 3 Mio haben. Kreischen kann natürlich ein Hilferuf sein. Überprüfen ist schnell getan, in 98% der Aktionen wird es kein Hilferuf sein. (Auch das Hilferufen ist zu 98% kein Hilferuf, sondern z.B. „Spaß“ im Freibad, leider. Fachleute empfehlen daher inzwischen, in großen Notsituationen „Feuer“ zu rufen). Bei 2% kann wirklich das sprichwörtliche „schreit wie am Spieß“ eingetreten sein, ein Affekt-Schrei angesichts heftigster Schmerzen. Machen Sie den Kindern immer wieder klar, dass Kreischen anderen weh tut. Ermuntern sie auch fremde Menschen, ihrem Kind zu sagen, dass das krass ist. Halten Sie sich die Ohren zu, aber dann bitte nicht dabei lachen!
Manfred Günther
Experten-Tipps der letzten Tage zeigen
Ihren Experten-Tipp eintragen
Zur Person

Manfred Günther
Experten - Tipp des Tages

Alter: 71
Wohnort: Berlin
eigene Kinder: 1
Mehr über mich:
Notfallpsychologe Gewalt an Schulen in Rente, Autor und Coach.



eMail schreiben eMail: Hier klicken
Eigene Homepage Eigene Homepage